Totenmonat November: Niemand geht allein
Auf die Osternacht 2019 hat sich Marianne Ricking damals sehr gefreut. Als die Gemeinde von St. Severin die Auferstehung Christi feierte, hat die Frau aus der Kölner Südstadt ihre Beauftragung als "Ehrenamtliche Bestattungsbeauftragte" erhalten. Seitdem führt sie regelmäßig Beerdigungen durchführen - als katholischer Laie.
"Unser Pfarrer hat mich gefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen möchte", erklärt Ricking, die seit 1980 zur Gemeinde gehört. "Und ich habe mit Freude ja gesagt." 36 Jahre war sie Leiterin des Kindergartens von St. Severin. Seit fünf Jahre im Ruhestand, ist ihr Engagement für die Menschen ungebrochen: "Jetzt kann ich mich meinen Aufgaben viel intensiver widmen", freut sie sich. Und das gilt auch für die menschliche Begleitung auf dem letzten Weg.
Gemeinde- oder Pastoralreferenten sind schon länger anstelle von Priestern und Diakonen im Beerdigungsdienst tätig. Mit dem Einsatz von Ehrenamtlichen erfährt die Trauerpastoral im Erzbistum Köln eine weitere Aufwertung. "Das Sterbende begleitet, Trauernde nicht allein gelassen und Tote würdevoll bestattet werden, ist eine Aufgabe der ganzen Gemeinde", sagt Ricking. Und in der Tat: Die Beerdigung ist kein Sakrament, bis ins 17. Jahrhundert wurden Beisetzung und Trauerbewältigung nicht vom Priester, sondern von der Nachbarschaft übernommen. So gesehen ist die Laien-Beauftragung heute nicht nur eine Reaktion auf fehlende Priester, sie ist auch das Wiederaufleben einer langen Tradition.
Den Menschen auf Augenhöhe begegnen
Ricking hat ihre Ausbildung beim Erzbistum Köln absolviert. Es ging um den eigenen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer, die gewandelte Bestattungskultur, die christliche Theologie von Tod und Auferstehung, sowie Grundzüge des Bestattungsrechts. Die Kursteilnehmer begleiteten Beerdigungen und Trauerfeiern, erfahrene Referenten schulten sie für Gespräche mit Angehörigen und Beerdigungsreden. In der anschließenden Praxisphase betreuten Mentoren die Kandidaten.
Marianne Ricking hatte zuvor bereits Erfahrungen mit Trauernden gesammelt: "Man muss den Menschen positiv zugewandt sein und ihnen auf Augenhöhe begegnen", sagt sie. Jeder Trauerfall sei anders, jeder Hinterbliebene ein Einzelfall. Trost aus der Schublade gibt es hier nicht. "Wichtig ist mir, dass wir den Menschen, von dem wir uns verabschieden, noch einmal gemeinsam in den Mittelpunkt rücken." Das kommt an. Gefragt, nach den Reaktionen der Hinterbliebenen, klingt die Antwort leise und fast ein wenig verlegen: "Bisher habe ich nur positive Resonanz erfahren."
"Man muss Gott und die Menschen mögen"
Dabei trieb Ricking anfangs die Sorge um: Werde ich als Frau, noch dazu als Weltliche, von den Menschen in meiner Rolle anerkannt? Ja, lautet die klare Antwort. Als Frau schwingt bei den Hinterbliebenen oft das Bild der verständigen Mutter, Schwester oder Tochter mit. Und dank 36 Jahren in der Kita-Leitung, ist sie im Veedel mehr Menschen vertraut, als der leitende Pfarrer. Dass sie kein richtiger Priester sei oder nur Begräbnisse zweiter Klasse abhalte, hat Ricking, die auch 30 Jahre im Pfarrgemeinderat saß, noch nicht gehört.
"Man muss Gott und die Menschen mögen", lautet ihr Credo. Klingt einfach, aber wie kommt das bei Kirchenfernen an? Ricking erzählt von einem jungen Mann, der gleich zur Begrüßung sagte: "Mit Kirche hab ich nix am Hut, aber meinem toten Vater war es wichtig." Für Ricking kein Problem: "Ich bin die Glaubende, aber ich missioniere nicht. Gott hat uns den freien Willen gegeben." Sie haben lange miteinander gesprochen und über den Vater eine Beziehung zueinander entwickelt. Auch in diesem Trauergespräch ging nicht allein um das Begräbnis, sondern auch um die intensive Begleitung der Angehörigen.
Ricking gibt den Menschen viel - was erhält sie, die Ehrenamtliche, zurück? "Jede Menge Zeichen, die mir sagen, es ist das richtige, was ich tue." Sie fühlt sich "reich beschenkt, mit Menschen in außergewöhnlichen Situationen zusammenkommen." Anerkennung erfährt sie auch von ihrem Pfarrer und den anderen Hauptamtlichen der Gemeinde. Sie empfinden die Einbindung von Laien als Bereicherung der Trauerpastoral.
Niemand wird vergessen
In dieser Atmosphäre entstehen besondere Ideen, etwa die Initiative "Keiner geht allein". Der Priester allein mit der Urne auf dem Weg von der Trauerhalle zum Grab? Das kommt in St. Severin nicht mehr vor. Stirbt ein Mensch, der keine Angehörige oder Freunde mehr hat, begleitet ihn eine Begräbnisgemeinschaft aus Freiwilligen auf dem letzen Weg. Zehn Personen und mehr, bei Wind und Wetter. Alle tragen eine Rose als Zeichen dafür, dass hier niemand vergessen wird.
"Die Idee entstand aus der Gemeinde heraus", freut sich Ricking, und beschreibt die intensive Erfahrung, "über Sterben, Tod und Trauer, aber auch über unsere christliche Hoffnung ins Gespräch zu kommen." Empfindet sie ihr neues Amt auch ein Stück weit als Berufung? "Ja", sagt Ricking, "denn ich bin überzeugt, dass es die Weiterführung meines bisherigen Lebens ist". Dieses Gefühl teile sie mit den anderen Kursteilnehmern.
Lektorin, Küsterin, Kommunion-Austeilerin, Wort-Gottesdienst-Leiterin, Beerdigungs-Beauftragte: Marianne Ricking kann auf eine beachtliche Laien-Laufbahn in ihrer Kirche zurückschauen. Gibt es da noch etwas, worauf es zu warten lohnt? "Ich hoffe auf das Frauendiakonat. Und selbst wenn ich dann schon 85 bin - dafür melde ich mich sofort", antwortet sie und lächelt vielsagend.
Von Ulrich Nitsche
Übersicht: AusZeit – Online-Magazin des Erzbistums Köln
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