„So kann das doch nicht bleiben!“:Rheinbacher Schülerinnen kümmern sich um verwilderten Schwestern-Friedhof
Rheinbach. „So kann das doch nicht bleiben!“ – das war, kurz zusammengefasst, die Reaktion von Schülerinnen des Erzbischöflichen St.-Joseph-Gymnasiums in Rheinbach, als sie sahen, wie der alte Schwestern-Friedhof in einer versteckten Ecke auf dem weitläufigen Gelände an der Schule aussah. „Entsetzt und ein bisschen traurig war ich“, so drückt es Carlotta aus der Klasse 8c aus. Religionslehrerin Anna van dem Brink hatte die Mädchen zu diesem „Lost Place“ geführt, um ihnen etwas von der Geschichte ihrer Schule zu vermitteln, die von den Schwestern Unserer Lieben Frau gegründet wurde. Nicht wenige von ihnen hatten auf diesem Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden. Die letzte dort begrabene Schwester ist Maria Grata, die am 11. September 1995 verstarb.
Seitdem geriet jedoch dieser Friedhof mit seinen immerhin einigen Dutzend Gräbern in Vergessenheit, niemand kümmerte sich mehr. So wucherten die Gräber und das gesamte Gelände zu, einige Grabsteine kippten um, die Natur war dabei, sich dieses einstmals bedeutende Fleckchen wieder anzueignen.
„Auf die Wurzeln kommt es an!“
Es war Zufall – oder Fügung – dass genau zu der Zeit, als die Mädchen etwas tun wollten, kurz nach den Herbstferien des vergangenen Jahres, eine Ausschreibung des Bereichs Schule & Hochschule des Erzbischöflichen Generalvikariats (EGV) im Postfach der Schule landete: „Schülerprojekte gesucht ...“. Schnell klar war: „Da möchten wir mitmachen!“, so die stellvertretende Schulleiterin und Betreuerin des Projekts Petra Hennigfeld. „Auf die Wurzeln kommt es an!“ – so wurde passenderweise das Projekt benannt. Und am Ende des Jahres kam schließlich die frohe Botschaft: Der Schulfonds unterstützt das Projekt mit einer höheren vierstelligen Summe, die im Wesentlichen die Bezahlung der Arbeiten abdeckt, die von Fachbetrieben übernommen werden müssen.
Es wurden sogleich Kontakte zum Provinzialat der Schwestern Unserer Lieben Frau in Coesfeld geknüpft, um Zutritt und Nutzungsrecht für den Friedhof zu erhalten, ein Gärtner wurde mit ins Boot geholt, um die notwendige fachliche Expertise sowie Unterstützung für grobe Arbeiten zu erhalten, die von Schülerhand nicht erledigt werden können.
Erinnerung an den Wiederaufbau 1947
Petra Hennigfeld berichtet: „Seit dem Patronatsfest am 19. März wird aktiv vor Ort gearbeitet. Auch an Nachmittagen und auch an Wochenenden wurde angepackt.“ Seit diesem Tag ist die Schülerschaft dabei, Totholz zu entfernen, Laub zu kehren, die Wege vom Unkraut zu befreien sowie unerwünschte Schößlinge aus den Gräbern zu entfernen – ein sehr mühseliges Arbeiten, was viel Durchhaltevermögen abverlangt und sogar ein wenig an die Zeit des Wiederaufbaus der Schule im Jahre 1947 erinnert, wie die damalige Schülerin Lieselotte Wolf in einem Aufsatz beschreibt: „Eine Gruppe machte den Christusplatz und die ausstrahlenden Wege fertig. Das war wohl die schwerste Arbeit. Die Wege waren mit Lehm und Unkraut bedeckt, der Christusplatz war nur Berg und Tal durch die Bomben. Wir hatten viel Arbeit, alle Löcher zuzuwerfen und alles zu ebnen. Zum Glück war die Christusfigur erhalten. Bald thronte sie wieder auf dem ausgebesserten Sockel und rundherum blühten die Blumen.“
Religiöses Profil wird geschärft
Thomas Pitsch, Leiter des Bereichs Schule & Hochschule im EGV, sagt: „Wir sind froh und dankbar, dass das Schülerprojekt zum bunten Mosaik des katholischen Profils nun hier in Rheinbach so konkrete Gestalt angenommen hat. Das von so vielen Engagierten getragene Projekt ist damit auch ein Zeichen für das Proprium einer Erzbischöflichen Schule wie dem St.-Joseph-Gymnasium. Es ist ermutigend zu sehen, dass der seit rund einem Jahr laufende Leitbildprozess zum religiösen Profil unserer Schulen so vitale und konkrete Formen annehmen kann wie hier in Rheinbach.“
„Man spricht darüber in Rheinbach“
Die Gruppe der Aktiven hat sich mittlerweile ausgeweitet. Klein und Groß machen mit, Schülerinnen und Schüler mit Eltern und Geschwistern, Lehrerkolleginnen und -kollegen sind dabei. Auch von Unternehmen hat man Unterstützung bekommen, ein Baumarkt mit drei Buchstaben etwa hat Blumenzwiebeln gespendet und weitere Hilfe angeboten. „Ich finde das sehr – positiv – katholisch, dass sich eine Gemeinschaft bewährt und bildet, dass Beziehungen wirksam werden. Es ist eine besondere Form des Miteinanders. Und man spricht schon darüber in Rheinbach“, sagt Petra Hennigfeld.
Allen ist nach kurzer Zeit klargeworden, dass das Friedhofsprojekt ein langfristiges wird. Auch für die Schülerinnen, die es angestoßen haben. Zunächst wird es noch dauern, bis alles soweit instandgesetzt ist, und dann muss der Friedhof ja weiter gepflegt werden, damit er nicht wieder verwildert. Dies könnte von einer die Schüler- und Schülerinnengenerationen übergreifenden Arbeitsgemeinschaft geleistet werden.
„Für mich ist heute Weihnachten“
Doch zurück zur Gegenwart: Norbert Erlinghagen, der stellvertretende Vorsitzende des Vorstands des Erzbischöflichen Schulfonds, freut sich, den engagierten Schülerinnen persönlich zu begegnen und den Ort des Geschehens in Augenschein zu nehmen: „Für mich ist heute Weihnachten, jetzt tun wir endlich das, wozu wir da sind. Es ist die Aufgabe des Schulfonds, Geld wirksam zu machen. Der Zweck des Fonds ist definiert: Wir wollen die christliche Erziehung und Bildung fördern. Und zwar über das hinaus, was in diesem Bereich sowieso schon passiert.“ Norbert Erlinghagen stellt sich vor, dass irgendwann viele Projekte ähnlicher Größenordnung in der Fläche des Erzbistums gefördert werden. „Es darf gerne eine Welle entstehen. Und es soll auch um Ideenaustausch gehen, die einen können ja auch etwas Ähnliches machen wie die anderen. Das Geld des Schulfonds soll in jedem Fall ein Motor sein, es hat keinen Selbstzweck.“
Ein besonderes Kennzeichen dieses im Sinne der Schulfonds-Förderung nahezu idealen Projektes ist seine „Anschlussfähigkeit“ an Themen der religiösen Bildung. So lässt sich beispielsweise über Bestattungskultur nachdenken, über Tradition sowie über Leben und Tod.
Es geht weiter
In der Tat werden weitere Ideen bereits ausgeheckt: So würde man sich freuen, wenn noch aktive Ordensschwestern die Schule besuchen und aus ihrem Leben erzählen. Und man überlegt, das Friedhofsprojekt im Rahmen des „Tags des offenen Denkmals“ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. An eine „historische Ecke“ im Schulgebäude wird auch gedacht, wo über die Geschichte der Schule mit Bildern und Texten informiert wird. Vor allem aber soll der Friedhof als Ort der Ruhe, als Kraftquellenort etabliert werden. Wie schon in der Vergangenheit könne er wieder als Prozessionsweg dienen, für Andachten genutzt werden oder als persönlicher Rückzugsort, um Ruhe im hektischen Schulalltag zu finden.
Zum diesjährigen Schulfest am 14. September – so der Wunsch der Schülerschaft – soll ein Großteil der wiederherstellenden Arbeiten erledigt sein, so dass erste kleine Führungen zum Schwesternfriedhof für interessierte Schülerinnen und Schüler und Eltern gemacht werden könnten. Denn eines ist der Schulgemeinschaft des St.-Joseph-Gymnasiums ganz besonders wichtig: „Auf die Wurzeln kommt es an. Man kann nicht im Baum leben ohne die Wurzeln. Die Tradition ist sozusagen die Botschaft, die wir von den Wurzeln her empfangen: das, was dir die Kraft zum Vorwärtsgehen heute gibt. Ohne die Dinge von gestern zu wiederholen. Aber mit derselben Kraft der ersten Inspiration.“
Dieses Zitat von Papst Franziskus, so Petra Hennigfeld, drücke genau aus, was Anliegen der Schule sei, nämlich traditionelle Werte mit den Anforderungen einer modernen Welt zu verknüpfen. „Das katholische Mosaik am Erzbischöflichen St. Joseph-Gymnasium in Rheinbach ist durch dieses Projekt auf jeden Fall wieder um einen wichtigen Baustein reicher! Dafür sind wir sehr dankbar!“
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