Noch lange nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war das deutsch-polnische Verhältnis sehr angespannt aufgrund des Krieges und der Vernichtung, die die Deutschen über Polen brachten und aufgrund der Vertreibung Hunderttausender Deutscher.
Vor diesem Hintergrund überreichten kurz vor dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, im November 1965, die polnischen Bischöfe in Rom ihren deutschen Amtsbrüdern einen Brief. Anlass für dieses Schreiben war eine Einladung zur Tausendjahrfeier der Christianisierung Polens 1966. Die polnischen Bischöfe stellten das deutsch-polnische Verhältnis im Laufe der Geschichte dar, wobei sie offensichtlich um Ausgewogenheit und Objektivität bemüht waren und einseitige Schuldzuweisungen vermieden. Sie baten die Deutschen um Verzeihung für alles, was ihnen angetan worden ist und gewährten Verzeihung für alles, was dem polnischen Volk angetan wurde.
Dieser Brief kam für viele, besonders für die Öffentlichkeit, völlig überraschend. Während der mehrere Jahre dauernden Konzilsberatung hatten viele der Bischöfe erstmals Gelegenheit, ihre ausländischen Amtskollegen näher kennen zu lernen, was auch das Verständnis für die Situation des jeweils anderen förderte. Auch Kardinal Höffner, damals noch Bischof von Münster, und Kardinal Wojtyla, der spätere Papst, lernten sich dort persönlich kennen, ein Kontakt, der bei einer Reise der polnischen Bischöfe durch die Bundesrepublik 1978 noch verstärkt wurde und wohl auch eine Rolle spielte bei der späteren Wahl des polnischen Papstes.
In ihrer wegen des nahen Konzilendes übereilt erstellten Antwort gaben die deutschen Bischöfe ihrer Freude über den Brief Ausdruck, nahmen die Einladung dankend an und sprachen zwei Gegeneinladungen aus, zum Katholikentag in Essen 1968 und zur Tausendjahrfeier des Bistums Meißen im gleichen Jahr. Auf den historischen Teil des Schreibens gingen die deutschen Bischöfe aber kaum ein, lediglich mit dem Heimatrecht der Vertriebenen setzten sie sich auseinander. Als ein Zeichen gegenseitigen Respekts ist es zu bewerten, dass die polnischen Bischöfe ihren Brief in Deutsch schrieben und die deutschen Bischöfe dementsprechend in Polnisch antworteten.
Der Brief löste sehr unterschiedliche Reaktionen aus: So gerieten die polnischen Bischöfe in Konflikt mit dem polnischen Staat, der ihnen vorwarf, sie hätten sich in die Außenpolitik eingemischt und den Interessen Polens geschadet. Hierzulande kritisierten die Vertriebenenverbände die Bischöfe für ihre Antwort, da sie ihre Heimatrechte an den ehemals deutschen Gebieten nicht genügend gewahrt sahen.
Dennoch gilt dieser Brief, der seiner Zeit weit voraus war, als erster Schritt zu einer Verständigung der beiden Bischofskonferenzen bzw. der beiden Völker.
Ursula Brendt