Archive ab einer gewissen Größe besitzen in aller Regel eine „Kartensammlung“, in der historische Karten, Pläne und Zeichnungen aufbewahrt werden. Meist wurde der größte Teil dieser Stücke aus konservatorischen Gründen aus den Aktenbeständen selektiert, da sie dort nur gefaltet oder auf andere ungünstige Weise aufbewahrt werden können. Einzelstücke und gedruckte Karten kommen im Laufe der Jahre hinzu. So enthält die entsprechende Sammlung des Historischen Archivs des Erzbistums Köln derzeit etwa 350 Stücke, darunter einige einmalige Kostbarkeiten aus Zeiten, in denen Karten meist nicht gedruckt, sondern für spezielle Zwecke jeweils einzeln erstellt wurden. Anlässe zur Anfertigung solcher Karten waren Streitigkeiten oder Eigentümerwechsel, wenn es darum ging, den Landbesitz einer Institution zu dokumentieren. Für den heutigen Forscher geht der Quellenwert mancher Karten weit über ihren damaligen Entstehungszweck hinaus.
Die hier vorgestellte Karte trägt den Titel „Grund Riß Des im ErtzStifft-Cöllen negst bey Knechsteden gelegenen, dem HochWohlEhrwürdigen Capitul St. Andreae zu Cöllen gehörigen Broichs“. Sie entstand zwischen etwa 1770 und 1790 und stammt aus dem Pfarrarchiv St. Andreas zu Köln, näherhin aus den Akten zur Verwaltung des zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgehobenen ehemaligen Stifts gleichen Namens. Der kurkölnische vereidigte Feldmesser Joseph Otto, der für die Richtigkeit unterschrieb, zeichnete nach exakter Vermessung das Blatt sauber mit spitzer Tuschefeder auf einen stabilen Papierbogen und kolorierte es leicht. Das in Frage stehende Gebiet zwischen dem „Stommeler“ und dem „Knechtsteder Busch“ ist in einer ausführlichen Legende genau umschrieben. Die Bezeichnung „Broich“ steht dabei für ein Sumpfgebiet; es handelt dich hier um einen ehemaligen Flussarm. Eine hinzugefügte Windrose gibt die Himmelsrichtungen an.
Der heutige Forscher bekommt aber wesentlich weiter gehende Informationen: Er erfährt, wie die Topographie beschaffen war, die Lage der Wege und eines Wassergrabens, welche anderen Landbesitzer hier begütert waren, auch wie das Land genutzt wurde. Waldflächen, Felder, Gemüse- und Obstgärten sind genau eingetragen. Aber auch die damalige Prämonstratenserabtei Knechtsteden samt Torhaus, Kirche und Ne-bengebäuden ist bildlich dargestellt. Dadurch ist das Blatt, das selbst ein kleines Kunstwerk darstellt, auch für die kunstgeschichtliche Forschung wertvoll, zeigt es doch einen Bauszustand, der lange verloren ist – im Jahre 1869 brannten die Gebäude ab und nur Ruinen blieben übrig. Heute bestehen in Knechtsteden Kloster und „Missionshaus“ der Spiritaner sowie das Norbert-Gymnasium.
Wolfgang Schmitz