Interview:„Damit niemand durchs Netz fällt“ – Wie FischNET Jugendliche beim Übergang in den Beruf unterstützt
Als digital natives in einer Welt voller technischer Möglichkeiten sieht sich die sogenannte „Generation Z“ (junge Menschen, die zwischen den Jahren 1995 und 2010 geboren sind) ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Seit über 25 Jahren steht das Projekt FischNET Jugendlichen zur Seite, die sich in der Lebensphase zwischen Schule und Beruf befinden.
Im Interview berichtet Einrichtungsleiterin Christina Berghoff-Hein, wie ihr Team junge Menschen bei der Berufswahl unterstützt und erklärt, dass berufliche Orientierung zur Identitätssuche dazugehört.
Frau Berghoff-Hein, seit über 25 Jahren begleiten pädagogische Fachkräfte, wie Sie, junge Menschen beim Übergang zwischen Schule und Beruf. Wie ist die Idee für FischNET entstanden?
Die Idee ist mit dem Aufkommen des Internets entstanden. In der Zeit, wo nicht jeder einen Internetzugang zu Hause hatte. Ursprünglich war FischNET ein Internetcafé der kath. Gemeinde St. Martinus in Hürth-Fischenich (deswegen auch der Name „FischNET“), das gegründet wurde, um junge Menschen an die damals moderne Technik heranzuführen und die Informationsvielfalt des Internets für sie nutzbar zu machen. Es war ein offenes Angebot für jeden, der interessiert ist. Die Jugendlichen sollten lernen, mit dem Internet umzugehen und es später für die berufliche Orientierung und die Bewerbungen zu nutzen.
Welche Zielgruppen nehmen das Angebot von FischNET wahr und wie gehen Sie auf deren Bedürfnisse und Herausforderungen ein?
Unsere Zielgruppen sind vor allem Schüler/innen (SuS) der 9. und 10. Klasse. Die Realschüler/innen aber auch die SuS der Gesamtschule, die den Sprung in die Oberstufe nicht schaffen, stehen vor der großen Herausforderung, ihre gewohnte schulische Umgebung verlassen zu müssen. Die Frage nach dem „und was kommt jetzt?“ steht bei diesen besonders im Vordergrund, und die mit dem Wechsel verbundenen Ängste und Sorgen. Viele Jugendliche schieben die Entscheidung so lange wie möglich hinaus, mit dem Ergebnis, dass sie Chancen verspielen. Dann leisten wir sozusagen 1. Hilfe, um den jungen Menschen eine sichere Anschlussperspektive zu geben, damit sie nicht „durchs Netz fallen“.
Auch kommen Oberstufenschüler/innen der Gymnasien zu uns, die noch unsicher sind, ob sie studieren oder in eine Ausbildung gehen wollen, bzw. die Sek. II abbrechen müssen, weil die Anforderungen zu hoch sind. Dann braucht es oft viele Gespräche, weil Hoffnungen enttäuscht werden und das erträumte Abitur nicht erreicht wird. Wir versuchen den Jugendlichen dann zu vermitteln, dass es Alternativen gibt.
Unsere Zielgruppen kommen aus allen sozialen Schichten und wir sind offen für alle Interessent/innen. Zum einen betreuen wir diejenigen, deren Eltern kein Deutsch sprechen und ihren Kindern das deutsche Bildungssystem nicht näherbringen können. Zum anderen sind es auch solche, bei denen die Elternhäuser sehr engagiert sind, die SuS aber nochmal zusätzlich Input für ihre Berufswahl haben möchten. Manche Eltern sind beruflich so eingebunden oder aber seelisch belastet, dass sie keine Zeit oder Energie haben, um mit ihren Kindern das Thema Berufswahl anzugehen.
Welche konkreten Angebote können Sie Jugendlichen bei ihrer Orientierung in der Arbeitswelt ans Herz legen/anbieten?
Das sind zunächst Gespräche, in denen wir versuchen mit den Jugendlichen zu erörtern, wo sie stehen und wohin sie wollen. Wir formulieren Ziele und suchen nach Möglichkeiten, diese zu erreichen. Das kann ein Praktikum sein, gemeinsame Besuche von Ausbildungsmessen, Probetage am Berufskolleg, Interview von Eltern und Bekannten oder auch der Austausch mit den zuständigen Klassenlehrer/innen. Wenn nötig, bieten wir auch gemeinsame Elterngespräche an, um nach einer Lösung zu suchen. Die Einbindung der Eltern ist hilfreich, da sie vornehmlich erste Ansprechpartner/innen bei der Berufswahl sind und sich die Jugendlichen sehr an ihnen orientieren.
Viele Jugendliche wissen nicht einmal, welchen Beruf ihre Eltern ausüben. Dann ist es eine Hausaufgabe, dies zu erfragen. Orientierung heißt auch Identitätssuche, die Tätigkeit von Mutter oder Vater ist nicht selten prägend.
Warum ist ein Projekt wie „FischNET“ Ihrer Meinung nach wichtig für Jugendliche in der heutigen Gesellschaft?
Wir haben es mit der sogenannten Generation Z zu tun. Diese „digital Natives“ haben ein hohes Kommunikationstempo, aber das ist bei vielen Unternehmen noch nicht angekommen. Das äußert sich in langen Wartezeiten bei Antwortschreiben. Hier heißt es für SuS geduldig sein und notfalls nochmal nachhaken. Die Jugendlichen sind gewöhnt, Mails über ihr Handy zu schreiben und dann die Autokorrektur zu nutzen. Spätestens beim Word-Formular am Computer gibt es Probleme. Bewerbungsschreiben via E-Mail zu verschicken oder aber im Online-Portal hochzuladen ist für viele SuS schwierig. Auf der einen Seite wachsen sie hochtechnologisch auf, aber auf der anderen Seite beziehen sich ihre Kompetenzen hauptsächlich auf den Umgang mit dem Handy und das ist dann zu wenig. Ihre Welt ist nur mit Smartphone vorstellbar. Sie sind sehr unverbindlich und können sich schwer entscheiden. Dann ist es wichtig, jemanden zu haben, der bei der Entscheidungsfindung helfen kann.
Hinzu kommt die immense Flut an digitalen Informationen. Es gibt inzwischen so viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden, dass die meisten jungen Menschen schlichtweg überfordert sind. FischNET hilft, das Wesentliche in den Fokus zu nehmen, die Gedanken zu sortieren und Prioritäten zu setzen. Wir versuchen, die wichtigsten Informationen herauszufiltern und für die Jugendlichen individuell zurechtzuschneiden, damit sie damit arbeiten können. Komplexität minimieren, manchmal auch nach Ausschlusskriterien gehen, hilft dann weiter. Wir nehmen jede Vision und jeden Traum ernst, denn dahinter verbergen sich Vorstellungen von Lebensentwürfen. Wenn diese unrealistisch sind, versuchen wir ein Ziel zu erarbeiten, dass erreichbar ist und ähnlich. Auch versuchen wir die jungen Menschen von dem Gedanken zu lösen, sich zu sehr über Schulnoten zu definieren. Dann gehen wir auf die Suche nach den individuellen Softskills.
Wie hat sich das Projekt seit Beginn entwickelt und verändert?
Inhaltlich sind wir den Prinzipien treu geblieben, d.h. es handelt sich immer noch um ein freiwilliges und für die Jugendlichen kostenloses Projekt, das sich an der Lebenswelt der jungen Menschen orientiert. War FischNET Ende der 90er noch in den Räumen des Fischenicher Pfarrbüros platziert, haben wir heute eigene Büroräume in unmittelbarer Nähe zu den umliegenden Schulen. Wir haben inzwischen regelmäßige Sprechstunden in der Real- und Gesamtschule sowie am Goldenbergkolleg in Alt-Hürth. Insofern sind wir immer noch lebensweltorientiert, da wir unsere Hilfe niederschwellig an den Orten anbieten, an denen sich die Jugendlichen vornehmlich aufhalten und einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Die Förderungen haben sich mit der Zeit verändert, ebenso wie die gestiegenen Teilnehmer*innenzahlen, sodass inzwischen 1,5 Stellen für FischNET plus weitere Stundenkontingente für den freien Zugang (junge Erwachsene) zur Verfügung stehen.
Wie sehen die Pläne für die Zukunft von „FischNET“ aus? Gibt es Ideen oder Projekte für eine Erweiterung oder Vertiefung des Angebots?
Wir sind mit dem Konzept immer noch sehr zufrieden. Es ermöglicht uns Handlungsspielräume, um den individuellen Bedürfnissen der Jugendlichen gerecht zu werden, sodass wir bei Bedarf auch spontan vertiefende Angebote wie z.B. im Rahmen einer Berufswahlorientierungswoche anbieten können. Außerdem können wir als Mitarbeiter*innen unsere persönlichen Kompetenzen so zur Geltung bringen, dass die jungen Menschen davon profitieren.
FischNET ist ein Angebot für junge Menschen der KJA Köln in Kooperation mit der katholischen Kirche Hürth.
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