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Service

Gott als Anker in der Flut:Drei Jahre nach der Flut: Ein Besuch an der Erft

Der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern ihrer Stadt ist für Sabine Preiser-Marian sehr wichtig.
Datum:
9. Juli 2024
Von:
Newsdesk/Szillat
Die Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian hört zu, handelt und hilft. Bei einem Besuch vor Ort gibt sie Einblick in die Ereignisse in 2021 und was sich seitdem getan hat.

"Das ist mein Lieblingsplatz.“ Sabine Preiser-Marian sitzt auf einer Stufe der Freitreppe, die seit dem Wiederaufbau der Flussmauer den direkten Zugang zur Erft ermöglicht und zum Verweilen einlädt. Die Geschäftsleute der anliegenden Fußgängerzone rüsten sich für die Touristensaison.

Man kommt gerne nach Bad Münstereifel: zum Shoppen, „Kneippen“, Kaffeetrinken oder zu einem Schulausflug in die Jugendherberge. Der Durchgang im Mauerwerk kann mit Flutschotts gesichert werden. Vorsichtshalber, für den Ernstfall. Die Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 hat hier niemand vergessen. Sie ist tief in die Seelen eingebrannt.

Auf einmal mittendrin im Katastrophenfall

Preiser-Marian hatte damals Urlaub, wie so viele in der Zeit mitten in den Sommerferien. Der Dauerregen beunruhigt sie. Nachmittags sind die ersten Keller vollgelaufen. Wenige Stunden später tagt die erste Sitzung des Stabs für außergewöhnliche Ereignisse (SAE). Mittendrin die Bürgermeisterin, die inzwischen ihren Urlaub abgebrochen und den SAE einberufen hat. Ab dem frühen Abend überschlagen sich dann die Ereignisse.

„Als ich mich am Morgen des 15. Juli durch verschiedene Hangrutsche in die Altstadt gekämpft habe, habe ich nur gedacht: ‚Was ist das?‘ So habe ich mir den Anblick für Menschen vorgestellt, die nach einem militärischen Angriff die Schutzräume verlassen: tiefe Löcher und Krater, überall freigelegte Leitungen, Menschen ohne Schuhe und hilfesuchend vor dem Rathaus“, beschreibt Preiser-Marian die Situation. Für Schock und Trauer bleibt nicht viel Zeit. Mit den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung wird ein Hilfszentrum errichtet. Viele Betroffene vermissen ihre Angehörigen. Über ihren Facebook-Account stellt Preiser-Marian Suchanfragen ins Netz, sie klopft an Türen und überbringt Lebenszeichen und hilft ganz konkret, wo ihre Hilfe gebraucht wird – auch in den umliegenden Orten.

Verzweiflung und Hoffnung

Auf dem Heimweg in den Ortsteil Iversheim wird ein 79-Jähriger von den Wassermassen überrascht, sein Auto weggespült. Als der Mann sich daraus befreien will, wird er von einer Welle mitgerissen und ertrinkt. Neben dem Schmerz über den Verlust quält die Hinterbliebenen ein weiteres Problem, denn auch der Iversheimer Friedhof ist überflutet.

In ihrer Verzweiflung schreibt die Tochter Sabine Preiser-Marian auf Facebook an. „Die Familie brauchte einen Ort, wo sie hingehen und am Grab des Vaters trauern konnte. Die höhergelegenen Bereiche waren nicht betroffen, und so konnte ich eine Beerdigung auf dem Friedhof organisieren, den sich der Verstorbene zu Lebzeiten gewünscht hatte. In der Situation war das ungemein befriedigend“, erinnert sich die Bürgermeisterin.

Trauriger Ruhm sorgt für ein hohes Medieninteresse

Angela Merkel kommt einmal offiziell und ein weiteres Mal außerhalb ihrer Amtsgeschäfte. „Das war tatsächlich ungemein hilfreich für uns, weil sich so auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Ministerium entwickelt hat. Und man fühlte sich wohl, weil man wusste: Hier steht jemand an deiner Seite, der etwas bewegen kann.“ Daneben unterstützen Bundeswehr, Technisches Hilfswerk, heimische und auswärtige Feuerwehren, weitere Hilfsorganisationen sowie zahlreiche private Helferinnen und Helfer – auch aus den umliegenden 52 Dörfern, trotz eigener Betroffenheit. Die nötige seelsorgliche Unterstützung leistet unter anderem der katholische Pfarrer, der ebenfalls Mitglied im SAE ist. „Das war ein echter Segen“, so Preiser-Marian.

Erinnerung und Zukunft

Damit es nicht wieder zu einer vergleichbaren Situation kommt, wurden Erfahrungen ausgewertet, Workshops angeboten und Konzepte entwickelt. Bauliche Maßnahmen und Retentionsflächen sind in der konkreten Planung, Flutbarrieren eingebaut und Fördergelder beantragt. Im Wiederaufbau erkennt die Bürgermeisterin auch Chancen, zum Beispiel die neue barrierefreie Pflasterung mit Versickerungsfugen. Im Randbereich sind gesammelte Steine der alten Pflasterung eingearbeitet – ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur für die Bürgerinnen und Bürger.

Momente der Ruhe, der Besinnung und des Gebets in der Kirche geben der Bürgermeisterin Kraft.

Erinnerungskultur ist ein wichtiges Element in der Aufarbeitung der Flutkatastrophe. Zum einen für die Bewältigung des Erlebten, aber auch für die Solidarität und das Miteinander der Stadtgesellschaft. Für die ist Sabine Preiser-Marian im Sommer 2021 zu einem wichtigen Anker geworden. Ihren eigenen findet die Mutter einer zwölfjährigen Tochter bei Gott. „Ich bin gerne in der Kirche, da kann ich mich zurückziehen, da finde ich Ruhe und Kraft und Anregungen aus dem Evangelium, aber auch Trost und Hilfe“, sagt sie. „Ich habe oft gebetet: ,Bitte hilf mir, dass ich das bewältigt bekomme.‘ Ich habe ein großes Gottvertrauen, bin aber auch eine Kämpferin. Das habe ich von meiner Mutter, die mir ein großes Vorbild ist. Trotz aller Schicksalsschläge sehe ich mich persönlich als Lebensmeisterin. Ich habe nie aufgegeben, und das macht mich aus.“

Den sonnigen Platz auf der Freitreppe nutzen mittlerweile auch ein paar Schulkinder des benachbarten Gymnasiums. Sie genießen den Blick auf die Erft, den Fluss, der ihre Heimat prägt wie die Eifelwälder in der Umgebung. „Die Lehre, die wir aus der Flut ziehen, ist nicht die, dass unsere Heimat nicht mehr sicher ist, sondern dass wir alles dafür tun müssen, sie zu schützen“, so Preiser-Marian. 

Die Flutkatastrophe im Sommer 2021

Starkregen und daraus resultierendes Hochwasser am 14. und 15. Juli – vor allem in der Nacht – führten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu einer der schwersten Unwetterkatastrophen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als 180 Menschen kamen dabei ums Leben, mehrere Hundert wurden verletzt.

Soforthilfen und Seelsorge

Gemeinden und Caritas stellten umgehend Soforthilfen zur Verfügung. Zahlreiche Notfall- und Schulseelsorger waren in den Katastrophengebieten unterwegs, um Menschen in der Krise Beistand zu leisten. Zudem wurden Fluthilfebüros durch die Caritas eingerichtet, die auch heute noch im Einsatz sind.

Ein hohes Maß an Sachschäden 

Viele Kirchengemeinden und das Erzbistum Köln selbst hatten Schäden durch die Flut zu verzeichnen. Es wurden 2021 mehr als 220 Sachschäden bekannt, darunter 57 Schäden bei Kindertageseinrichtungen. Es waren acht Schulen betroffen, die Jugendbildungsstätte und weitere Gebäude in Altenberg sowie 60 Kirchen, 28 Pfarrheime, 16 Pfarrhäuser und 33 Wohn- und Mietobjekte.

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