Integration ist für viele Flüchtlingshelfer zum wichtigsten Thema ihres Ehrenamts geworden. Zum Beispiel in Düsseldorf-Gerresheim, wo Flüchtlinge zusammen mit Einheimischen kochen. Die Initiative zeigt, dass das Engagement nach wie vor gebraucht wird.
Düsseldorf. Es brutzelt, zischt und köchelt, während Josef die Zwiebeln schneidet. Azim rührt den Reis, Sigi zupft am Feldsalat herum, Rosi knetet die Butter weich und Canan würfelt den Fenchel. Die Gruppe ist gut aufeinander eingespielt. Seit beinahe drei Jahren treffen sich Einheimische und Flüchtlinge zum wöchentlichen Kochkreis in Düsseldorf-Gerresheim.
Die Küche steht in Räumen der Caritas, die auch die Kosten für die Initiative trägt. Außerdem begleitet eine Caritas-Mitarbeiterin die bunt gemischte Truppe: Ruheständler kochen hier mit jungen Müttern, Männer mit Frauen und Kindern, Amateure mit Profis. Gemeinsam schnibbeln sie Gemüse, decken den Tisch, teilen das Essen. Die Zutaten bringen sogenannte Lebensmittelretter. Die Aktivisten holen zum Beispiel von Supermärkten noch essbare Lebensmittel, die die Läden bereits entsorgen würden.
"So eine Art Boom"
Als sich der Kochkreis im September 2015 zum ersten Mal traf, waren gerade tausende Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof angekommen. Eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappte durchs Land. Überall packten Ehrenamtliche mit an, auch in Gerresheim. Die Kölner Silvesternacht lag noch in weiter Ferne.
„Das war so eine Art Boom damals“, erinnert sich Sigmund Andrisek. Er und seine Frau Ursula leiten den Kochkreis zusammen mit einem befreundeten Ehepaar, Karl-Heinz und Roswitha Resem. Viele von den Ehrenamtlichen, die die Ruheständler anfangs kennengelernt haben, sind mittlerweile wieder abgesprungen. „Ich staune über uns selbst, dass wir so lange durchgehalten haben“, sagt Sigi. Im Kochkreis duzen sich alle.
Im Sommer 2015 beschlossen Sigi, Ulla, Kalle und Rosi, dass sie helfen wollen. Etwa gleichzeitig entstand bei der Caritas die Idee für den Kochkreis. Das Ziel war, mit den Flüchtlingen ins Gespräch zu kommen und in zwangloser Atmosphäre Unterstützung anzubieten. Seitdem haben die Ruheständler Frauen und Männer aus den unterschiedlichen Ländern kennengelernt. Manche kamen nur einige Wochen zum Kochkreis, die meisten über Monate hinweg, einige wenige machen seit Jahren mit.
„Die Entwicklungen sind ganz unterschiedlich“, erzählt Sigi. Ältere Flüchtlinge täten sich schwerer als Jüngere, in Deutschland Fuß zu Fassen. Sie lernten die Sprache nicht so schnell und hätten höhere Hürden auf dem Arbeitsmarkt. Das führe oft zu Frustration. Da könne auch der Kochkreis wenig tun, sagt Sigi. Die Betroffenen kämen trotzdem immer wieder, denn in der Gruppe könnten sie zumindest über ihre Lage reden.
"Jetzt geht's um Integration"
Fuß fassen, ankommen – darauf liegt in der Flüchtlingshilfe mittlerweile der Fokus. „Jetzt geht’s um Integration“, bringt es Barbara Schepping-Pelzer, die Caritas-Mitarbeiterin, auf den Punkt. Seit Jahrzehnten arbeitet die energiegeladene Frau für den Fachdienst Integration und Migration in Gerresheim. Als sie mit dem Job anfing, kümmerte sich die Einrichtung vor allem um Gastarbeiter aus Italien.
Heute kommen viele Klienten aus dem arabischen Raum. Zum Beispiel Josef Elshayeb, 26 Jahre alt, Flüchtling aus Syrien. Die Arme auf den Küchentisch gestemmt, diskutiert er mit Rosi, wie viel Mehl sie für die Nachspeise brauchen. „Nein, das ist zu viel“, glaubt er. Sie nickt. Josefs Meinung ist in der Gruppe gefragt. Vergangenen August hat er eine Ausbildung zum Koch begonnen. „Als ich nach Deutschland kam, hat mein Studium nicht geklappt“, erzählt er. „Also habe ich gedacht: Ich mache mein Hobby zum Beruf.“
An der Gruppe gefällt ihm der Austausch mit den Einheimischen. In Deutschland kochen die Leute ganz andere Sachen als in seiner Heimat. „Kochen ist eine Kultur“, sagt Josef und lächelt. Wenn er die Ausbildung schafft, will er sein eigenes Restaurant eröffnen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, aber Josef hat Unterstützung.
„Unsere Einstellung zum Leben ist, dass wir versuchen müssen zu helfen“, erklärt Sigi. Er und seine Frau wüssten natürlich auch nicht immer, ob wirklich jeder in Not sei, der es behauptet. Trotzdem: „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Menschen zusammen friedlich leben können.“ Das war im September 2015 die Motivation für das Ehepaar, sich ehrenamtlich zu engagieren. Und das ist noch heute der Grund, warum sie Woche für Woche zum Kochkreis kommen.