Die Berliner Kirche „Maria Regina Martyrum“ (Maria, Königin der Märtyrer) entstand Anfang der 1960er Jahre als Gedächtniskirche der deutschen Katholiken zu Ehren der Blutzeugen für Glaubens- und Gewissensfreiheit der Jahre 1933-1945. Der Berliner Bischof Wilhelm Weskamm hatte den Bau auf dem 75. Deutschen Katholikentag 1952 in Berlin angeregt, und der 78. Katholikentag 1958 gelobte, die Kirche zu bauen. Sie besteht aus einem großen „Feierhof“ mit dunklen Umfassungsmauern, der an die Konzentrationslager erinnert, sowie der eigentlichen Kirche, die über der Erde zu schweben scheint wie eine Arche über den dunklen Wassern. Das mit bedeutenden Werken moderner Künstler ausgestattete Gotteshaus entstand 1960-63 nach Plänen der Architekten von Hans Schädel und Friedrich Ebert unweit der Gedenkstätte Plötzensee.
An dem Wettbewerb für diese Kirche nahm auch der in Köln wirkende Architekt Prof. Dr.-Ing. Rudolf Schwarz teil, der zu den bedeutendsten Kirchenbaumeistern des 20. Jahrhunderts zu rechnen ist. Er hat nicht nur im Umkreis von Köln, sondern bis weit ins Ausland Kirchenbauten errichtet. Auch seine Schriften wie „Vom Bau der Kirche“ oder „Kirchenbau – Welt vor der Schwelle“ wurden und werden in der Fachwelt hoch geachtet.
Den zeichnerischen Nachlass von Rudolf Schwarz bewahrt seit einigen Jahren das Historische Archiv des Erzbistums Köln auf. Damit kommt das Archiv seiner Aufgabe nach, neben der Aktenüberlieferung des Generalvikariats weitere Materialien zu sichern, die Aufschluss über die Kirchengeschichte im Erzbistum bieten. Besonders in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Kirchen zerstört waren, aber auch neue Gemeinden gegründet wurden, erlebte der Kirchenbau eine Blütezeit, und das Erzbistum Köln nahm dabei eine führende Stellung ein. Neben dem Nachlass Schwarz wurden daher auch weitere Architektennachlässe wie beispielsweise die von Fritz Schaller oder Hans Schilling aquiriert.
Die vorliegende Zeichnung stammt von Schwarz’ eigener Hand und zeigt eine erste Skizze für die Berliner Gedächtniskirche. Auf dem Entwurf ist ein unterer Hof zusehen, der in Form einer Parabel angelegt ist, mit einem überdimensionalen Kreuz als Mahnmal. Der Teil um die enge Rundung der Parabel bildet eine Kapelle, im Brennpunkt steht der Altar. An gleicher Stelle genau darüber befindet sich der Hauptaltar der eigentlichen Kirche, ebenfalls im Brennpunkt einer um 180 Grad entgegengesetzt ausgerichteten Parabel. Es ist deutlich zu sehen, dass dieser obere Bau lichtdurchflutet mit großen fensterflächen gedacht war. Wie im ausgeführten Entwurf sind hier oben und unten in hell und dunkel gegenüber gestellt. Die links von Schwarz’ eigener Hand hinzugesetzte Erklärung lautet „Diesseits + Jenseits durchdringen sich am Altar = Schwelle, Reich d. Toten unter der Erde, der Lebenden auf der Erde.“ Aber sich selbst ironisierend setzt er hinzu „Das nenn’ ich Symbollick!“ Damit war klar: Die gezeichnete Idee war nicht schlecht, aber noch nicht ausgereift genug.
Wolfgang Schmitz