Ehemalige können sich melden - Woelki bittet um Entschuldigung:Erzbistum startet wissenschaftliches Projekt zu sexuellem Missbrauch und körperlicher Gewalt am "Collegium Josephinum Bad Münstereifel"
Köln. Fünf ehemalige Schüler des Collegium Josephinum in Bad Münstereifel haben sich seit 2010 an das Erzbistum Köln gewandt und als Opfer sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt gemeldet. Außerdem berichteten sie, dass es an dem ehemaligen Erzbischöflichen Konvikt, einem 1997 aufgegebenen Internat für Jungen, ein System des Machtmissbrauchs und der Begünstigung, aber auch des Wegschauens gegeben hat. Aktenkundig sind Fälle seit den 1950er Jahren.
Kardinal Woelki bittet um Entschuldigung
„Ich habe großen Respekt vor dem Mut der Betroffenen, ihr Leid öffentlich zu machen und damit auch andere Betroffene zur Offenlegung zu ermutigen“, sagt Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. „Für sie bedeutet dies einen enormen Kraftakt. Ich bitte sie und alle betroffenen ehemaligen Schüler des Konvikts um Entschuldigung für das, was ihnen von kirchlichen Mitarbeitern angetan wurde. Mit der Ermöglichung eines wissenschaftlichen Projekts übernimmt das Erzbistum Köln Verantwortung für die Taten.“
Auf Initiative ehemaliger Betroffener startet nun ein wissenschaftliches Projekt zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und körperlicher Gewalt am Collegium Josephinum Bad Münstereifel. Es soll ein Projekt zur Aufarbeitung mit und für Betroffene sein, das sich an ihrem Erleben und ihren Bedürfnissen orientiert. Oberstes Ziel ist es, ehemaligen Betroffenen die Gelegenheit und einen geschützten Raum zu bieten, ihre Erlebnisse und Erfahrungen offenzulegen und möglichst Entlastung, Hilfe und Unterstützung zu erfahren. Gegebenenfalls können aus den Erfahrungen der Betroffenen auch Anhaltspunkte für die Präventionsarbeit entwickelt werden.
Mitinitiator wurde selbst Opfer
Prof. Dr. Werner Becker ist als ehemaliger Internatsschüler Vertreter der Betroffeneninteressen und Mitinitiator des Projekts: „In einem streng katholisch geprägten Elternhaus waren mir Leitregeln von Ethik und Moral vorgegeben: Ohne Wenn und Aber war ein Priester der höchste Vertreter dieses Weltbildes und damit absolut unangreifbar. Somit war auch klar, dass jedwede mögliche Kritik an einem Priester völlig unangebracht war und ein bestrafungswürdiges ‚Delikt‘ darstellte. Aus dieser Not des ‚Verschweigen müssen‘ ergab sich für mich ein Verdrängen der tiefen seelischen Wunden aus meinem Bewusstsein, und das über einen Zeitraum von über 50 Jahren.“
Mit der wissenschaftlichen Projektleitung soll Prof. Dr. Claudia Bundschuh vom Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach beauftragt werden. Sie verfügt über langjährige Praxis- und Forschungserfahrung zum Thema sexueller Missbrauch: „Mir ist es wichtig, dass sich Betroffene im Projekt gehört fühlen und wir gemeinsam Wege suchen, die ihnen bei der Verarbeitung ihrer Erfahrungen hilfreich sind.“ Erfahrungen und Ergebnisse will Bundschuh spätestens Ende 2016 veröffentlichen. Ihre Beauftragung erfolgte auf Empfehlung des Arbeitsstabes des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig. Finanziert wird das wissenschaftliche Projekt, das bereits unter dem inzwischen emeritierten Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner begonnen wurde, vom Erzbistum Köln.
Zur Qualitätssicherung wird das Projekt begleitet von einem Lenkungsausschuss unter der Leitung der Justitiarin des Erzbistums Köln, Dr. Daniela Schrader. Neben Prof. Dr. Bundschuh und Prof. Dr. Becker arbeitet Prof. Dr. Arnfried Bintig, emeritierter Professor für Klinische und Rechtspsychologie an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Fachhochschule Köln, im Lenkungsausschuss mit. Er hat bereits ein ähnliches Projekt zu Grenzverletzungen im Bonner „ AKO-PRO-Seminar e.V.“ der Jesuiten geleitet. Seitens des Erzbistums Köln ist außerdem Kommunikationsdirektor Thomas Juncker Mitglied des Lenkungsausschusses. Die operative Projektleitung hat die Rechtsanwältin und Mediatorin Dr. Bettina Janssen.
Ehemalige sind zu Auftaktveranstaltung im März eingeladen
Um das Projekt bekannt zu machen und Anliegen von Betroffenen und Zeugen der zurückliegenden Gewalttaten in Erfahrung zu bringen und zu besprechen, sind ehemalige Schüler und Lehrer des Collegium Josephinum zu einer Auftaktveranstaltung am Samstag, 28. März 2015 ab 10.30 Uhr in die Ursulinenschule, Machabäerstraße 47, 50668 Köln eingeladen.
Erste Informationen zu dem Projekt sind online unter www.pro-cj.de abrufbar. Ehemalige Schüler, die sexuellen Missbrauch oder körperliche Gewalt am Collegium Josephinum Bad Münstereifel erleben mussten oder Beiträge zur Aufklärung leisten möchten, können sich ab sofort unter der E-Mail-Adresse info@pro-cj.de melden. Ab Mitte Februar sollen auch telefonische Ansprechpersonen auf der Homepage bekanntgegeben werden.
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