Kardinal Woelki feiert Hedwigswallfahrt im Kölner Dom:75. Diözesanwallfahrt für Heimatvertriebene
Erzbistum Köln. Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen wurden, ihre Heimat im Osten zu verlassen, prägten an diesem Sonntag das Bild in einem vollbesetzten Kölner Dom. Vertreter von Landsmannschaften, Fahnenträger, Trachtengruppen und das oberschlesische Blasorchester, das den Gottesdienst musikalisch gestaltete, repräsentierten die Generation, die 1945 und in den Jahren danach aus dem Ermland, Schlesien, Oberschlesien oder dem Sudetenland in den Westen geflüchtet sind, um hier bei Null anzufangen und sich ein neues Leben aufzubauen. Aber es war nicht nur die Generation der inzwischen Hochbetagten, die auf Einladung von Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorger Rainer Hoverath mit Erzbischof Kardinal Woelki anlässlich des Hedwigsfestes die 75. Diözesanwallfahrt für Heimatvertriebene und Aussiedler feierten. Auch Jüngere, nämlich deren Kinder und Enkelkinder, waren mit dabei sowie erkennbar viele Menschen, die eher eine aktuelle Fluchtgeschichte zu erzählen haben und zu den 2,1 Millionen Geflüchteten zählen, die sich derzeit in Deutschland aufhalten.
Bindung an Oberschlesien als identitätsstiftend erlebt
Christa Freusberg, heute 83 Jahre alt, war fünf, als die Mutter mit der Familie 1945 den letzten Viehwagen zur Flucht aus Gleiwitz in Oberschlesien besteigt und eine beschwerliche Flucht unter Todesangst auf sich nimmt – auch wenn sich die Tochter heute kaum noch daran erinnert. Trotzdem ist sie seit 40 Jahren Mitglied der oberschlesischen Landsmannschaft in Düsseldorf und hat hier als stellvertretende Vorsitzende lange versucht, durch gemeinsame Treffen, Ausflüge und Feste für ihre Landsleute ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen sowie die Erinnerungen an die Heimat und die damit verbundenen Traditionen wach zu halten. Von ehemals 350 seien sie allerdings nur noch 20, die meisten seien bereits verstorben, sagt sie und betont, dass diese alljährliche Wallfahrt mit anschließender Begegnungsmöglichkeit stets eine zentrale Rolle gespielt habe. "Die Bindung an Oberschlesien habe ich immer als identitätsstiftend erlebt. Wenn ich die alten Gesänge höre, bin ich sofort wieder ganz drin. Dann kommt die Geschichte wieder hoch."
"Offene Herzen, offene Grenzen und offene Türen"
Eine "deutschlandweite, europaweite Solidarität" und Initiativen zur Bekämpfung der Fluchtursachen fordert in seiner Predigt Erzbischof Woelki angesichts der aktuellen Fluchtbewegungen von weltweit 108,4 Millionen Menschen. "Wer durch Krieg, Terror und Zerstörung der Heimat auf der Flucht ist, wer um Leib und Leben fürchten muss, wer die Ermordung oder Vergewaltigung von Angehörigen, Nachbarn oder Freunden miterleben musste, erst einmal nicht mehr zurückkehren kann und bei uns Zuflucht sucht, der muss offene Herzen, offene Grenzen und offene Türen vorfinden", mahnt der Kardinal wörtlich und nimmt dabei vor allem auch die Politik in die Pflicht.
Außerdem ruft Woelki dazu auf, Verantwortung für Kirche und Welt zu übernehmen – wie damals nach dem Zweiten Weltkrieg – und sich gemeinsam der Aufgabe, ein geeintes Europa zu gestalten, in dem Gottes Schöpfungsordnung gelte, zu stellen. An die Familien der Heimatvertriebenen, an die Gemeinschaften und Verbänden appelliert er, Gott im Alltag einen Platz einzuräumen und dafür zu sorgen, dass der Glaube nicht erkalte und Gott nicht beiseite geschoben werde.
Kardinal Woelki würdigt beispiellose Integrationsleistung
Immer wieder verweist er auf Parallelen zwischen den Flüchtlingsströmen von einst und heute. Er erinnert daran, dass Millionen Menschen vor fast 80 Jahren schon einmal ein dem aktuellen Leid vergleichbares Schicksal erlebt hätten, aus ihrer Heimat vertrieben worden seien, und würdigt deren beispiellose Integrationsleistung in den Jahrzehnten danach. "Voraussetzung war die gemeinsame Kultur, mehr noch: der gemeinsame Glaube", stellt der Erzbischof fest. Dabei habe diese Hedwigswallfahrt geistige Heimat geboten, die Möglichkeit, Verwandte und Bekannte wiederzutreffen und altvertraute Lieder zu singen.
"Die Generation meiner Eltern und die nachfolgende haben nach dem Krieg nicht nur eine neue Heimat gefunden, sondern auch wieder aufzubauen geholfen: zerstörte Städte, Dörfer und Landschaften, einen demokratischen, freiheitlichen Rechtsstaat, eine florierende Soziale Marktwirtschaft und vieles mehr." Der katholische Glaube, eine gemeinsame Gebetssprache sowie eine gemeinsame Basis in den letzten Überzeugungen seien dabei "ein, wenn nicht der entscheidende Integrationsfaktor" gewesen und bedeuteten außerdem einen großen Reichtum an Wallfahrtskirchen, Klöstern, Kreuzen, Kapellen oder geistlicher Musik und Brauchtum. "Wie arm wären wir heute, wenn wir all das nicht mehr hätten, wenn Sie daraus nicht immer noch leben würden", wendet sich der Kardinal der Heimatvertriebenen-Gemeinde im Dom zu.
Noch nie so viele Flüchtlinge wie in diesem Jahr
Ausführlich geht er auch auf die aktuelle Situation ein und nennt konkrete Zahlen. Denn noch nie zuvor hat es so viele Menschen weltweit auf der Flucht gegeben. Allein in diesem Jahr habe es, zitiert Woelki den Global-Trend-Bericht des UN-Flüchtlingskommissariats, einen Anstieg der Flüchtlingszahlen von über 19 Millionen gegeben. Hauptgründe dafür seien der russische Angriffskrieg in der Ukraine, die Vertreibung von Afghaninnen und Afghanen durch die radikal islamischen Taliban, die verstärkten Kämpfe im Sudan, seit einer Woche auch die Fluchtbewegungen, die durch Terror und Krieg im Heiligen Land ausgelöst worden seien, aber auch Hunger, Naturkatastrophen und der Klimawandel. Mehr als die Hälfte davon seien Menschen, die innerhalb ihres jeweiligen Heimatlandes fliehen würden. Ausdrücklich würdigt Woelki, was die Menschen in den Gemeinden, im Erzbistum und speziell bei der Caritas-Aktion Neue Nachbarn angesichts dieser herausfordernden Situation leisteten.
Abschließend ruft er den vielen heimatvertriebenen und geflüchteten Menschen im Dom noch einmal zu: "Es ist gut, dass Sie so zusammenstehen und im Glauben eine Kraftquelle haben. Lassen Sie uns aus diesem Glauben heraus das Leben in unseren Familien, unseren Gemeinden und in der Gesellschaft gestalten."
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