„Zungen wie von Feuer“ – Ein Pfingstteppich in St. Quirinus in Köln-Mauenheim
Milli Schmitz-Steinkrüger, Köln
Wolle, gewebt, gestickt; Leinen
Höhe 223 cm, Breite 186 cm
Köln-Mauenheim, St. Quirinus
Am 50. Tag nach der Auferstehung Jesu hatten sich die Jünger hinter verschlossenen Türen in Jerusalem zur Feier des jüdischen Wochenfestes Schawuot versammelt, zweifelnd, voller Angst, noch immer voller Unverständnis und Verwirrung über das, was geschehen war. Mitten in diese Runde stürmt dann der Heilige Geist, oder wie es in der Apostelgeschichte heißt: „Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab“ (Apg 2,2−4). Dieses Pfingsterlebnis der Jünger feiert die Kirche als ihren Beginn.
Dieses Ereignis zeigt ein Bildteppich in St. Quirinus in Köln-Mauenheim von der Kölner Künstlerin Milli Schmitz-Steinkrüger. In leuchtenden Farben – auf dem tief blauschwarzen und dunkelgrauen Grund, der aus unterschiedlich schattierten dreieckigen Flächen gebildet wird, erstrahlt ein feuriges Rot. Im Zentrum des Wandbehangs erscheinen abstrahiert die zwölf Apostel, in ihrer Mitte Maria. Obwohl sie in der Apostelgeschichte nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist sie bereits seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. Teil der Pfingstdarstellungen, als Zeichen ihrer Zugehörigkeit zur Urgemeinde. Die Blicke und Gesten der Apostel reichen zum Himmel, aus dem die Taube des Heiligen Geistes herabfliegt. Besonders eindrücklich sind die Feuerzungen dargestellt, die sich gemäß der Erzählung der Apostelgeschichte „auf einen jeden von Ihnen“ setzten – wie in einem Feuerregen werden die Apostel und Maria je von einer Feuerzunge bekrönt. Auf dem dunklen Grund sind die dreieckigen „Zungen“ teils lose, teils in Reihung gestreut. Oben und unten rahmen dicke, angeknotete grau-schwarze Fransen den Wandbehang. Der Teppich selbst besteht aus auf einem Wollgewebe aufgestickter Wolle, wobei Schwarz, Grau und Graublau, sowie Rot und helle Grau-Beige-Töne dominieren und die einzelnen Bildfelder in starken Kontrast zueinander treten lassen.
Milli Schmitz-Steinkrüger wurde 1907 als Milli Beckers in Köln geboren und studierte später bei dem (Glas-)Maler Jan Thorn Prikker, der ab 1926 Lehrer an den Kölner Werkschulen war. Nach ihrem Studium arbeitete sie als Stickerin, Textil- und Mosaikkünstlerin in Köln-Merheim und Hönningen. Den Wandbehang für Mauenheim schuf sie vielleicht in den 1970er Jahren, ihre Signatur ist auf der Rückseite erhalten, eine Datierung leider nicht.
Größere Aufträge führte sie auch für die romanische Kirche St. Georg in Köln aus, darunter großformatige Wandbehänge und kleinere Stickereien für einen Kreuzweg, die später durch Mosaiken ihres Ehemannes Wilhelm Schmitz-Steinkrüger (1909−1994) ersetzt wurden. Die Entwürfe dieser frühen Arbeiten stammten von Thorn Prikker. Ihr größtes Werk ist wohl ein Wandteppich für die Kirche St. Michael in Essen aus den Jahren 1957/58. Ein strahlend violettes Fastentuch von 1958 mit der Darstellung der 14 Kreuzwegstationen aus gewebter und gestickter Wolle ist in St. Paulus in Düsseldorf-Flingern erhalten, ebenso ein aus Wolle und Leder gewebter, teilweise vergoldeter Wandbehang. Neben ihren flächigen Kunstwerken wie den Wandbehängen oder Mosaiken entwarf und fertigte sie Krippen aus feinen Gliederfiguren mit Haaren aus Textil und abstrahierten, sehr ausdrucksstarken Gesichtern, die vor allem aufgrund ihrer plastischen Bearbeitung wirken, da sie kaum bemalt sind. Sie schuf diese Krippen u.a. 1955/56 für St. Paulus in Düsseldorf-Flingern, 1960 für St. Maria im Kapitol und in den 1970er Jahren auch für St. Quirinus in Köln-Mauenheim. Milli Schmitz-Steinkrüger starb 2001 in Köln.
Der Wandbehang in St. Quirinus wurde im Zuge der Inventarisierung des kirchlichen Kunstgutes erfasst, allerdings ließ seine starke Verschmutzung anfangs keine genaue Betrachtung und Bewertung zu. Eine in Folge der Inventarisierung vom Kirchenvorstand engagiert durchgeführte Restaurierung brachte nun die leuchtenden Farben des Pfingstteppichs wieder hervor. Pünktlich zum Pfingstfest strahlt der Wandbehang nun wieder in seiner Kirche und erinnert an die Aussendung des Heiligen Geistes und an eine Kölner Künstlerin, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich an der (Neu-)Ausstattung der Kirchen in Köln und im Rheinland beteiligt war. Ihre oftmals einfachen Gestaltungen sind von großer Wirkkraft und Eindringlichkeit.
Anna Pawlik