Reisebericht von Dr. Cäcilia Giebermann:Delegation des Erzbistums Köln in Albanien
Als Onkel Josef vor einigen Jahren in Albanien seliggesprochen wurde, sind wir als Familie angereist. Ich konnte meinen Lieben seine Wirkorte zeigen. Die über Jahre gewachsenen Freundschaften schlossen sofort auch meine Familie ein.
Nun wird es offizieller: Unser Kardinal schickt uns im April 2024 als Delegation nach Albanien, um die Verehrung des Seligen Josef Marxen weiter zu fördern.
Zuvor kündigt er unser Kommen seinen bischöflichen Mitbrüdern an, dem älteren italienischen Erzbischof von Shkoder, dem sehr jungen Bischof in den albanischen Bergen und dem Erzbischof von Tirana, der noch ganz neu im Amt ist: „Ich bitte Sie, lieber Mitbruder, diese Delegation zu empfangen.“
Alle antworten mit albanischer Herzlichkeit. Sie stellen nicht nur Gespräche, sondern auch Frühschoppen, Mittagessen und Übernachtungsmöglichkeiten in Aussicht. Voller Erwartung machen wir uns auf den Weg. Mit dabei sind:
Pfarrer Thomas Wolff, Ltd. Pfarrer der Pastoralen Einheit im Kölner Norden und damit Pastor in Worringen, dem Taufort des Seligen Josef Marxen, Pfarrer Günter Puts aus Breyell (in unserem Nachbarbistum Aachen), dem Primizort des Seligen, Markus Perger von der Diözesanstelle Weltkirche im Generalvikariat, Gregor Stiels als Vorsitzender des Katholikenausschuss Köln und meine Tochter Rahel Giebermann als Vertreterin der Familie.
1. April
Am Montag, 1. April, wird unser Elan am Frankfurter Flughafen etwas gebremst: Wir warten schon am Gate, als der Flug plötzlich auf den nächsten Morgen verschoben wird. Ich schreibe das den Gastgebern in Albanien und sie vermuten einen Aprilscherz. Leider nicht, und so müssen wir in Frankfurt übernachten.
2. April
Am Dienstag hebt das Flugzeug endlich ab und wir werden mittags in Tirana herzlich empfangen von Msgr. Henry Veldkamp, einem niederländischen Priester, der seit vielen Jahren in Albanien wirkt und uns in den kommenden Tagen begleitet.
Im Kontrast zu seiner Herzlichkeit steht kurze Zeit später die berufsmäßige Nüchternheit, mit der der Direktor des Gefängnisses 313 uns empfängt. In diesem Gefängnis war Josef 1945 und 1946, bis zu seiner Hinrichtung, inhaftiert. Es ist bis heute in Betrieb und wir bekommen auf dem Weg zum Büro des Direktors einen kurzen Eindruck von der Haftanstalt. Ein Foto vom Schild ist erlaubt.
Wie gut, dass meine albanischen Freunde für den Abend zu einem „kleinen“ Abendessen in ihr Haus eingeladen haben, „bloß etwas Brot“. Die Tische biegen sich und die kleine Anxhela, die heute vier Jahre alt wird, freut sich über ein ordentliches Ständchen. Am Ende des Abends wird getanzt: Die Albaner haben viele eigene Schritte und wir Gäste lassen uns nicht lange bitten.
3. April
Der Mittwoch bringt die erste erzbischöfliche Begegnung: In Shkoder empfängt uns Msgr. Angelo Massafra, der auch schon in meiner Familie zu Gast war und nun seine Herzlichkeit auf die ganze Delegation ausweitet. Er hatte 2002 die Initiative zur Seligsprechung der 38 Märtyrer von Albanien ergriffen. Heute nimmt er sich viel Zeit, mit uns zu sprechen und uns neben der Kathedrale auch sein kleines Diözesanmuseum zu zeigen. Dort werden religiöse Gegenstände aufbewahrt, die die Gläubigen während der Diktatur versteckt hatten. Fanden die Kommunisten einen Kelch oder ein religiöses Bild in einem Haus, so wurden die Bewohner inhaftiert, gefoltert und teils hingerichtet im „ersten atheistischen Land der Welt“.
Unsere Geschenke an die Gastgeber gefährden heute niemanden mehr: In Worringen hergestellte Kerzen mit dem Bild des Seligen Josef Marxen sowie Hologramme des Kölner Doms, welche uns die Diözesanstelle Weltkirche mitgegeben hat. Außerdem bringen wir eine besondere Fahne mit und zeigen sie den Gastgebern. Von ihr wird noch zu erzählen sein.
Mitten in Shkoder ist ein früheres Gefängnis als Erinnerungsort erhalten. Dort wurden viele der 38 Märtyrer gefoltert und wir halten in der Zelle der Seligen Maria Tuçi inne, einer Postulantin der Stigmatinen, die mit 22 Jahren an den Folgen der Folter gestorben ist.
Die zentrale Lage des Gefängnisses in der Stadt hatte einen praktischen Grund: Die Anwohner sollten die Schreie hören.
Abends sind wir bei deutschen Ordensschwestern zu Gast. Sie erzählen von ihrem Einsatz bei der Versöhnung von Familien, die in Blutrache liegen. Der Kanun, das „Gesetz der Berge“, sieht einen Priester als Vermittler vor. Einige Familien akzeptieren auch Nonnen.
4. April
Am Donnerstag fahren wir hoch in die Berge nach Spaç, dem berüchtigten Internierungslager der Kommunisten. Es wurde pflichtgemäß als Erinnerungsort erhalten. Die Straße dorthin ist unbefestigt und schmal, sie führt oft am steilen Abhang entlang. Vor Ort finden wir Informations-tafeln, die längst bis zur Unlesbarkeit verwittert sind.
Der Abend wird wieder heiter: Wir besuchen den beliebten Wallfahrtsort Laç, wo nicht nur Christen, sondern auch Moslems und Ungläubige ihre Kranken dem Hl. Antonius anempfehlen, denn wer heilt, hat Recht.
Von Weitem sehen wir auf einem Berg das Örtchen Delbnisht, den steilen Weg dorthin würde unser Bus wahrscheinlich nicht schaffen. In diesem abgelegenen Bergort hat Josef seine ersten Wochen in Albanien verbracht hat: Er wohnte dort beim Bischof und lernte von ein paar Seminaristen Albanisch. Es sprachen ja alle Latein.
5. April
Auch am Freitag reisen wir in die Berge und kommen zunächst nach Rrëshen, wo uns der dynamische junge Bischof begrüßt.
Über die Gastgeschenke und eine Einladung nach Köln freut er sich, dann gibt er uns seine Kanzlerin mit auf den weiteren Weg in die Berggemeinden:
Erst fahren wir nach Malaj, wo „Dom Zef“, wie Josef inzwischen genannt wurde, in einer kleinen Priesterkommunität gewohnt hat, bis er seine verfallene Bergkirche im Nachbardorf Perlat, einen zweistündigen Ritt entfernt, renovieren konnte.
Auch wir kommen nach Perlat, der Bus schafft den Weg mit Mühe. Auf dem Rückweg werden einige das steilste Stück lieber zu Fuß gehen.
Am alten Pfarrhaus begrüßt uns der Hausherr am Grundstücksrand, wie es sich nach Kanun gehört. Wenig später umarmen uns die anderen Familienmitglieder. Ich habe sie zwei Jahre nicht gesehen und bin glücklich, wieder bei ihnen zu sein im alten Pfarrhaus von Dom Zef. Unsere Gastgeschenke werden angenommen und ein üppiges Mahl wartet auf uns.
Die Frauen bleiben im hinteren Teil des Raumes, wie es hier in den Bergen üblich ist. Der jüngste Mann des Hauses bleibt am Tisch stehen, um uns zu bedienen und für alles ansprechbar zu sein.
Inzwischen können alle Delegationsmitglieder genug Albanisch, um in dieser wunderschönen Sprache anzustoßen. Und sie haben gut zugehört, als ich am Vorabend erklärte, wie sehr sich die Gastgeber geehrt fühlen werden durch das Annehmen von Speise und Raki…
Nach dem Essen gehen wir zur Kirchenruine. Diese Bergkirche wurde im Kommunismus als Grundschule genutzt, später war sie ein Schweinestall und danach eine Müllhalde. Die Männer aus dem Dorf haben zur Selig-sprechung im Jahr 2008 das Gemäuer gesichert. Für heute haben die Frauen alles schön gemacht. Jedes Mal, wenn ich in diese Kirche komme, finde ich irgendwo am Eingang kleine Opfergaben der Dorfbewohner: Eier, Obst, einen Rosenkranz. Wir beten in der Kirche, jeder in seiner Sprache, und Pfarrer Wolff spendet den Segen auf die Fürsprache des Seligen Josef Marxen.
Wir machen reichlich Fotos. Eins zeigt Dila, die Oma der Familie. Ihr Alter kennt sie nicht genau, vielleicht 88. Als junge Frau wurde sie nach Perlat verheiratet. Obwohl von den Kommunisten jede religiöse Handlung verboten war, feierte sie mit ihrem Mann und den Kindern Ostern. Einer der Söhne nahm ein bemaltes Osterei mit in die Schule. Eine diensteifrige Lehrerin meldete dies und sofort wurde der Junge ins Verhör genommen: Ob er etwa mit seiner Familie Ostern gefeiert hätte? Er verneinte und bewahrte so seine Eltern vor dem Internierungslager. Zur Abschreckung mussten die Eltern aber im Dorf Zwangsarbeit leisten und dabei tagelang ohne Nahrung bleiben.
Später brauchten die Kommunisten das Haus der Familie. Sie verlangten, dass sie ins leerstehende Pfarrhaus umziehen. Dieses ist nach Überzeugung der Bergbewohner aber „vakuf“: Kirchengrund, auf dem außer dem Priester niemand wohnen soll. Die Familie fügte sich und lebt seit vier Generationen autark im alten Pfarrhaus, der Garten und die Kuh ernähren alle. Nun möchte die Diözese das Haus zu einem Erinnerungsort an Dom Zef machen. Dilas Sohn, der Hausherr, kann das verstehen. Aber er braucht für seine Familie ein neues Zuhause. Das Bistum hat wenig Geld.
Zum Abschluss des Besuches werden uns Geschenke überreicht: Die Frauen geben meiner Tochter und mir schöne Handarbeiten. Sie füllen uns Raki ab und bringen ein großes Gefäß mit Butter, die sie von der Milch ihrer Kuh gemacht haben. Rahel wird unter einem Vorwand erneut ins Haus gebeten und der Kühlschrank wird für sie geöffnet: Mag sie noch selbstgemachte Süßigkeiten haben? Und Wein? Und bestimmt noch eine weitere Flasche selbstgebrannten Raki?
Auf dem Rückweg halten wir am Friedhof, einige Gastgeber begleiten uns: Hier liegen nicht nur die Alten der Familie, sondern auch ein kleines Mädchen, für das eine Hilfsaktion aus Deutschland zu spät gekommen war. Gut, heute gemeinsam an ihrem Grab zu stehen. Gut, albanische Gebete und ein deutsches Auferstehungslied erklingen zu lassen.
Wir bringen die Kanzlerin des Bischofs zurück nach Rrëshen und fahren den langen Weg zurück in die Ebene.
6. April
Am Samstag erwartet uns der Erzbischof von Tirana, Arjan Dodaj. Er zeigt uns seine Kathedrale mit der Muttergottes und dem einarmigen Jesuskind. Diese Figur konnte vor den Kommunisten gerettet werden, wurde dabei aber beschädigt. Als sie später repariert werden sollte, waren die Gläubigen empört: Jesus soll bleiben „wie wir“. Es gibt viele verletzte, verkrüppelte Menschen in Albanien, die medizinische Versorgung ist schlecht.
Erzbischof Dodaj nimmt sich Zeit für ein langes Gespräch und erzählt glücklich, dass immer mehr junge Menschen in die Kirche kommen. Auf unsere Frage, wie ihm das gelingt: „Zuhören.“
Am Nachmittag fahren wir in die Hafenstadt Durrës, in deren Nähe Onkel Josef seine zweite Dorfgemeinde hatte, ehe er 1945 verhaftet wurde. Regelmäßig ging er in die Stadt zu seinem Bischof, dem ebenfalls seliggesprochenen Vinçenc Prennushi, und las auch in der Kathedrale die Messe.
Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal an der kleinen Kathedrale war, kam ein sehr alter Mann zu mir. Er war hier vor der Diktatur Küster gewesen. Dann hat er in seiner Wohnung einen Gegenstand versteckt, den die Kommunisten nicht zerstören sollten: die Fahne, die Dom Zef aufgehängt hatte, wenn er die Messe las. Der Küster schenkte sie mir.
Ich habe sie weiter geschenkt an die Gemeinde in Worringen. Dort wurde die Fahne, die Maria und ihre Mutter Anna zeigt, zunächst aufwändig restauriert. Seitdem wird sie jedes Jahr im November, am Gedenktag des Seligen Josef Marxen, verehrt. Nun hat der Küster von Worringen ihr einen Reisekoffer gezimmert und sie begleitet uns in Albanien. Wir packen sie bei unseren Besuchen aus und die Bischöfe berühren sie ehrfürchtig.
Heute in Durrës sind auch die Messbesucher bewegt. Die Fahne gilt ihnen als Berührungsreliquie. Knochen vom Seligen Josef Marxen hat die albanische Kirche nicht.
7. April
Der Sonntag bringt einen Höhepunkt der Reise: Die Tochter meiner albanischen Freundin wird getauft und meine Tochter Rahel ist Patin. Glücklich trägt sie die kleine Emilia in die Kirche hinein. Es wird eine albanisch-deutsche Zeremonie, unser Pfarrer Thomas Wolff spricht die Taufformel und der albanische Dom Kreshnik nimmt die ausdeutenden Riten vor.
Der feierlichen Messe folgt ein rauschendes Fest und wieder bleibt kein Tanzbein ungeschwungen, nur die Kleine ruht erschöpft im Arm ihrer „kumbara“.
Abends suchen wir den Ort auf, an dem Onkel Josefs zweite Pfarrkirche gestanden hat. Heute ist dort ein Feld mit ein paar schönen Bäumen in der Mitte.
8. April
Am Montag besuchen wir den deutschen Botschafter. Er ist sehr entgegenkommend und ich kann ein schwieriges Thema ansprechen: Wir wissen bis heute nicht, wo genau Josef Marxen erschossen wurde. Vom Gefängnis wurde er in einen Wald in der Nähe von Tirana gebracht. Der frühere Präsident von Albanien hat mir in einem Gespräch bestätigt, dass die Kommunisten eine Liste der Gräber geführt und mithilfe von Himmelsrichtungen alles dokumentiert haben. Auch wenn die 38 Märtyrer und viele weitere Opfer des Kommunismus heute als „Helden des Vaterlandes“ gelten, will man diese Liste noch nicht öffnen. Der Botschafter sagt seine Hilfe zu.
Es heißt Abschiednehmen von Msgr. Henry Veldkamp, der uns die Woche über nicht nur begleitet, sondern auch mit seinem Glaubenszeugnis bereichert hat. Pfarrer Thomas Wolff bringt unsere Dankbarkeit ins Bild und zeichnet die vier Kirchen, die einen besonderen Bezug zum Seligen haben.
Der Rückflug startet pünktlich und wir kommen am 8. April abends glücklich und erschöpft in Köln an.
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