Bitte: „Es gilt das gesprochene Wort“ - dieser Satz begleitet die Ansprachen hoher Persönlichkeiten, die vorab an Berichterstatter ausgeteilt werden. Von der nachfolgend betrachteten Ansprache gibt es indes kein Tonzeugnis, sondern nur ein schwer zu lesendes handschriftliches Konzept und einen nachträglich erschienenen Druck. Die Rede selbst wirkte wie ein Donnerhall. Unzählige Menschen beziehen sich noch heute auf sie. Worum geht es?
Silvester 1946 hielt der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings in St. Engelbert in Köln-Riehl seine Jahresendpredigt. Seit Wochen war es eiskalt in Deutschland, ein Ende des strengen Winters nicht abzusehen. Hunderttausende Menschen lebten in den Ruinen ihrer Häuser, die Lebensmittel waren knapp, Kohlen und andere Brennstoffe für die Öfen kaum zu bekommen, die politische, moralische und allgemeine Lage miserabel. Frings predigte unter anderem über die zehn Gebote. Zum 7. Gebot (Du sollst nicht stehlen) sagte er zum Entsetzen der britischen Besatzungsmacht: „Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder Bitten, nicht erlangen kann“. Einige Sätze später folgte die Mahnung, den eventuellen Schadensersatz dafür nicht zu vergessen.