Ich stelle ihn mir vor als Mann im mittleren Alter, der seinen Beruf als Zimmermann schon ausübt, als er anfängt mit dem Gedanken zu spielen, die junge, hübsche Maria zu heiraten und mit ihr eine Familie zu gründen.
Die Verlobung wird offiziell gemacht – doch dann passiert es: Er erfährt, dass Maria schwanger ist. Kann er da noch zu ihr stehen? Ein „lauter“ Charakter hätte jetzt sicher zusammen mit seinen Freunden und / oder der Obrigkeit den Skandal eskalieren lassen. Für Maria hätte das den schmählichen Tod bedeutet …
Doch Josef zieht sich zurück, sicher auch aus Schmerz. Doch vielleicht auch, um sich selber und seine so schwierige Situation Gott hinzuhalten, um evtl. von IHM zu erfahren, wie er sich jetzt verhalten soll. Dieses „Sich-Selber-Hinhalten“ heißt auch, die Situation erst mal auszuhalten, halt nicht zu flüchten, sondern sich selber der Stille (Einsamkeit) auszusetzen.
Der heilige Josef hat das immer wieder getan und wurde zu einem Hörenden. Nur wenn ich still bin, kann ich hören.
Auch wenn er wahrscheinlich meinte, seinen Lebensweg gefunden zu haben, lernt er, dass er eben nicht wirklich der „Herr seines Lebens“ ist.
Das Bild, was ich für diese Meditation gewählt habe, ist eigentlich ein Ausschnitt aus der klassischen Weihnachtsikone der orthodoxen Kirche. Josef sitzt auf einem Holzstumpf vor einer dunklen Höhle und denkt nach. Ziehvater des von Gott verheißenen Messias zu sein – das kam sicher nicht in seiner Lebensplanung vor …
Doch er lässt sich auf das Abenteuer ein. Die Familie, die er mit Maria gründet, ist keine normale Familie. Es wird ihm sicher immer bewusst gewesen sein, dass das geliebte Kind halt nicht sein Kind ist, sondern dieses nicht zu begreifende Geheimnis birgt.
Das gilt auch für uns, wenn wir nun mit großen Schritten auf das Weihnachtsfest zugehen. Nur im Nachdenken, nur in der Stille kann ich etwas hierüber erfahren.
Gott wurde in Jesus Christus Mensch. Für Dich und für mich, für jeden von uns. ER hat für jeden eine eigene Weihnachtsbotschaft, eine Botschaft der Erlösung, die für jeden Menschen individuell ausfällt. Die persönliche Liebeserklärung Gottes (nicht nur zu Weihnachten!) kann ich nur vernehmen, wenn ich still werde, wenn ich mich, wie der heilige Josef, auch mal in die „Einsamkeit“ begebe …
Sr. Johanna (Eremitin)