Papst Franziskus legt uns für die Synode ans Herz, wieder ganz neu zu HÖREN: auf Gottes Geist mitten unter uns und aufeinander. Ganz besonders gut hören sollen wir auf das, was uns die Frauen und die jungen Menschen in der Kirche – und an ihren Rändern – zu sagen haben. So laden wir Sie und Euch alle nun zu Beginn unseres Gottesdienstes herzlich dazu ein, zuzuhören: einer jungen Frau in der Kirche:
Wo berühren sich Himmel und Erde?
Ich lade euch ein, einen kleinen Ausflug in meine Erinnerung zu machen.
Ein schöner Kirchenraum. Hohe Säulen, die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die Buntglasfenster. Die Sonnenstrahlen glitzern, kitzeln mein Gesicht. Hier leuchte ich.
Die versammelte Gemeinde hat Strahlkraft. Wir zusammen werden zur Lichtgestalt.
Aus vielen „Ichs“ wird ein „Wir“, weil wir an das Selbe glauben.
Vater-Unser-Zeit: Wir werden noch mehr „Wir“. Aufbruch aus den starren Bankreihen: Rechts und Links wachsen zusammen, unsere Hände bilden ein dichtes Band, eine Brücke über den Mittelgang, scheinbar über alle Grenzen hinweg.
Friedensgruß: Gotteslob, Nummer 832: „Wo Menschen sich vergessen“. Mein Sitznachbar: etwas über 70, dröhnender Bass, und ich, grade 25, Mezzosopran, lassen unser Gotteslob liegen. Wir kennen den Text aller Strophen in- und auswendig. Vielleicht drifte ich deshalb gedanklich ab…
Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen.
Verlassene Wege sollte man verlassen. Aber gut ausgeleuchtete, belebte Wege – warum sollte ich die verlassen? Viele, die ich kenne, haben den Weg der Kirche verlassen. Aus vollem Herzen kann ich nicht sagen: Ihr seid vom richtigen Weg abgekommen! Denn auch ich, eine junge, emanzipierte, kinderlose Frau bin oft orientierungslos und irritiert von den Wegen, die unsere Kirche einschlägt.
Schweißperlig rede ich mir den Mund fusselig in WG-Küchen mit Gleichaltrigen, die große Au-gen machen, wenn ich erzähle, warum ich hier dabei bin; hier, in der katholischen Kirche.
Ich spanne eine Wortgirlande aus:
„Hier kann ich zur Ruhe kommen.“
„Großes Gemeinschaftsgefühl.“
„Trost beim Trauern.“
„Ein Ort zum Ankommen und Durchatmen.“
„Erhebendes Gefühl von Festlichkeit in Gottesdiensten.“
Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken.
In meinen Gesprächen schenke ich der Kirche Wertschätzung, Dankbarkeit und viel Energie. Verkatert frage ich mich immer öfter: wofür eigentlich? Eigenartig heroisch schalte ich immer wieder den Kirchenverteidigungsmodus ein, bereit den Beziehungsstatus „Es ist kompliziert“ zwischen mir und unserer Kirche hinzunehmen.
Ideale, die mir „im echten Leben“ lebenswichtig sind, zählen für unsere Kirche offenbar nicht. Dabei sollte unsere Kirche doch genau das sein: Echtes Leben! Oder gar… besser?
Wann wird auch hier nicht mehr verurteilt, wer wen liebt?
Wann werden hier Macht und Autorität umverteilt? Vielleicht sogar geteilt?
Wann wird eine echte Fehlerkultur etabliert?
Wann ist mein Geschlecht bei der Berufswahl nicht mehr wichtig, sondern wer ich bin und was ich kann?
Wann wird unsere Kirche Heimat für alle, die sonst keine Heimat mehr haben?
Wann wird „Das haben wir immer so gemacht“ abgelöst von „Lasst uns das doch mal auspro-bieren“?
Vielleicht dann, wenn Menschen sich verbünden, den Hass überwinden.
Ein Verbünden, das alle einschließt. Vielleicht müssen wir dafür aufbrechen, die geteerten Straßen der Kirche aufbrechen, uns durch die Brüche im Asphalt bis zu den katholischen Wur-zeln graben. Ein katholisch, das tatsächlich „allumfassend“ bedeutet.
„Da berühren sich Himmel und Erde“ – ich kenne dieses Gefühl der Himmel-und-Erde-Berührung. Das ist ein Hochgefühl aus Zufriedenheit, Leichtigkeit und Aufbruchsstimmung. Ein Neubeginn kann auch ganz voll von diesem tiefen Empfinden sein. Ich wünsche mir, unsere Kirche möge neu beginnen, ganz neu. Zum Beispiel mit der Weltsynode, die wir heute eröffnen, und weit darüber hinaus.
Neu beginnen, ganz neu. Vielleicht können sich Himmel und Erde dann wieder viel häufiger berühren, vielleicht sogar – in der Kirche.
Autorin: Anna Kozikowski