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Gemeindemitglieder aus Erftstadt-Blessem erzählen, wie ihre Kirche zur Anlaufstelle für viele Menschen wurde:Zwei Jahre nach der Flut: Wie blicken Betroffene auf die Katastrophe zurück?

Noch stehen die Dank-Türen als Erinnerungsmal vor der Kirche. Nach ihrer Einsegnung und in ein paar Jahren sollen sie an die Abbruchkante umziehen.
Datum:
13. Juli 2023
Von:
Newsdesk/jpr
Gemeindemitglieder aus Erftstadt-Blessem erzählen, wie ihre Kirche zur Anlaufstelle für viele Menschen wurde

Erftstadt-Blessem. Es ist das Bild eines Kra­ters. In­ner­halb weni­ger Ta­ge wur­de die ein­ge­stürzte Kies­gru­be in Bles­sem zu ei­nem Sym­bol der Flut­ka­tas­tro­phe am 15. Juli 2021 und ver­schaff­te dem Stadt­teil an der Erft auf trau­rige Wei­se Be­kannt­heit in der ge­sam­ten Bun­des­re­pu­blik. Zwei Jah­re spä­ter ge­hö­ren Leer­stand und Bau­stel­len wei­ter­hin zum Orts­bild. "Noch im­mer sind nicht alle Nach­barn und Be­woh­ner von Bles­sem zu­rück", be­rich­tet Gisa Bender­macher. Sie ist Mit­glied der Pfarr­ge­mein­de St. Mi­chael und selbst von der Flut be­troffen.

"Vie­le wa­ren nicht ver­si­chert, kämp­fen mit fi­nan­ziel­len Schwie­rig­kei­ten und sind da­mit be­schäf­tigt, ih­ren Wie­der­auf­bau-An­trag zu stel­len. Die­ser An­trag er­weist sich für vie­le als sehr kom­pli­ziert und nicht so un­bü­ro­kra­tisch, wie es uns ver­spro­chen wur­de." Es ge­be auch man­che, die nicht mehr zu­rück­kom­men, er­zählt Ben­der­ma­cher wei­ter.

Die Ge­sprä­che mit di­rekt Be­trof­fenen brin­gen auch Un­mut über zu we­nig Un­ter­stüt­zung von offi­ziel­ler Sei­te, bü­ro­kra­tische Hür­den und gro­ße Pro­ble­me in der Kom­muni­ka­tion zum Vor­schein. Nicht sel­ten wer­de die­ser Frust und das Ge­fühl, al­lei­ne ge­las­sen zu wer­den, auch zur men­ta­len Be­las­tung, be­rich­ten die So­zial­dienste vor Ort.

Wäh­rend das Bild der Kies­grube in der Ge­sell­schaft viel Beach­tung ge­fun­den hat, wa­ren es die Gesten der vie­len Hel­fer, die bei den Be­trof­fe­nen in Bles­sem Ein­druck hin­ter­las­sen ha­ben: "Noch heu­te bin ich von der Hilfs­be­reit­schaft von Fa­mi­lie, Freun­den, Nach­barn und Frem­den über­wäl­tigt. Wir ha­ben so vie­le Men­schen ken­nen­ge­lernt, die aus ganz Deutsch­land ka­men, um uns zu hel­fen. Oh­ne de­ren Hil­fe wür­den wir heu­te nicht da ste­hen, wo wir jetzt sind. Da­für sind wir al­len sehr dank­bar", er­in­nert sich Ben­der­ma­cher.

Eine Dank-Tür als Erinnerungsstätte für die Flutkatastrophe im Jahr 2021

Zufluchtsort Kirchengemeinde St. Michael 

Als Versammlungsort der vielen Menschen, die in den Monaten nach der Flut in Blessem halfen und arbeiteten, rückte die Pfarrkirche St. Michael in den Mittelpunkt des Geschehens. Diese war von der Flut verschont geblieben. Das Wasser blieb vor ihrer Tür stehen. Glück im Unglück, denn 96 andere Kirchen und Kapellen im Erzbistum Köln wurden in den Tagen der Flut in unterschiedlichem Ausmaß beschädigt.

Die Kirche entwickelte sich zur Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger aus Blessem sowie Helferinnen und Helfer von außerhalb. In den Wochen nach der Flut traf man sich jeden Tag zur Lagebesprechung und Aufgabenverteilung. Täglich gab es warmes Essen, Kaffee, Kuchen und Ablenkung für die Kinder, berichtet Rebecca Laux aus der Gemeinde. Für sie war das Gemeinschaftsgefühl im Stadtteil, der selten öffentlich zusammenkommt, etwas Besonderes: "In dieser Ausnahmesituation haben alle bedingungslos zusammengehalten. Jeder hat das, was er konnte, beigetragen und das ist auch heute noch spürbar. Schön, dass gerade die Kirche in dem Moment diese Art Zufluchtsort sein konnte."

Seelsorgerische Aufgabe: Zuhören und bei den Menschen sein

In ihren lila Westen sind auch die Notfallseelsorger, die unermüdlich bei den Menschen im Einsatz waren, unvergessen. Noch heute bestehen Kontakte zwischen Seelsorgern und Betroffenen. Bendermacher betont: "Pastor Balascuti hat uns kurz nach der Flut und während der Aufbau-Arbeit zur Seite gestanden. Immer wieder hat er uns besucht und mit seinen Gesprächen ein wenig Normalität, Trost und Ablenkung gespendet."

Thomas Blum ist Pastoralreferent in Blessem und berichtet von ökumenischen Begegnungsangeboten und Erinnerungsgottesdiensten für die Flutopfer und Helfer, die von der Kirchengemeinde in den letzten Monaten angeboten wurden. Er beobachtet: "Seelsorgliche Begleitung findet zwei Jahre nach der Flut eher punktuell statt, im Zuhören und bei den Menschen seiend." Wenn Menschen auf ihn zukommen, fungiert er oftmals auch als Vermittler an die Sozialdienste der Kirchen, die Beratungsgespräche mit den Betroffenen führen.

Ein neues Symbolbild für Blessem

Zum zweiten Jahrestag der Flut werden sich die Gemeindemitglieder von St. Michael, Helferinnen und Helfer wieder in der Pfarrkirche versammeln. Wie in vielen anderen Orten im Erzbistum Köln wird dort um den Gedenktag, am 15. Juli, ein Gottesdienst gefeiert.

Gedenkgottesdienst mit Pfr. Hans-Peter Kippels

In Blessem stellt die ökumenische Feier das Thema "Regenbogen – Brücke zwischen Menschen" in den Mitteilpunkt. Der Gedenkgottesdienst soll dieses Mal vor allem die Gemeinschaft in den Blick nehmen und was diese im Anbetracht der Katastrophe geleistet hat, so Pastoralreferent Blum. Im Anschluss findet rund um St. Michael ein Begegnungs- und Dankefest der Ini­tiative Fluthilfe statt.

Blum wird außerdem eine neue Erinnerungsstätte einsegnen: "Dank-Türen" an der Kirche. Diese sollen in ein paar Jahren einmal an einen noch zu errichtenden Platz an der Einsturzkante der Kiesgrube umziehen. Und vielleicht wird an diesem Jahrestag nicht nur das neu gewonnene Gefühl von Zusammenhalt erneut spürbar, sondern auch die Ahnung eines neuen Symbolbildes für Blessem.

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