Zweitägige Veranstaltung mit rund 70 Teilnehmenden:Fach- und Studientagung: Die zwei Seiten der Einsamkeit
Siegburg. Einsamkeit kann schön sein. Einsamkeit kann furchtbar sein. Je nachdem, wie man das erlebt, was man Einsamkeit nennen kann. Dieses Phänomen und viele weitere Aspekte rund um das Thema Einsamkeit wurden jetzt beleuchtet und erarbeitet bei der Fach- und Studientagung im Katholisch-Sozialen Institut in Siegburg, die in Kooperation des Instituts, des Fachbereichs Lebensbegleitende Pastoral im Erzbischöflichen Generalvikariat und der Ehe-Familien-Lebensberatung im Erzbistum Köln (EFL) angeboten wurde.
An zwei Tagen kamen insgesamt rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen, um über Einsamkeit zu reden, sie zu thematisieren anstatt zu tabuisieren. Viele Teilnehmer haben beruflich, ehrenamtlich oder persönlich mit der Einsamkeit im Alter zu tun, etwa als Betreuer von Senioren im Heim. Die Einsamkeit in dieser Lebenssituation war Schwerpunkt am ersten Tag. Am zweiten Tag weitete und intensivierte sich das Blickfeld. Der Übergang wurde originell gestaltet.
„Einsamkeit ist ein großes Thema“
Denn das, was zum Thema Einsamkeit am ersten Tag zur Sprache kam, wurde nicht rein schriftlich, sondern in „sprechenden“ Bildern festgehalten, die der Event-Zeichner und Illustrator Markus Rockstroh anfertigte. Sie bildeten mit ihren Aussagen wie „Wir fühlen uns einsam“, „Einsamkeit ist subjektiv“, „Einsamkeit ist ein großes Thema“, „Einsamkeit als Quelle der Kraft“, „Alleinsein ist kein Ideal“, „Manchmal ist Einsamkeit schön“ oder auch „Jesus ging an einen einsamen Ort, um zu beten“ den Impuls für die ersten Gruppenaktionen am zweiten Tag. Die große Gruppe verteilte sich an zehn Tischen, und in den kleineren Einheiten kam man ins Gespräch.
Gruppen-„Arbeit“
Je nach dem, was jeder Einzelne aus seiner Lebens- und Gedankenwelt einbrachte und wie sich die Dynamik der mehr oder weniger zufällig zusammengestellten Gruppe dann entwickelte, nahmen die Unterhaltungen verschiedenen Charakter an, führten aber auch wieder zu einander in ähnlichen Worten und Ideen. Eine Gruppe erfand die interessante Frage, ob man denn einfach mal bei anderen Menschen an der Tür klingeln dürfe, wenn man einsam ist. Eine andere Gruppe kennzeichnete die Ambivalenz des Phänomens mit der Unterscheidung von „schlechter“ Einsamkeit (negatives Gefühl) und durchaus wünschenswertem Alleinsein (vorübergehender Zustand). Dass man sich auch in Gemeinschaft sehr einsam fühlen kann, betonte eine weitere Gruppe. Andere Gespräche führten zu den Aussagen: „Man kann nie ganz einsam sein, weil der liebe Gott doch bei einem ist“ und „Ich habe doch immer mich! Also kann, wer einsam ist, immer auch zweisam sein.“
Ein bewährtes Rezept: beten und arbeiten
Was Einsamkeit konkret bedeutet, davon kann Jutta-Auguste Conrad in einem am Rande geführten Gespräch berichten. Mehr als 20 Jahre besucht sie ältere Menschen in der Pfarrgemeinde Schmerzhafte Mutter in Wesseling. Sie ist eine der vielen Ehrenamtlichen, die der Einsamkeit aktiv begegnen. Sie erzählt von einer dementen ehemaligen Lehrerin, die nicht erkennt, wer sie besucht, aber in deren Gesicht dennoch ein Strahlen zu erkennen ist, wenn Besuch da ist. Jutta-Auguste Conrad hat den gesellschaftlichen Wandel von der eng zusammenlebenden Großfamilie hin zur Vereinzelung auch selbst erlebt – mit den je positiven wie negativen Aspekten. Sie verhehlt nicht, dass sie sich – heute selbst über 80 Jahre alt – immer wieder die Frage gestellt hat: „Was wird denn mit mir einmal sein?“, angesichts dessen, dass der einzelne Mensch zunehmend „auf der Strecke bleibt“. Zwei wirksame Tätigkeiten kann sie benennen, die gegen Einsamkeit helfen: „Beten und arbeiten.“
Auf die Beziehung(en) kommt es an
Vor der zweiten Runde in den Teilnehmer-Gruppen flossen Impulse „von außen“ ein. Diakon Tobias Wiegelmann von der EFL machte darauf aufmerksam, dass man schnell dabei sei, Einsamkeit als schlecht zu bewerten, und schlug stattdessen vor, das Gefühl, das man habe, erst einmal so wahrzunehmen, wie es ist, und von da aus weiterzukommen. Ute Aldenhoff, Referentin für Altenpastoral im Erzbischöflichen Generalvikariat, erinnerte an den sozialwissenschaftlichen Definitionsvorschlag, der Einsamkeit so beschreibt: Die Beziehungen, die ich habe (oder auch nicht habe), passen nicht zu dem, was ich mir als Beziehung wünsche.
Biblische Wüste und spirituelle Chance
Ida Haurand, Referentin für Glaubenskommunikation, gab geballten spirituellen „Input“. Sie erinnerte an das biblische Erzählmotiv der „Wüste“ als Symbol für Einsamkeit: „Man muss damit rechnen, von Gott in die Wüste geführt zu werden.“ An mehreren Beispielen (Ignatius von Loyola, Wüstenväter, Alfred Delp, Dorothy Day, Dag Hammarskjöld, Charles de Foucauld, Mutter Theresa, Etty Hillesum) zeigte auch Haurand die Doppelgesichtigkeit der Einsamkeitserfahrung auf. Einfach, klar und einprägsam sprach die jüdische Intellektuelle Etty Hillesum, die 1943 im KZ ermordet wurde, in ihrem Tagebuch von den zwei Formen der Einsamkeit, die sie selbst erlebt hat: bei der einen fühlt sie sich getrennt von allen und sich selbst, bei der anderen verbunden mit allen, mit Allem und auch mit Gott. Ida Haurand beleuchtete die spirituelle Chance, die im Alleinsein steckt, warnte aber auch vor einer Verklärung der Grenzerfahrung „einsam sein“. Zusätzliche Impulse setze die Referentin mit Texten einer islamischen Mystikerin und von Johannes vom Kreuz sowie mit zwei biblischen Psalmen.
„Landkarte“ und konkrete Projekte
Die Gruppenarbeit verband wieder die thematischen Anregungen mit den persönlichen Erfahrungen und Ansichten und mündete in der Zusammenstellung einer „Landkarte der Einsamkeit“ je Gruppe. Auswege aus der Einsamkeit, Lösungen und konstruktives Weiterdenken kamen nun verstärkt zum Vorschein.
Konkrete Projekte, denen es gelingt, der Einsamkeit wirksam zu begegnen, stellten sich am Nachmittag vor, unter anderem das Projekt „Zeitschenker“, die „Zwar“-Netzwerke und das Trauercafé Ratingen.
Inge Mody berichtet davon, wie es mit Letzterem angefangen hat: Vor rund fünf Jahren ist sie mit einer Idee im Kopf zur Engagementförderin der Gemeinde St. Peter und Paul, Christiane Hartel, gegangen, dann nahm das Projekt Gestalt an und Fahrt auf. „Wir halten vor Ort die Schäfchen zusammen“, sagt Inge Mody zu den ehrenamtlichen Aktivitäten. Zur Dreiergruppe des Trauercafés, die an der Tagung teilnimmt, gehört auch Ellen Naue. Kreativität und Pack-an-Mentalität zeichnen die Damen aus. So bieten sie etwa Gespräche am Brunnen auf dem Friedhof an. Und sie gehen Kooperationen mit anderen Gruppen und Institutionen vor Ort ein, um etwa für Eltern von „Sternenkindern“ mit vereinten Kräften etwas zu tun.
„Ein vielschichtiges Thema“
Gemeinsam hat man sich bei der Fach- und Studientagung der Einsamkeit genähert, Erfahrungen ausgetauscht, Unterscheidungen vorgenommen, Problemstellungen vorgebracht und Lösungswege erkundet. „Es ist ein vielschichtiges Thema“, unterstreicht Kristell Köhler, Fachbereichsleiterin Lebensbegleitende Pastoral im Erzbischöflichen Generalvikariat. Und es ist ein drängendes Thema, das weiter behandelt werden muss. Wie Köhler berichtet, bekommt es nicht zuletzt bei der Telefonseelsorge eine steigende Bedeutung – im Übrigen auch bei jüngeren Menschen. Ute Aldenhoff bringt den Schlüssel, um die (schlechte) Einsamkeit zu überwinden, noch einmal auf den Punkt: „Wir müssen lernen, in Beziehung zu leben!“ Das kirchliche, religiöse Leben kann helfen, diese Beziehung(en) herzustellen und sie tief genug und erfüllend zu gestalten. Dann ist auch die Einsamkeit nicht mehr furchtbar, und die grundsätzliche Verbundenheit trägt das situative Alleinsein.
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