Erzbistum Köln – Gemeinsame Erklärung:Betroffenenbeirat zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt
In einer Pressemitteilung vom 28. Mai 2020 zur "Gemeinsamen Erklärung" der Deutschen Bischofskonferenz und dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hat sich der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln wie folgt geäußert:
"Die Deutsche Bischofskonferenz und der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs haben sich gemeinsam über das weitere Vorgehen zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland verständigt.
Wir erkennen an:
Damit liegt endlich eine Vereinbarung zwischen Katholischer Kirche und dem Staat vor, der alle
Bischöfe zugestimmt haben. Es ist gut, dass es eine Vereinbarung gibt. Die Katholische Kirche kann
den Prozess der Aufarbeitung nicht mehr in allen Facetten gesichert dominieren. Aufarbeitung soll
in den Diözesen nach vergleichbaren Standards folgen. Im Zentrum der Aufarbeitung sollen
unabhängige Kommissionen stehen, die in allen Bistümern eingesetzt werden und in denen – neben
Vertretern des Bistums, Experten aus Wissenschaft, Justiz und Verwaltung – auch Betroffene sitzen
sollen. Die Expertise von Betroffenen wird ausdrücklich anerkannt.
Die Aufarbeitung soll sich auch mit jenen Fällen befassen, die infolge von Verjährung oder
dem Tod der Beteiligten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können. Neben der quantitativen
Erhebung von Missbrauch soll untersucht werden, wie die Verantwortlichen in den (Erz-)Bistümern mit
den Tätern und den Betroffenen umgegangen sind. Auch sollen die Strukturen benannt werden können,
die sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Geistliche und Kirchenangestellte ermöglicht oder
begünstigt haben.
Allerdings: Die Forderungen der Betroffenen seit Einberufung des sog. Runden Tisches 2010 waren andere und sind in zahlreichen Aspekten mit dieser Vereinbarung nicht erfüllt:
- Wenn die katholische Kirche sich auch allem Anschein nach der Kontrolle durch die demokratisch verfasste Gesellschaft (hier vertreten durch UBSKM) unterwirft, bekommt sie dennoch gerade durch diese Vereinbarung nun auch amtlich abgesegnet ein gewaltiges Mitspracherecht eingeräumt – dies umso mehr, als die (Erz-)Bistümer alle Mitglieder der zuständigen Kommissionen berufen.
- Gemäß dieser Vereinbarung gibt es auch künftig keine zentrale Aufarbeitungs-kommission, sondern 27 verschiedene Kommissionen. Jede Diözese kann ihr eigenes Aufarbeitungssetting gestalten. Es gibt noch nicht einmal die Garantie, dass bei diesem Prozess alle Bistümer mitmachen. Die Entscheidungsgewalt für den und in dem Aufarbeitungsprozess bleibt, wie wir es aus diesem Papier lesen, letztlich bei jedem (Erz-)Bischof.
- Das Recht auf Akteneinsicht wird erwähnt, allerdings nicht ausdrücklich Betroffenen zugesprochen. Wir verweisen hier auf die befriedende gesellschaftliche Wirkung der Akteneinsicht bei der Gauck-Behörde.
- Die Orden mit ihren Internaten, Heimen und Schulen sind in diese Vereinbarung nicht einbezogen, obwohl das Papier den Eindruck erweckt, als spreche es für die Aufarbeitungsbereitschaft der Katholischen Kirche insgesamt. Die Kirche tut so, als gäbe es die Orden mit ihren zahllosen Tatorten nicht und die Orden gerieren sich, als würden Grundgesetz, Rechtstaat und Kirchenrecht für sie nicht gelten.
- Was uns als Betroffene ganz und gar entsetzt, ist der vorgeschlagene Zeitplan der Aufarbeitung. 10 Jahre nach dem Missbrauchstsunami von 2010 sollen weitere 5 Jahre vergehen, bis Ergebnisse vorliegen. Viele Betroffene sind im fortgeschrittenen Alter. Sie haben keine Zeit zu verlieren für befriedende Aufarbeitungsschritte. Wird hier auf Zeit gespielt? Wird gar darauf abgezielt, dass noch mehr Zeugen versterben?
Wir fordern
- Transparenz bei den Bistümern bzgl. der Auswahl der Kommissionsmitglieder,
- verbriefte Akteneinsicht für Betroffene,
- verbindliche Zeitvorgaben (Start der Kommissionstätigkeit, Tagungsrhythmus, erste Ergebnisse nach spätestens 2 Jahren…).
- Wenn die Bischöfe sich nicht der Täuschung der Öffentlichkeit schuldig machen wollen, haben sie von den Orden den Beitritt zu dieser Vereinbarung ultimativ und vernehmlich einzufordern.
- Aufarbeitung ohne Entschädigung ist wie ein Geständnis ohne Folgen. Von der Notwendigkeit der Entschädigungen im mittleren sechststelligen Euro-Bereich für lebenslange Missbrauchsfolgen und für die strukturelle Ermöglichung des Missbrauchs darf das Bemühen um Aufarbeitung nicht ablenken.
Der Wille des Erzbistums Köln, die Verantwortlichkeiten für Missbrauch "kirchenfern" durch eine Anwaltskanzlei aufarbeiten zu lassen und die Studie anschließend zu veröffentlichen, galt für uns als Leuchtturmprojekt. Solcher Projekte bedarf die Kirche vieler, um ihre Glaubwürdigkeit bei uns Betroffenen und bei der gesamten Zivilgesellschaft wieder herzustellen zu können. Wir möchten die Bistumsleitung ausdrücklich ermuntern, bald zu veröffentlichen und diesem Projekt weitere Projekte mit Vorreiterrolle folgen zu lassen.
Pressekontakt: betroffenenbeirat@erzbistum-koeln.de"
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