Fastenzeit, das bedeutet für die meisten Menschen, 40 Tage auf Fleisch, Schokolade oder etwa das Rauchen zu verzichten. In der Kirchengemeinde St. Antonius und Elisabeth in Düsseldorf haben sich viele Menschen in diesem Jahr auf einen ganz besonderen Weg der Vorbereitung auf Ostern gemacht: das Klimafasten. Was das bedeutet und woher die Idee kam, erklärt Klaudia Hilger, die Pastoralreferentin in der Gemeinde ist.
Woher kam die Idee, sich in der Fastenzeit dem Klima zu widmen?
Klaudia Hilger: Bei der Idee habe ich mich von der Umweltgruppe in unserer Gemeinde inspirieren lassen und dann überlegt, dass sich die Fastenzeit als Zeit des Ausprobierens anbietet. Wir sind dann auf die bestehende ökumenische Initiative des Klimafastens aufmerksam geworden. Von dort haben wir die Themen und Wochenplakate übernommen und zusätzlich auf unserer Homepage jede Woche eine Seite gestaltet, um Kinder und Familien mitzunehmen. Dazu gab es kleine Videoklips und Artikel.
Was heißt Klimafasten konkret?
Klaudia Hilger: Für jede Woche der Fastenzeit gab es ein Schwerpunktthema, zum Beispiel den Wasserfußabdruck in der ersten Woche. In der Woche gab es dann Informationen und Tipps zu diesem Thema. Natürlich versuchen die meisten bereits, Wasser zu sparen, aber etwas hat sie überrascht: Noch wichtiger als das Wassersparen hier bei uns ist es, Wasser dort zu sparen, wo es knapp ist. „Virtuelles Wasser“ nennen das die Experten, also Wasser, das in anderen Ländern für die Dinge verbraucht wurde, die wir konsumieren. Fasten heißt hier, Zeit für diese Auseinandersetzung zu opfern. Es dient der Bewusstseinsbildung und dem Experimentieren: Eine Woche versucht man es besonders intensiv und schaut dann, was man dauerhaft übernehmen will. Ich habe zum Beispiel beibehalten, Leitungswasser statt Flaschenwasser zu trinken und auch beim virtuellen Wasser nochmal stärker hinzuschauen.
Und wie hat die Gemeinde auf die Idee reagiert?
Klaudia Hilger: Wir haben das Klimafasten mit allen Kommunikationsmitteln kommuniziert: In Gottesdiensten, auf Plakaten, in Newsletter und auf der Internet- und Facebookseite, so wurde die ganze Gemeinde mitgenommen. Zudem gab es das Angebot einer wöchentlichen Austauschgruppe. Wir hatten zwar auf eine größere Beteiligung gehofft, dafür sind einige Leute ‚hängengeblieben‘ und haben sich der Umweltgruppe unserer Gemeinde angeschlossen – so ist zum Beispiel eine Handysammelaktion für den NABU entstanden. Gleichzeitig haben viele Gläubige großes Interesse an den Wochenthemen gezeigt: Die Flyer, die zu den einzelnen Themen in der Kirche auslagen, wurden stark nachgefragt.
Wer hat mitgemacht?
Klaudia Hilger: Das Klimafasten ist bei den unterschiedlichen Generationen gut angekommen. In die Austauschgruppe kamen vor allem Leute, die schon in Umweltsachen sensibel und aktiv sind – aber sogar die haben unerwartet noch viel Neues erfahren. Auch die Hauptamtlichen waren rege beteiligt, zum Beispiel hat unsere Verwaltungsleiterin vom Wassertank in ihrem Garten berichtet.
Hat es sich gelohnt? Wird es wiederholt?
Klaudia Hilger: Das Klimafasten war ein Erfolg, weil es das Thema in der Gemeinde präsenter gemacht hat. Eine Wiederholung ist derzeit nicht geplant, am Thema Umweltschutz bleiben wir aber dran. So wird es immer wieder Umwelttipps im Wochenblatt und auf den anderen Kanälen geben und die Handy-Sammelaktion ist mit einer Brillen-Sammelaktion für einen guten Zweck fortgesetzt worden. Die Leute sind sehr inspiriert, motiviert und begeistert dabei. Zudem sind viele Menschen zusammengebracht worden, die an dem Thema interessiert sind – die Gruppe war kaum zu bremsen. So haben sich Gleichgesinnte gefunden, die an dem Thema in der Gemeinde weiterarbeiten. Es war eine spannende Zeit, in der man intensiv in die Themen eintauchen konnte. Und je mehr Menschen man für das Thema begeistern kann, umso besser für die Zukunft der Menschen auf der Erde. Es war gut, jetzt einen Auftakt zu machen – auch in Hinblick auf Themen und Werte nach der Corona-Krise.
Was hat das alles nun mit Fasten zu tun?
Klaudia Hilger: Die Fastenzeit ist eine Trainingszeit, eine Gelegenheit zum Nachdenken: Bin ich mit meinem Leben auf dem richtigen Weg, auf dem Weg Gottes? Wo will ich etwas nachjustieren, mich neu ausrichten? Die Frage „Wo will ich mein Leben schöpfungsgerecht ausrichten?“ passt da gut hinein. Der Verzicht ist kein Selbstzweck, sondern soll dem Guten und der Wertschätzung von den Dingen dienen, die man hat. Wenn man sich sechs Wochen wäscht, statt zu Duschen, lernt man den Wert der warmen Dusche neu zu schätzen – nicht selbstverständlich zu verbrauchen, sondern den Reichtum zu schätzen. Insofern passt das Thema perfekt in die Fastenzeit. Noch etwas kommt hinzu: Jesus fastet 40 Tage, die Zahl 40 kommt immer wieder in der Bibel vor als eine Zeit des Übergangs, der Neuausrichtung, der Vorbereitung. Heute ist viel von der 30-Tage-Challange die Rede. Es braucht einige Zeit, sich eine neue Gewohnheit anzueignen. Das ist eine tiefe menschliche Erfahrung.
Was empfehlen Sie anderen, die sich ebenfalls auf diesen Weg machen wollen?
Klaudia Hilger: Jede Woche ein neues Thema zu haben, hat den Vorteil, dass man zu vielen Themen grundlegende Informationen bekommt. Aber normalerweise nehme ich mir für die Fastenzeit eher ein, zwei oder drei Dinge vor und die laufen dann die ganze Zeit durch. Hier kam jede Woche etwas Neues, da fehlten manchmal die Ressourcen, mir immer etwas Konkretes vorzunehmen. Es ist somit eine ungewohnte Art der Fastenzeit. Vielleicht könnte man sich auch zwei Themen zur intensiveren Auseinandersetzung vornehmen und die anderen für die nächste Fastenzeit aufsparen. Gut war, dass Kinder mit dabei waren; auch für sie findet man zu den meisten Themen was, etwa ein Video. Da es relativ viel Rechercheaufwand ist, ist die Nutzung einer Materialsammlung zu empfehlen.
Das Interview führte Pavlos Leußler.