„Der heilige Berg Athos…. Zwei Uhr mittags…Obwohl draußen die Sonne scheint, ist es in der Kirche schummrig. Kleine Kerzenleuchter werden von der Decke heruntergelassen, aus Nischen hervorgeholt und angezündet. Schwach beleuchten sie die mageren Gesichter der Heiligen auf den rußgeschwärzten Wänden. Weihrauch füllt den von tausend Gebeten aufgeladenen Kuppelbau. Die schweren Bücher werden aufgeschlagen.
Nachzügler treffen ein. In meinem Kopf löst sich ein Satz: Herr, wenn es Dich gibt, erleuchte mich! Das kurze Gebet, das der heilige Siluan allen Zweifelnden empfahl. Es mischt sich mit den Bitten der Mönche, dem dunklen, aufbrummenden Wechselgesang. Bald bin ich eingetaucht in den warmen, gemächlichen Strom des Singens, Betens und Vorlesens. In einem Kreislauf, bei dem Weihrauch eingeatmet und Gesang und Gebet ausgeatmet werden. Langsam. Ohne Eile treiben wir dahin.“
Rainer Schildberger