Kirche im Advent heißt zweitens auch, eine Kirche auf der Pilgerschaft zu sein. Das II. Vatikanum hat diesen Gedanken neu entdeckt. Kirche auf der Pilgerschaft bedeutet, nicht in zu festen Häusern, in irdischen Sicherheiten zu leben und nicht mehr zu einer inneren und äußeren Bewegung fähig zu sein. Das Christentum ist nicht in den Wohnstuben groß geworden sondern auf den Straßen dieser Welt. Wir erleben, was das heißt. Sogar buchstäblich, wenn wir Gebäude aufgeben müssen, die Strukturen nicht mehr tragen, weil wir in Deutschland zunehmend zu einer armen Kirche werden – weniger materiell arm, als in dem Sinne, dass wir auf die Frage gestoßen werden: was trägt uns, was ist uns wirklich noch wichtig? Wir können auf solche Situationen unterschiedlich reagieren. Mit einer gehörigen Portion Realismus, dass es eben so ist, wie es ist; mit Schimpfen auf die da oben oder die ungläubige Gesellschaft, aber eine Kirche im Advent, eine Kirche, die einen Pilgerweg geht, müsste eine solche Situation auch als eine geistliche Herausforderung betrachten, als einen Hinweis Gottes, aufzubrechen und nach neuen Wegen und neuen Quellen zu suchen. Ich glaube, dass wir davon noch weit entfernt sind.
Es hat der Kirche nie gut getan, zu satt, zu fest und zu etabliert zu sein. Im Mittelalter kamen dann die Armutsbewegungen, ein hl. Franziskus, eine hl. Elisabeth. Die Kirche ist eine pilgernde Kirche, eine Kirche im Advent. Das hieß für die Konzilsväter des II. Vat., im Bewusstsein zu leben, stets auch innerlich erneuerungsbedürftig und erneuerungsfähig zu sein. Das sind große Worte, aber wie einfach dies von anderen zu fordern und wie schwer, dies selbst zu leisten, wissen und erfahren wir täglich.
Wir kommen von der Menschwerdung Christi her als sein Leib – das ist die Gabe.
Wir gehen als pilgernde Kirche einem Ziel entgegen, das wir noch nicht erreicht haben, das ist die Aufgabe.
Advent nimmt beide Aspekte in den Blick. Kirche lebt aus dem Entgegenkommen und der Menschenfreundlichkeit Gottes, aber sie hat auch die Aufgabe, dies zu leben. Die Kirche – das sind wir selbst. Wir gehen unseren Weg zwischen dem ersten Advent Gottes und seinem zweiten Advent, der Wiederkunft. Tröstlich ist es, dass wir nicht aus seinen Händen fallen können.
Prof. Dr. Peter Kohlgraf
Dekan des Fachbereichs Praktische Theologie
Katholische Hochschule Mainz