Gespräch mit Schwester Christina von der Obdachlosenseelsorge "Gubbio":Obdachlose: Was wird getan, was kann man tun – gerade im Winter?
Köln. Obdachlose sind auch in den nordrhein-westfälischen Großstädten schon länger keine "Randerscheinung" mehr. Sie gehören inzwischen zum Straßenbild der Innenstädte. Dennoch sitzen oder liegen sie oft am Rand. Man sieht sie und geht manches Mal vorbei, mit einem mehr oder weniger schlechten Gewissen. Es ist klar: Diese Menschen brauchen Hilfe. Aber wie kann man ihnen helfen? In der kalten Jahreszeit stellt sich diese Frage noch drängender. Schwester Christina von der Obdachlosenseelsorge "Gubbio" gibt einen Einblick in die Welt der Menschen, die (fast) nichts mehr haben und im Winter besonders leiden.
Schwester Christina, Sie kümmern sich mit der Obdachlosenseelsorge "Gubbio" um Obdachlose in Köln. Wie viele Obdachlose gibt es da zurzeit etwa?
In Köln gibt es rund 8000 Wohnungslose. Das heißt aber nicht, dass alle auf der Straße sind. Das sind zum großen Teil Menschen, die keinen eigenen Mietvertrag haben, die von der Stadt in sogenannten Hotels untergebracht werden oder in Einrichtungen der Obdachlosenhilfe. Die Wohnungslosen leben bei Familienangehörigen, Freunden. Frauen sind in ungute Beziehungen untergetaucht. Circa 500 Menschen sind auf der Straße, das sind die sogenannten Obdachlosen.
„Hotels“ klingt eigentlich ganz gut ...
Diese Hotels sind keine Hotels, wie wir sie kennen, sondern mehr oder weniger einfache Zimmer. Es gibt da selten Einzelzimmer. Die Konstellation der Bewohner passt oft nicht zusammen: Ein trockener Alkoholiker zum Beispiel mit einem, der permanent trinkt. Drogen und psychische Auffälligkeiten sind nicht selten. Da leben einige Wohnungslose lieber auf der Straße. Die Drogensüchtigen müssen auch draußen sein, um mit ihren Dealern Kontakt zu halten. Sie sind permanent in Action, um ihren Stoff zu bekommen.
Durch Alkohol und Drogen wird der innere Schmerz abgetötet, und das führt zur absoluten Verwahrlosung.
Drogenabhängigkeit ist also vielfach ein Grund für Obdachlosigkeit?
Gründe von Obdachlosigkeit sind Alkoholsucht, Drogensucht, Verschuldung, Probleme im privaten Bereich und Krankheiten, besonders im psychischen Bereich. Ein großes Problem ist die Drogensucht. Durch Alkohol und Drogen wird der innere Schmerz abgetötet, und das führt zur absoluten Verwahrlosung.
Und die Betroffenen können oft nicht weiter denken und handeln als: Ich muss den nächsten Stoff den Alkohol haben.
Gibt es weitere herausstechende Gründe für Obdachlosigkeit?
Eine andere Gruppe sind Leute mit Migrationshintergrund, zum Beispiel aus Rumänien. Die bekommen hier wahrscheinlich mehr Geld zusammen als sie es in ihrem Heimatland je verdienen könnten. Viele Menschen wollten eigentlich in Deutschland arbeiten und sich ein besseres Leben in ihren Heimatländern aufbauen. Dann habe sie oft illegal gearbeitet. Das ist dann aufgeflogen oder sie hatten einen Arbeitsunfall. Zurück in ihr Heimatland wollten sie dann nicht mehr.
Hat das Problem der Obdachlosigkeit zugenommen?
Ja. Man sieht es unter anderem daran: Der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) vergibt Postadressen für Obdachlose und Wohnungslose, die sind total überlaufen. Ich sehe auch künftig noch mehr auf uns zukommen. Es gibt keinen bezahlbaren Wohnraum. Die Mieten werden immer höher, die Lebensmittelpreise und Energiekosten steigen.
Wer ist denn eigentlich "zuständig" für die Obdachlosen?
Die Stadt Köln hat die Pflicht, sich um diese Menschen zu kümmern, und sie ist nach meinem Eindruck auch besser aufgestellt als andere Städte. Es gibt zum Beispiel für Leute mit Migrationshintergrund eine Unterkunft mit 120 Plätzen in der Vorgebirgstraße, die vom SKM getragen wird. Es gibt Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die auch die Sprachen können.
Was tut das Erzbistum Köln?
Das Thema wird gesehen und wir haben mit Weihbischof Ansgar Puff, der in der Obdachlosenseelsorge mitarbeitet, einen guten Fürsprecher. Das Erzbistum bezahlt halbe Stellen. Vom Generalvikariat, der Abteilung Diakonische Pastoral, und vom Gesamtverband der der katholischen Kirchengemeinden der Stadt Köln werden wir sehr unterstützt. Es gibt eine sehr gute Zusammenarbeit.
Zum Thema „Winter“: Wird da etwas Besonderes für die Obdachlosen getan?
Meine Vorgängerin hat zum Beispiel das "Nacht-Café" ins Leben gerufen. Das ist eine Einrichtung, die vom 1. November bis zum 31. März Menschen in den verschiedenen Pfarrzentren aufnimmt, damit sie nicht im Freien übernachten müssen. Verschiedene Pfarrgemeinden sind dabei. An drei Nächten ist das Nachtcafé hier in der Kirche. Es gibt eine große Zahl von Ehrenamtlichen, die bereit sind, ein Abendessen vorzubereiten, im Gubbio zu übernachten und dafür zu sorgen, dass die Obdachlosen in Ruhe schlafen können und sie morgens noch ein kleines Frühstück bekommen. Das geschieht immer im Team und wird angeleitet.
Die Mitarbeitenden im Nacht-Café sagen sehr oft, dass sie durch diese Begegnung mit Wohnungslosen für sich selbst eine gute und wichtige persönliche Erfahrung gemacht haben.
Der SKM ist da auch sehr engagiert. In der Ostmerheimer Straße gibt es eine Einrichtung, wo die Menschen Tag und Nacht bleiben können.
Wie sieht es mit der medizinischen Versorgung der Obdachlosen aus?
Es gibt in Köln vier Hausärzte für die Obdachlosen, sehr engagierte Ärzte vom Gesundheitsamt. Die sind offiziell mit der Aufgabe betraut und gehen auch in die Einrichtungen der Obdachlosenhilfe.
Was für Möglichkeiten haben Obdachlose, etwas für die Hygiene zu tun?
Beim SKM am Bahnhof und bei der " Überlebensstation für Obdachlose Gulliver – Kalz e.V." können sie duschen für kleines Geld. Wir kaufen und verteilen manchmal Gutscheine von Gulliver, da können Obdachlose dann hingehen, duschen und mal ein Frühstück oder ein warmes Mittagessen bekommen. Gerade Obdachlose, die neu in Köln sind, haben dann auch gleich ein Umfeld, wo sie bleiben können. Es gibt dort Sanitäranlagen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter als Ansprechpartner.
Gulliver ist eine Einrichtung an der Tunnelröhre der Nord-Süd-Fahrt, eine Station für Obdachlose. Da gibt es soziale Beratung, da gibt es Duschen, da sind Toiletten, da wird gekocht – auch von Obdachlosen. Am Bahnhof ist der SKM mit einer Einrichtung vertreten, zu der wir auch einen sehr guten Kontakt haben, wo man auch essen kann, soziale Beratung hat, duschen kann. Leute, die drogenabhängig sind, bekommen dort ärztliche Versorgung.
Wie sieht Ihre Tätigkeit generell aus?
Gubbio ist eine Kirche im Zentrum von Köln, die zum ehemaligen Franziskanerkloster in der Ulrichgasse gehörte, und die das Erzbistum Köln für die Arbeit mit Obdachlosen zur Verfügung gestellt hat. Dort leiten Pastoralreferent Stefan Burtscher und ich die Seelsorge für Wohnungslose.
Im Innenraum der Kirche haben wir alle Kirchenbänke entfernt und stattdessen Tische und Stühle hingestellt; denn wir wollten auch während der Corona-Pandemie das Gubbio als Begegnungsort offenhalten und konnten das nur, wenn die Menschen einen entsprechenden Abstand voneinander halten konnten. Den Altarraum haben wir aber als liturgischen Raum mit Altar, Tabernakel usw. belassen.
Im Gubbio gibt es zweimal pro Woche nachmittags die Möglichkeit, dass sich Menschen, die auf der Straße leben, treffen und Unterstützung finden. Dabei geht es immer um Leib und Seele, um beides. Es gibt darum immer etwas zu essen: Brote und Kaffee, Kuchen oder manchmal etwas Warmes; und es gibt immer einen geistlichen Impuls, eine Heilige Messe oder das Angebot "Auszeit bei Gott": Stille – Musik – Impuls.
Mittwochs kommt die Tafel hierher und bringt Lebensmittel. Das Angebot wird dankbar angenommen. Dann kommen viele Besucher. Mit dem katholischen Bildungswerk Köln zusammen bieten wir Glaubensgespräche an über religiöse Themen, die die Wohnungslosen bewegen. Eine Besonderheit sind die jährlichen Exerzitien oder Wallfahrten. Das sind absolute Highlights.
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