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Zeugen privater Frömmigkeitskultur: Kleine Andachtsbilder

Zeugen privater Frömmigkeitskultur: Kleine Andachtsbilder

Hl. Franziskus - Kolorierter Kupferstich mit reicher Randprägung, teilweise vergoldet; Prag, 19. Jahrhundert. AEK, Slg. Kleine Andachtsbilder

Für die heutige „Generation Gotteslob“ ist ein Gegenstand in den Hintergrund getreten, der bis zum allgemeinen Einzug der Ständer mit Leih-Gebetbüchern an den Eingängen unserer Kirchen einen wichtigen Stellenwert hatte: das Heiligenbildchen – fachmännisch auch „kleines Andachtsbild“ genannt. Die älteren Leser werden sich daran erinnern, wie man als Schulkind „langweilige“ Predigten durch gegenseitiges Anschauen oder gar Tauschen der Bilder überbrücken konnte, die man in seinem Gebetbuch gesammelt hatte. Man bekam sie vom Pastor oder vom Lehrer, wenn man im Unterricht brav oder fleißig gewesen war, zur Osterkommunion, bei Anlässen wie Erstkommunion, Firmung, Primiz, als Mitbringsel aus Kevelaer oder auch als Totenzettel, der das Andenken an verstorbene Verwandte wach hielt. Ganz verschwunden sind sie heutzutage nicht, aber den Stellenwert früherer Zeiten haben sie verloren.


Das Historische Archiv des Erzbistums Köln bewahrt eine bedeutende Sammlung kleiner Andachtsbilder auf. Den Grundstock bildeten Exemplare aus Nachlässen und alten Gebetbüchern, bald angereichert durch Schenkungen und gelegentliche kleinere Ankäufe. Ludwig Gierse, ein profilierter Kenner religiöser Druckgraphik, hat nicht nur die rund 4.000 Stücke des Archivs in jahrelanger ehrenamtlicher Arbeit erfasst und systematisiert, sondern auch seine eigene in Jahrzehnten zusammengetragene Sammlung mit rund 3.600 Bildchen hinzugegeben.


Die Geschichte der kleinen Andachtsbilder lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. In den Klöstern begann man einzelne Heiligenbilder auf Pergament, später auf Papier zu malen. Sie sollten nicht nur als Lesezeichen, sondern auch zur persönlichen Erbauung und als Gebetsanregung dienen. Manchmal wurden sie auch verschenkt und schließlich verkauft, womit sie eine willkommene Einnahmequelle bildeten. Bald kamen Vervielfältigungstechniken zum Einsatz; beginnend mit einfachen Holzschnitten, denen seit dem 15. Jahrhundert der Kupferstich folgte, ab dem 19. Jahrhundert der Stahlstich, die Lithographie und schließlich der moderne Druck. In Stil und Motivwahl waren die Heiligenbildchen immer Spiegel ihrer Zeit. Man trifft auf barocke Darstellungen, Motive nach Bildern der Nazarener, süßlich-kitschige Massenware aus der Wende zum 20. Jahrhundert – teilweise noch lange nachproduziert –, Bilder im Beuroner Klosterstil oder mit Jugendstilelementen bis hin zu Darstellungen aus der frühen Moderne in dem Bemühen, durch qualitätvolle Grafik dem Kitsch entgegen-zuwirken. Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg muss man den Verfall der „Heiligenbildchen-Kultur“ konstatieren – es gibt fast nur fotografische Reproduktionen von Kunstwerken aller Epochen, kaum noch eigenständige „Andachtsbilder-Grafik“.

 

Wolfgang Schmitz