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Bis Aschermittwoch ist Weihbischof Rolf Steinhäuser Apostolischer Administrator des Erzbistums Köln. Im Interview mit der Kirchenzeitung und DOMRADIO.DE bekräftige Steinhäuser, er wolle auch mit kritischen Stimmen ins Gespräch kommen.:Apostolischer Administrator Steinhäuser spricht über die Situation im Erzbistum

am 25. November 2021 im Interview mit Regionalzeitungen
Datum:
29. Nov. 2021
Von:
Newsdesk/Je, DOMRADIO.DE
Interview mit Kirchenzeitung und DOMRADIO.DE

DOMRADIO.DE: Ein Drittel der Zeit als Interimsleiter ist nun vergangen. Wie haben Sie diese ersten Wochen empfunden?

Weihbischof Rolf Steinhäuser (Apostolischer Administrator sede plena im Erzbistum Köln): Hohe Anspannung. Ich bin nicht stressfrei. Das Ganze hat auch einen Lustanteil, es ist eine spannende Aufgabe. In mancher Hinsicht komme ich mir immer noch vor wie ein Ertrinkender, der gucken muss, dass er die Nase ab und zu über Wasser hat, um Luft zu holen. Ich werde zugeschüttet mit einer Flut von Informationen und Dingen. Das setzt mir schon sehr zu.

DOMRADIO.DE: Und was macht Freude?

Steinhäuser: Die Begegnung mit konkreten Menschen. Und der Versuch, mitzubekommen, was denen wichtig ist und mit denen in eine Bewegung zu kommen.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich ja nicht um dieses Amt gerissen und auch nicht beworben. Sie sind vom Vatikan angefragt worden. Was war Ihre allererste Reaktion?

Steinhäuer: Mission Impossible! Denn die Situation ist verfahren, die Situation ist komplex und ich habe gedacht: Mein Gott, wie soll das werden?

DOMRADIO.DE: Haben Sie da erst mal auch mit Kardinal Woelki Rücksprache gehalten, bevor Sie zugesagt haben?

Steinhäuser: Nein, aber kurz danach.

DOMRADIO.DE: Was hat er gesagt?

Steinhäuser: Mach es!

DOMRADIO.DE: Es gibt drei Parteien, denen sie gerecht werden müssen. Dem Vatikan. Da haben sie Ihren Auftrag her. Dann ist da der Erzbischof - gerade in seiner Auszeit. Und natürlich die Gläubigen im Erzbistum Köln. Kann man da allen drei Parteien überhaupt gerecht werden ?

Steinhäuser: Ich bin erst mal neben Gott mir verpflichtet. Ich darf nichts tun, wovon ich den Eindruck habe, dass ich mich verbiege und wo ich nicht hinterstehe. Es ist eine hoch spannende Gemengelage verschiedener Interessen, Erwartungen und Befürchtungen. Klar. Aber es ist nicht mein Job, das alles zu bedienen, sondern ich habe einen doppelten Auftrag des Papstes. Und dem versuche ich nachzukommen.

DOMRADIO.DE: Und sie wollten sich gesundheitlich eigentlich erst mal so ein bisschen schonen. Jetzt haben Sie eine Aufgabe, die echt nicht ohne ist. Ist es da wichtig für Sie, dass Sie wissen, es ist befristet?

Steinhäuser: Ganz ehrlich, ja. Ich bin 69, das ist ein Alter, in dem andere seit Jahren im Ruhestand sind. Ich arbeite gerne, ich arbeite viel, aber unter der jetzigen Belastung ist das nicht dauerhaft für mich durchzuhalten.

DOMRADIO.DE: Sie sind nicht in das Erzbischöfliche Haus eingezogen. Warum?

Steinhäuser: Ich bin nicht der Erzbischof. Ich bin Apostolischer Administrator sede plena. Ich benutze weder die Kathedra im Dom noch das Erzbischöfliche Haus, ich muss mir da eigene Zugänge schaffen. Es gibt ja auch eher eine kritische Erwartungshaltung. Ich muss da natürlich schon deutlich machen, dass ich meinen Weg suche und gehen will.

DOMRADIO.DE: Der Hintergrund für Ihren Auftrag ist die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln, die entstanden ist im Laufe der Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt durch Priester. Während dieser Zeit haben Sie nicht zu denjenigen gehört, die im Mittelpunkt standen. Zum einen, weil Ihnen als einzigem aus dem Kreis der Kölner Bischöfe öffentlich keine Vorwürfe gemacht wurden. Und zum anderen haben Sie aber jetzt auch nicht aktiv das Wort ergriffen in dieser Zeit. Sie haben sich eher so ein bisschen herausgehalten, war der Eindruck.

Steinhäuser: Weihbischof ist eine relativ bescheidene Rolle, die Mitra löst viele Projektionen aus. Aber ein Weihbischof ist nicht der Leiter eines Bistums.

DOMRADIO.DE: Haben Sie nicht doch vielleicht das Gefühl im Nachhinein, Sie hätten da deutlicher Stellung beziehen können oder müssen?

Steinhäuser: Ich habe mich überall da eingebracht, wo ich eine Chance hatte. Aber Fensterreden sind nicht mein Ding. Es haben sich zu viele Leute jedes Mikrofon gegriffen oder sind vor jede Kamera gelaufen. Das ist nicht meine Art damit umzugehen.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie den Auftrag, fünf Monate diese Erzdiözese zu verwalten und zu versöhnen. Haben Sie da noch andere Aufgaben mit auf den Weg bekommen vom Vatikan?

Steinhäuser: Eine nette und berechtigte Frage! Aber es gibt keinen anderen Auftrag.

DOMRADIO.DE: Es geht ja darum, wie Aufarbeitung geschehen kann und welche Schlüsse man aus den Ergebnissen zieht. Wie verstehen Sie da diesen von Rom mitgegebenen Auftrag zur Versöhnung?

Steinhäuser: Da muss man Dinge auch ein bisschen auseinanderhalten. Wenn Vertrauen zerbrochen ist, wenn eine Polarisierung eingetreten ist - das ist sicher bei uns im Bistum in einem hohen Maß der Fall - dann ist es wichtig, dass Menschen in einem Gespräch wieder zueinanderfinden, dass sie aufeinander hören, versuchen, sich zu verstehen.

Der positive Schlussstein wäre eine Versöhnung. Aber Versöhnung macht man nicht einfach so.

Insofern ist es sicher erst die Aufgabe, aus der Sprachlosigkeit herauszukommen oder den sogenannten toten Punkt, wie es mal einer gesagt hat, zu überwinden und wieder miteinander in einen Prozess zu kommen. Das ist die Voraussetzung. Man nimmt sich wahr und man guckt, ob man eine belastbare Gesprächsbasis bekommt. Aber ich bin schon dankbar für jeden Tag, der vergangen ist und den ich überstanden habe.

DOMRADIO.DE: Kritik gab es daran, dass Sie den Generalvikar von Kardinal Woelki als Delegaten im Amt gelassen haben. Das sah doch aus wie ein "Weiter so".

Steinhäuser: Das kann ich gut nachvollziehen. Aber man hat nicht immer beliebig viele Möglichkeiten. Ich habe natürlich versucht, in Rom auch zu erfahren, welche Instrumente ich habe. Ich habe gefragt, ob ich den Generalvikar entlassen kann. Ich habe gehört: Nein. Veränderungen beim Generalvikar oder den Bischofsvikaren bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung durch die Kongregation.

DOMRADIO.DE: Das heißt, manchmal würden Sie gerne mehr Veränderungen anstoßen?

Steinhäuser: Das ist zu spekulativ. Da gab es eine Setzung, die gehörte zum Auftrag. Es gibt allerdings noch ein paar andere Aspekte dabei, die mich bewegt haben. Ich heiße zwar jetzt vom Titel her Administrator, das kann man mit Verwalter übersetzen. Ich bin aber kein Verwalter. Also vom Typ her nicht, von der Lebensgeschichte her nicht. Ich war immer Seelsorger.

Und das heißt, um ein so komplexes Gebilde wie ein Generalvikariat zu leiten, bin ich einfach auf Hilfestellung von Menschen angewiesen, die da tief drin sind, die damit umgehen können. Und da kann man auch nicht einfach mal für viereinhalb Monate einen Fremden hineinholen. Bis er sich mal orientiert hat, ist die Zeit abgelaufen. Hätte man eine andere Perspektive, wäre das sicher eine Überlegung wert.

Ich habe den Delegaten Dr. Markus Hofmann immer als einen der loyalsten Menschen kennengelernt, die ich überhaupt kenne. Und ich habe das offen mit ihm thematisiert. Ich traue ihm zu, dass er diese Loyalität auf mich und meine Aufgabe überträgt. Und ich habe mich bisher auch darin bestätigt gefühlt, dass das eine sinnvolle Regelung war.

DOMRADIO.DE: Die Kritiker werden sich ja nicht gerade Loyalität wünschen, sondern vielmehr neue Zeichen. 

Steinhäuser: Es gab rationale und auch menschliche Gründe für die Entscheidung. Wissen Sie, ich habe einen der wenigen Menschen, die in einer vergleichbaren Situation gewesen sind, befragt. Das ist der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe, der damals in Limburg Apostolischer Administrator war. Zwar unter etwas anderen Bedingungen, aber immerhin.

Der hat gesagt, man habe ihm direkt nahegelegt, die gesamte Führungsgruppe zu entlassen. Und er hat sich dagegen entschieden. Er hat niemanden entlassen. Aber er hat mit ganz, ganz vielen gesprochen. Das fand ich zumindest einen interessanten Hinweis.

DOMRADIO.DE: Manche sagen, Sie verfolgten die Woelki-Linie weiter. Ist das so?

Steinhäuser: Es gibt zwei Grundtendenzen in der veröffentlichten Wahrnehmung. Das eine ist der Versuch, mich zu verzwergen als der kleine Urlaubsvertreter vom großen Kardinal. Es ist nicht meine Art zu sagen, dass ich groß und stark bin, aber ich lade jeden ein, seine Erfahrungen mit mir zu machen und nicht aufgrund eines vorgefertigten Bildes zu entscheiden.

Und die zweite Tendenz ist natürlich, die Erwartungen zu schüren, mich nach vorne zu holen und zu versuchen, mich zu veranlassen, Dinge zu entscheiden, hinter die Kardinal Woelki am Ende seiner Auszeit nicht zurückkann. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Das ist nicht mein Auftrag.

Ich muss immer davon ausgehen, dass verschiedene Seiten verschiedene Interessen haben und an mir ziehen. Ich muss gucken, was ich tun kann, was zu mir passt und was meinem Auftrag entspricht. Das muss in der Intention des Papstes liegen. Der ist mein Auftraggeber.

DOMRADIO.DE: Sie haben aber auch betont, dass Sie einen Weg der Erneuerung einschlagen wollen. Was genau wollen Sie denn da erneuern?

Steinhäuser: Das ist der Auftrag. Innehalten, erneuern, versöhnen. Wichtig ist, dass der Gesprächsfäden wieder geknüpft wird, dass wir miteinander in einen echten Austausch kommen, dass wir bereit sind, uns gegenseitig so wahrzunehmen, wie wir sind. Mit all dem was da ist an Chancen, Vorbehalten und an Verwundungen, die sicher auch da sind.

Und dann zu gucken: Finden wir eine Gesprächsbasis? Das ist eine sehr situative Sache. Ich bin jetzt nicht angetreten, indem ich gesagt habe: Das ist mein Programm. Bis zu diesem Datum habe ich das abgehakt und dann das abgehakt, sondern das ist ein situatives Einlassen auf eine sich täglich, manchmal stündlich verändernde Situation. Das ist natürlich spannend. Darin steckt auch eine Herausforderung und wenn Sie so wollen auch ein bisschen Lust.

DOMRADIO.DE: Und wenn Sie sagen, sie wollen viel zuhören, viel reden, den Gesprächsfaden wieder aufnehmen, dann erfreut das ja auch bestimmt einige frustrierte Katholikinnen und Katholiken im Erzbistum Köln. Das kann auch als ein neuer Stil gewertet werden. Die Frage ist, ob das aber dann als Erneuerungschritt schon reicht oder erst mal nur ein erster Schritt ist. Viele sagen natürlich auch, jetzt müssten mal Konsequenzen kommen.

Steinhäuser: Die Erwartung kann ich nachvollziehen. Ich muss sagen, ich habe nur begrenzte Zeit und begrenzte Möglichkeiten. In der Zeit tue ich, was ich kann und was mir möglich erscheint. Aber wenn ich klug bin, werde ich mir den Druck nicht anziehen und werde mich auch nicht auf das Hamsterrad begeben.

DOMRADIO.DE: Also erstmal Verständnis ausdrücken, Kritik anhören. Was danach kommt, muss man dann sehen?

Steinhäuser: Ich bin nicht entscheidungsunwillig und entscheidungsunlustig. Ich habe da auch keine Angst vor. Aber es muss passen und es muss gehen.

DOMRADIO.DE: Gibt es ein Feld, wo Sie gerne mehr entscheiden könnten?

Steinhäuser: Ich kann ja. Es ist nur die Frage, was klug ist und was passt. Ich bin ja da nicht gehindert, sondern ich muss wie jeder Mensch unter Zuhilfenahme meines Verstandes und meiner Emotionen gucken, was geht und was passt.

DOMRADIO.DE: Sie kennen das Erzbistum Köln jetzt auch schon so lange. Gab es in der Vergangenheit Dinge, die Sie anders gemacht hätten, die Sie nun anderes machen könnten?

Steinhäuser: Nein, ich habe nur begrenzte Spielräume, die werde ich natürlich versuchen auszuloten. Das hängt aber auch nicht einfach von mir ab. Ein Bistum wird nicht einfach regiert und es ist nie einfach mit einem dirigistischen Eingreifen eines Leiters getan, sondern da ist ganz viel, was eben im Dialog, im Gespräch mit den Menschen geschehen muss.

DOMRADIO.DE: Stehen Sie im regelmäßigen Austausch auch mit Rom?

Steinhäuser: Ich werde dafür sorgen, dass Rom auch Rückmeldungen von mir bekommt. Aber ich schreibe keine Berichte, ich muss da nicht Rapport erstatten, ich habe eine Vertrauensvorgabe.

DOMRADIO.DE: Wurde denn schon mal nachgefragt, wie es so läuft?

Steinhäuser: Sie sind zu neugierig.

DOMRADIO.DE: Wenn es Ihrer Meinung nach vielleicht auch unüberwindbare strukturelle, personelle Barrieren gibt. Würden Sie so etwas dann auch zurückmelden?

Steinhäuser: Selbstverständlich. Das gehört zum Auftrag. Das merkte ich auch, als ich in Rom war. Da hatte ich den Eindruck, dass der Präfekt der Bischofskongregation, der da mein Gesprächspartner war, ausgezeichnet informiert war über die Situation im Erzbistum Köln.

Ich gehe mal davon aus, dass die Apostolischen Visitatoren gute Arbeit geleistet haben. Ich kenne den Bericht nicht, den die geschrieben haben. Aber so wie er fragte und wie er sich äußerte, hat er offensichtlich Detailkenntnisse. Das ist dann schon erst mal ein gutes Zeichen.

DOMRADIO.DE: Es gab auch schon viele positive Rückmeldungen für ihre Amtsführung, für die Art der Kommunikation. Ist das auch etwas, was Sie freut, dass das gut ankommt?

Steinhäuser: Na klar freut einen das. Es ist schöner, wenn einer das würdigen kann oder sich daran mitfreut und das gut findet, als wenn man da immer nur einen nassen Waschlappen ums Gesicht kriegt, das ist doch klar.

DOMRADIO.DE: Ist es für Sie auch wichtig, auf Kritikerinnen und Kritiker zuzugehen wie zum Beispiel Maria 2.0.?

Steinhäuser: Ja, das ist sicher so. Ich werde noch mit sehr vielen reden. Ich habe jetzt eine erste Runde durch alle Bistumsgremien gedreht. Also Diözesanpastoralrat, Diözesanrat, Pfarrerkonferenz, Domkapitel und Erzbischöflicher Rat. Wir haben mit allen einmal gesprochen. Es gibt natürlich auch weitere Einladungen.

Maria 2.0 hat mich bisher noch nicht eingeladen. Ich habe wohl mal mit einer Gruppe in St. Agnes bei der Visitation gesprochen. Aber ich bin von der kfd eingeladen worden, vom BDKJ und von Kolping, um nur einige zu nennen. Es wollen sicher mehr Leute mit mir gerne sprechen, als ich von mir aus mit Gesprächen dienen kann. Mein Tag hat auch nur 24 Stunden, ein paar davon muss ich schlafen. Da sind mir schon deutliche Grenzen gesetzt.

DOMRADIO.DE: Da ist auch eine gesunde Gelassenheit, so an die Dinge heranzugehen.

Steinhäuser: Es ist mein Wunsch. Ob ich die habe, ist etwas anderes.

DOMRADIO.DE: Sie haben positives und negatives Feedback für den Bußgottesdienst vergangene Woche erhalten. Die einen sagen, sie hätten genau den richtigen Ton getroffen. Andere haben gegen den Gottesdienst protestiert, sie hielten das für das völlig falsche Zeichen. Können Sie auch diese Kritik nachempfinden?

Steinhäuser: Ich würde sie besser nachempfinden können, wenn die Menschen, die Kritik geäußert haben, differenziert nach dem Bußgottesdienst erst etwas gesagt hätten. Viele haben weder medial noch präsent daran teilgenommen.

Es hat im Vorfeld eine heftige Auseinandersetzung gegeben. Ich hatte den Eindruck, dass diese Menschen auf meinen Versuch, damit umzugehen, nicht oder kaum eingegangen sind. Das kann ich akzeptieren. Es gibt Menschen, die haben schwerste Verwundungen erlitten. Und für die ist ein Gottesdienst im Dom ein No-Go. Das und das muss ich akzeptieren in einem hohen Respekt vor diesen Menschen.

Aber ich glaube, dass sehr viele mit einer ganz bestimmten Brille darauf zugegangen sind. Ja, und da würde ich mir manche Lockerungsübung wünschen. Dass man auch mal bereit ist, genauer hinzugucken und über Dinge zu sprechen. Ich bin nicht kritikresistent, sondern bin da auch bereit zu sprechen und zu gucken.

Ich konnte es eigentlich, das war mir ganz klar vorher, nicht allen recht machen. Mein erster Gedanke war, ob nicht die Fastenzeit auch ein guter Termin gewesen wäre. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, wenn der Erzbischof den Gottesdienst gehalten hätte? Der war ja schon in weiten Teilen vorbereitet. Und dann hat man mir gesagt, es müsse dieses Datum sein. Das war der Tag des Europarates gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Der Papst wollte in dieser Woche einen Akzent setzen. Das sollte der Start sein, um einen jährlichen regelmäßigen Gedenktag zu haben.

Hätte ich das abgelehnt, hätte ich sicher nicht weniger Kritik gefunden. Ich habe diesen Gottesdienst geerbt. Ich habe allerdings schon versucht, mir über meine Rolle eine Menge Gedanken zu machen und mit Menschen darüber zu sprechen und das auch rüberzubringen.

DOMRADIO.DE: Eine Frage war, wer denn da Buße tut. Die Täter waren gar nicht da.

Steinhäuser: Ich bin ganz bei Ihnen. Ich fand den Titel schon falsch. Ich hätte gesagt: Schuldbekenntnis oder Gedenken der Betroffenen oder der Opfer und das gegenüber Gott. Das hätten treffender beschrieben, um was es mir ging. Ich habe das ja auch so formuliert.

Wir können uns nicht selber die Absolution geben. Wir können uns auch nicht in dem Sinne entschuldigen, dass wir danach frei von Schuld sind. Das ist alles nicht möglich. Ich habe für die verfasste Kirche im Erzbistum Köln versucht, ein Statement abzugeben. Alles andere ist da nicht so ohne Weiteres möglich. Ich habe ja auch nicht gesagt: Bitte vergebt uns! Da steckt ja immer ein bisschen der Gedanke dahinter, dass ich mich dann besser fühlen kann, wenn du mir vergibst. Sondern das ist ein Freiheitsgeschehen zwischen den Menschen, denen Leid zugefügt wurde und denen, die zugeschaut haben, und denen, die vielleicht ein Verbrechen an ihnen verübt haben. Da kann es Bewegungen geben. Aber ich habe auch alles Verständnis dafür, wenn jemand das nicht kann oder will.

DOMRADIO.DE: Wenn man sich diese Katastrophe der sexualisierten Gewalt durch Priester anschaut, dann stehen ja immer die Betroffenen im Mittelpunkt, alle Betroffenen. Dann geht es um Aufarbeitung und im zweiten Schritt auch natürlich um Konsequenzen. Welche Konsequenzen muss es für die systemischen Ursachen geben?

Steinhäuser: Das höre ich von vielen Seiten. Aber ich vermisse bisher die Menschen, die mir konkrete Schritte nennen können.

DOMRADIO.DE: Unabhängige Aufarbeitung ist ja das eine. Das andere ist, welche systemischen Ursachen angegangen werden, damit wir wirklich Konsequenzen daraus ziehen, damit so etwas nie wieder passieren kann. Es gibt ja Probleme, die erkannt wurden: das überhöhte Amtsverständnis, Klerikalismus, Männerbünde. Das ganze Thema Macht und Umgang mit Sexualität und mit Homosexualität. Die Frauenfrage, der Pflichtzölibat. Die MHG-Studie hat das vor einigen Jahren auch schon festgestellt. Da stehen wir ja immer noch an dem Punkt, an dem wir damals bei der Studie auch standen.

Steinhäuser: Ja, wir sind beim Synodalen Weg genau da. Die Studie ist der Anlass gewesen, den Synodalen Weg zu gehen zwischen Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Aber als Faustregel: Glauben Sie niemandem, der eine monokausale Erklärung hat.

DOMRADIO.DE: Aber muss man denn nicht die systemischen Ursachen angehen? Sicherlich nicht nur im Erzbistum Köln, sondern darüber hinaus?

Steinhäuser: Das ist ja mal nicht nur ein Kölner Problem, ist auch nicht nur ein deutschlandweites Problem. Das finden wir in allen Regionen der Welt. Wenn wir ehrlich sind, finden wir natürlich solche systemischen Zusammenhänge auch nicht nur im kirchlichen Kontext. Aber wir dürfen nie auf die anderen zeigen. Wir müssen das schon für uns anschauen und da auch rangehen.

DOMRADIO.DE: Und da wünschen sich halt viele Katholikinnen und Katholiken, dass da mehr passiert.

Steinhäuser: Das kann ich nachvollziehen. Das ist auch meine Auffassung.

DOMRADIO.DE: Ist der Synodale Weg ein Weg, um das auch zu tun?

Steinhäuser: Das ist er.

DOMRADIO.DE: Und sind Sie zufrieden bislang?

Steinhäuser: Ich finde es erst mal wichtig, dass wir uns aushalten in der Unterschiedlichkeit, in der unterschiedlichen Wahrnehmung und Lebensgeschichte. Und dieses Aushalten ist ein hoher Anspruch. Denn das Anderssein des anderen ist für jeden eine heftige Herausforderung. Wichtig ist, dass wir an das Ende der Blasenkommunikation kommen, auch andere Meinungen hören und sich damit auseinandersetzen, das zulassen.

Der Synodale Weg macht dem Ehre, was im Namen steckt, eben dieses Synodale, gemeinsam auf dem Weg sein und einander zuhören. Synodalität hat sicher viel mit Partizipation zu tun, aber nicht sehr viel mit Parteiendemokratie in einem vordergründigen Sinn.

Wenn Sie die gefühlten Mehrheiten anschauen, da gibt es ja keine echten Zahlen, da würde ich sagen, 80 Prozent wollen die Veränderung. Und es gibt die anderen, die sich damit schwertun und blockieren. Ich würde mir sehr wünschen, dass die Mehrheit nicht einfach sagt: Wir haben die Mehrheit. Wir dokumentieren das in den entsprechenden Abstimmungen. Dann machen wir das.

Und dass die andere Seite jetzt nicht versucht, das, was sich für sie als Mehrheitsmeinung artikuliert, zu verketzert, das unkirchlich und unkatholisch zu bezeichnen oder vielleicht sogar zu diffamieren, sondern zu versuchen, die Intention zu verstehen, aus der das kommt und die Erfahrung von den Menschen ausgeht.

Es ist schwer in der Konkretion, das liegt einfach an der Größe der Versammlung und dem Verfahren. Da wird eine Rednerliste eröffnet und nachdem der erste was gesagt hat, wird die Rednerliste geschlossen. Wir haben nur eine Minute Redezeit, da können eigentlich nur vorbereitete Statements abgegeben werden. Oder Leute reagieren spontan auf das, was die letzten zwei gesagt haben.

Wir müssen eine Kultur des aufeinander Hörens und des Miteinanders finden und in einen echten Austausch kommen. Wir haben eine Fülle von Textvorlagen sehr unterschiedlicher Art. Es macht große Mühe, die vorher wahrzunehmen und zu lesen, sich dazu eine Meinung zu bilden. Ich glaube, da braucht es noch eine gewaltige Anstrengung von allen Beteiligten, damit das gut wird.

DOMRADIO.DE: Kann es sein, dass man sich in zehn Jahren gar nicht mehr vorstellen kann, dass Frauen keine Diakoninnen und Priesterinnen werden durften?

Steinhäuser: Das ist denkbar. Ich war Stadtjugendseelsorger in Bonn 1989, da war Kardinal Meisner vier Wochen im Bistum. Und da habe ich einen Jugendkatholikentag in Bonn mitorganisiert. Da fand eine offene Podiumsdiskussion statt mit 500 Jugendlichen. Es ging auch um die Frage der Ministrantinnen. Der Kardinal hatte in Berlin keine und wollte das auch nicht. Das war das erste Mal, dass diese Welten aufeinandertrafen.

Und da ist was in Gang gekommen. Ein paar Jahre später bei der Ministrantenwallfahrt waren es die Kölner, die zum ersten Mal mit Mädchen im Petersdom ministriert haben, gegen deutlichen Widerstand. Das hat der Kardinal dann auch mitgetragen und durchgezogen.

Das wurde von der gleichzeitig tagenden Bischofssynode auch positiv konnotiert. Da haben auch Leute oft versucht, den Papst ins Leere laufen zu lassen, der sich da eigentlich längst positiv zu verhalten hatte.

DOMRADIO.DE: Sie trauen der katholischen Kirche schon noch einiges zu?

Steinhäuser: Unser Gedächtnis reicht 30 Jahre zurück. Was 30 Jahre irgendwo gestanden hat, das gilt als ewig. Alles das, von dem wir meinen, es wäre immer so gewesen. Es gibt reale Veränderungen. Ich würde nicht sagen, die sind schnell genug oder ich würde nicht sagen, die sind umfassend genug. Aber wenn man einen Blick für Kirchengeschichte entwickelt, dann weiß man, dass sich die Kirche in einem großen Umwälzungsprozess befindet und dass der keineswegs abgeschlossen ist.

Wir haben natürlich immer Tendenzen, das zu forcieren und Tendenzen, das aufzuhalten. Das ist klar. Aber das zeigt ja eigentlich nur, dass das, was die Menschen kennen und leben, für sie dann auch so wichtig ist, dass sie es entweder verändern oder behalten wollen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie da nicht manchmal das Gefühl, dass Sie vielleicht genau der Richtige sind, um für einen ordentlichen Neuanfang im Erzbistum Köln zu sorgen?

Steinhäuser: Da bin ich eher selbstkritischer. Ich käme nicht auf den Gedanken, so etwas im Brustton der Überzeugung herüberzubringen. Klar, ich habe die Aufgabe jetzt angenommen und ich versuche es zu tun, aber in der Hinsicht bin ich ziemlich frei von Sendungsbewusstsein. Ich bin allerdings nicht ratlos.

DOMRADIO.DE: Stehen Sie da mit Kardinal Woelki jetzt im Moment während seiner Auszeit im Austausch?

Steinhäuser: Nein. Kardinal Woelki macht jetzt im November erst einmal seine großen Exerzitien. Aber ich glaube, es ist sinnvoll, wenn wir dann einen Austausch führen. Man wird auch darüber nachdenken müssen, ob es sinnvoll ist, dass vor Aschermittwoch irgendwas stattfindet, dass es Begegnungen gibt. Aber das muss man ja im Gehen klären und Stück für Stück.

DOMRADIO.DE: Es gibt also noch keine konkreten Pläne für Zeit nach der Auszeit?

Steinhäuser: Nein. Aber wie man einen Einstieg plant, muss man natürlich auch einen Ausstieg planen. Ich meine damit nicht nur meinen persönlichen Ausstieg aus der Rolle, sondern die Frage, wie es denn dann weitergehen kann. Und das Bewusstsein dafür wächst, dass Leute jetzt eben sagen, es gebe eben nicht nur den Aspekt einer totalen Verweigerung, sondern es gibt eine Menge Menschen, die sagen: Ja, wir müssen mal darüber nachdenken, ob es außer der kompletten Ablehnung noch andere Positionen gibt und wie man da konkret sich aufstellen kann für.

DOMRADIO.DE: Was wäre denn für Sie ein gelungener Übergang?

Steinhäuser: Gut wäre es, wenn von der einen Seite der Erzbischof ein Zeitfenster bekommt, wo er gefragt wird, wie es ihm in den Monaten ergangen ist und wie er weitermachen möchte. Also einfach weiter so, oder sehr modifiziert oder anders weiter. Es wäre gut, wenn er sich in der Weise erklären kann und das glaubhaft machen kann, dass da was passiert.

Ich glaube aber, an dem Punkt sind wir jetzt noch nicht. Sondern wir sind ein gutes Stück davor. Aber wenn das gelingen würde, wäre das gut. Und wenn Menschen sagen, nein, das könnten sie nicht, dann wird man das auch akzeptieren müssen.

DOMRADIO.DE: Mit Blick auf Weihnachten, was wünschen Sie sich?

Steinhäuser: Für mich ist Weihnachten etwas, das sehr viel mit Dialog zu tun hat. Jesus ist die Botschaft Gottes an uns Menschen. Und diese Botschaft, die sehnt sich nach einer Antwort. Und Weihnachten kommt Gottes Wort, kommt Gottes Sohn in die Welt, um den Dialog Gottes mit uns Menschen in Gang und in eine neue Dimension zu bringen. Und er wünscht sich natürlich, dass wir ihn aufnehmen und dieses Wort annehmen.

Das ist der Weihnachtswunsch. Das wäre schon großartig, wenn Weihnachten in dem Sinne ein Meilenstein des konkreten Dialogs zwischen Gott und den Menschen für uns im Erzbistum Köln wird.

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