Von Melaten nach St. Gereon – Ein Gedenkstein für Stadtdechant Dr. Robert Grosche (1888-1967)
Denkmale und Denktafeln erinnern im Stadtbild an das Leben und Wirken verstorbener Personen, lassen einen Teil Stadtgeschichte aufleben und informieren die Passanten fast beiläufig über relevante Ereignisse.
An St. Gereon in Köln befindet sich eine Gedenktafel, die sich dem aktiven Erinnern und Bewusstwerden entzieht und ein Schattendasein auf dem kleinen Friedhof nördlich der Kirche fristet. Die hohe künstlerische Qualität des Reliefs - gepaart mit einem Namen, der nicht nur für St. Gereon, sondern auch für Köln eine bedeutende Rolle spielt – lässt aufhorchen:
DR. ROBERT GROSCHE
7. JUNI 1888 - 21 MAI 1967
PFARRER AN ST. GEREON
1945 – 1967
Robert Grosche war katholischer Theologe, Pfarrer und Studentenseelsorger, Stadtdechant und Domkapitular in Köln. Er hatte großen Einfluss auf die ökumenische Bewegung und nahm nach dem Zweiten Weltkrieg eine zentrale Rolle in Köln ein, nicht zuletzt durch seine führende Rolle bei den Planungen zum Wiederaufbau der Kölner Kirchen in seinem Amt als Stadtdechant.
Doch Grosche war nicht nur Theologe, sondern auch Kunsthistoriker. 1924 promovierte er an der Universität Köln mit einer kunsthistorischen Arbeit über den Altarbau im 17. und 18. Jahrhundert. 1932 wurde er Dozent für christliche Kunst an der Düsseldorfer Kunstakademie. Er hielt zahlreiche Kontakte zu Personen des öffentlichen Lebens – und Kunstwirkens, das er förderte.
Im Juni 1945 wurde er Pfarrer an St. Gereon. Viele Arbeiten der Kölner Werkschulen haben durch seinen Nachlass oder gezielte Ankäufe während seines Pastorats ihren Weg in die Kirche gefunden – so zumindest auch auf Umwegen die vorliegende Gedenktafel.
Diese zeigt einen sitzenden Engel am Grab, der im Relief gearbeitet ist. Er wirkt erstaunt, hat die Arme entlang des Körpers ausgestreckt und die Hände geöffnet. Der Körper ist frontal ausgerichtet, jedoch leicht gedreht und in eine diagonale Haltung versetzt. Seitlich breiten sich die Flügel aus, die eine organische Kontur des Reliefs vorgeben, kontrastierend hierzu sind sie linear schraffiert. In Kombination mit der Asymmetrie der Komposition entsteht Spannung und Ausdrucksstärke. Am äußeren Rand wird das Relief von einer Inschrift in Majuskeln gerahmt:
SURREXIT SICUT DIXIT
(Er ist auferstanden, wie er gesagt hat - Matth. 28,6)
Dieser für Grosche bedeutende Vers findet sich auch auf einer Kasel in St. Gereon wieder, die bereits in der Zwischenkriegszeit in der Paramentenklasse der Kölner Werkschulen, durch Prof. Ferdinand Nigg und seine Schülerin Irma Goede, für ihn entstanden war.
Der Gedenkstein aus Basalt-Lava wurde von Karl Burgeff (1928-2005) geschaffen. Burgeff studierte ab 1951 an den Kölner Werkschulen als Meisterschüler bei Prof. Ludwig Gies die Fächer Bildhauerei, Steinmetz- und Friedhofskunst. Seine freischaffende Tätigkeit mit Aufträgen im profanen sowie sakralen Bereich beginnt er 1957 in Köln und widmet sich intensiv wie sein Lehrer Gies der Tradition des Medaillen- und Plakettenkunst, einer Sonderform der Kleinplastik.
Robert Grosche verstirbt 1967 als Pfarrer von St. Gereon und wird in der Priestergruft der Kölner Pfarrer auf dem Kölner Friedhof Melaten beigesetzt. Doch dieses Datum stimmt nicht mit den Angaben auf der Gedenkplatte überein und auch das Inschriftenfeld setzt sich in Steinfarbe und Schriftart von dem Relief ab. Die Erklärung hierfür findet sich im Nachlass Grosches, der im Historischen Archiv des Erzbistums verwahrt wird: Es handelt sich ursprünglich um eine Anfertigung für das Grabmal der Mutter Adelgunde und Schwester Konradine (+1963) Grosche, das sich bis 1983 in dieser Funktion auf Melaten befand. Höchstwahrscheinlich hatte Robert Grosche den Grabstein einst bei Karl Burgeff beauftragt. Die Liegeplatte ist bereits 1964 skizziert worden.
Im Jahr 1983 wendet sich schließlich die Stadt Köln an die Erben Grosches, da die amtliche Räumung des Familiengrabmals zum Ende des Jahres bevorsteht. Aus finanziellen Gründen entscheidet man sich gegen den Wiederkauf des Grabmals und anstatt dessen für die Übernahme des Reliefs als „Gedenkzeichen für Grosche, das ja eigentlich schon lange fällig ist“[i]. Der Kirchenvorstand St. Gereon stimmte der Übernahme als Stiftung zu und war „gewillt, wenn die Vorhalle und die Außengestaltung fertiggestellt sind, eine Gedenkplatte an Dr. Grosche anbringen zu lassen“[ii].
Die vorherige Inschrift wurde entfernt und an ihrer Stelle eine Platte mit neuer Inschrift gemäß der Umnutzung als Gedenkplatte für Robert Grosche eingefügt. Zudem wurde der Stein durch eine Sockelzone erhöht. Seitdem befindet sich das Denkmal auf dem kleinen Friedhof an der Kirche St. Gereon.
Das Relief des Engels am Grab hielt auch Einzug in die Burgeff‘sche Kleinkunst: Auf einer querovalen Plakette (137 x 178 mm) aus dem Jahr 1966 setzte Burgeff Grosche ein Miniaturdenkmal. Das Motiv wurde hier in ein Rechteck eingeschrieben, jedoch ebenso wie der Bibelvers leicht abgewandelt und in weicheren Konturen ausgeführt. Ob es sich um einen Auftrag oder eine kleinformatige Arbeit privater Natur handelt, die Burgeff begleitend zu auftragsgebundenen Großformaten anfertigte, bleibt noch zu klären.[iii]
Auch wenn einige Details zur Entstehungsgeschichte von Grab- und Miniaturdenkmal zum jetzigen Zeitpunkt noch ungeklärt sind, so steht doch zumindest fest, dass sich das Denkmal in seiner künstlerischen Qualität und der Funktion als Memoria für Stadtdechant Robert Grosche dem kollektiven Bewusstsein an St. Gereon nicht entziehen müsste.
Stefanie Schirrmeister