Tabernakel von Hildegard Domizlaff in St. Engelbert in Köln-Riehl
Brannte uns nicht das Herz in der Brust?
Tabernakel mit Sakramentsstele
Veroneser Marmor (gehauen, punkt-gespitzt, teilw. poliert)
Metall (vergoldet,) Elfenbein (geschnitzt), Bergkristall
Hildegard Domizlaff, 1971
St. Engelbert, Köln-Riehl
Unscheinbar steht der Tabernakel der Kölner Kirche St. Engelbert, die ab 1931 von Dominikus Böhm errichtet wurde, in einer Seitenkonche des modernen Rundbaus. Der Tabernakel ist aufgenommen in eine Sakramentsstele, die ihn gleichermaßen schützt und exponiert: Auf einer runden Standfläche erhebt sich ein zylindrischer Sockel, der in ein kubisches Gehäuse übergeht. Dieses ist wiederum vierseitig mit Parabelbögen geöffnet und schließt nach oben hin mit einem spitzen Pyramidendach ab. Zwei halbplastisch gearbeitete Ährenbündel umgeben die Spitze, eine Weinrebe tritt unter dem geöffneten Gehäuse aus dem Sockel hervor. Der rotbraune Veroneser Marmor korrespondiert mit dem gegenüberliegenden Taufbecken, das die Künstlerin wenige Jahre zuvor für St. Engelbert geschaffen hatte.
Das Herzstück der Stele ist der fein gestaltete Tabernakel-Tresor. Er weist vier einander entsprechend gestaltete Seitenflächen auf: In eine gleichmäßige Rasterung von drei mal drei Quadraten aus vergoldetem Metall sind Elfenbeintafeln eingelassen, von denen jeweils fünf mit flachen, teilweise durchbrochen gearbeiteten Reliefs versehen sind. Diese sind dabei so angeordnet, dass sich aus den unbearbeiteten Elfenbeinflächen ein Kreuz ergibt. Die gestalteten Ecksegmente sind spielerisch variierend mit floralem und ornamentalem Dekor versehen: Neben Efeu und Weinblättern finden sich Ginkgo, Blattranken und Flechtbandornamente.
Im Zentrum jeder Seitenwand stellt eine lebendig figurierte, figürlich-narrative Darstellung konkrete Bezüge zur Eucharistie her: Die Fußwaschung ermahnt uns daran, dass wir zum Dienst am Nächsten berufen sind. Dass Dienst und Treue von Gott mit Lebensfülle belohnt werden, daran erinnert die Erzählung vom Fund der übergroßen Traube durch Kaleb und Joshua. In der Mahlgemeinschaft wiederum wird die Gegenwart Jesu Christi selbst erfahren; erschrocken gehen dem Jünger in Emmaus, beim Brechen des Brotes durch den vermeintlich Fremden, die Augen auf: Brannte uns nicht das Herz in der Brust? Das Mahl mit Jesus Christus ist uns Wegzehrung und Stärkung; so wie es – typologisch auf der vierten Seite dargestellt – Elija bei der Speisung durch den Engel in der Wüste erfahren hat.
Die vor allem für ihr sakrales Werk bekannte Künstlerin Hildegard Domizlaff (1898–1987) vereint in ihren kunstfertig in Elfenbein geschnitzten Lineaturen, die ihr Spätwerk in besonderer Weise prägen, eine Jahrtausende alte Handwerkskunst mit moderner Bildsprache und zeitgemäßer Intention und schafft somit einen würdigen Ort für das Allerheiligste in St. Engelbert.
Anja Becker-Chouati