Zum Inhalt springen
Service

Hl. Antonius oder hl. Franziskus? – eine Bildstickerei in St. Franziskus in Köln-Bilderstöckchen

Köln-Bilderstöckchen, St. Franziskus, gesticktes Bild eines heiligen Franziskanermönchs (Willy Strauß), vor 1960.
Datum:
1. Nov. 2024
Von:
Nadja Lang
Objekt des Monats - November 2024

Willy Strauß (1908–1960), Köln-Bilderstöckchen,
vor 1960
Gewebe, Stickgarn, Japangold
Maße: ca. 29 x 21 cm (ohne Rahmen)

In der Kirche St. Franziskus im Kölner Stadtteil Bilderstöckchen hängt in einer der Turmkonchen ein kleines, gesticktes Bild. Die Stickerei ist auf ein goldenes Seidengewebe aufgebracht und in gedämpften Grundfarben gehalten, die einen beruhigenden Eindruck hinterlassen.

Vor blauem Hintergrund steht ein Mönch mit Tonsur und in braunem Habit, gegürtet mit einem Strick, in dessen Ende drei Knoten gebunden sind. An den seitlichen Rändern ist das Blau von zwei grünen Streifen umgeben, unten im Bild ist weitere Natur durch ein Wasserbecken mit Fischen, einen grauen Stein mit einer Schlange und einem Stück Wiese angedeutet. Links oben erscheint der Heilige Geist als herabfliegende Taube, von der zwei Lichtstrahlen ausgehen. In der rechten oberen Ecke zeigt sich eine Christusfigur im Kreuz – stark abstrahiert und symbolhaft. Auch vom Kreuz geht eine Lichtaura aus, die bis zum Mönch herabscheint und sich mit den von der Taube kommenden Strahlen vermischt. Die Szene ist eingerahmt von einem rosafarbenen Band, durchsetzt von Goldfäden, die sich durch die ganze Komposition ziehen. Unterschiedliche Stichmuster erzeugen eine jeweils ganz eigene Haptik der verschiedenen Bildelemente.

Der Mönch hält in der linken Hand ein Buch, die Rechte weist mit erhobenem Zeigefinger himmelwärts. Die Geste ist ambivalent: Zum einen scheint der Mönch nach oben in Richtung Himmel zu zeigen, zum anderen ist die erhobene Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger auch ein üblicher Erklärgestus – ist der Mönch mit Buch und erhobenem Zeigefinger ein gelehrter Prediger? Die Empfänger seiner Worte und Gesten sind vor ihm zu sehen: Fische im Wasser und eine Schlange auf einem Felsen. Die Tiere wenden der Figur deutlich ihre Aufmerksamkeit zu.

Unzweifelhaft ist, dass die braune, mit einem Strick gegürtete Kutte einen Mönch des Franziskanerordens ausweist. Es scheint damit keine Schwierigkeit, die dargestellte Figur auf dem Bild als den hl. Franziskus von Assisi zu identifizieren. Dieser war nicht nur der Gründer des Ordens und ist der Patron der Kirche in Bilderstöckchen, er ist auch besonders bekannt für seine Schöpfungsliebe und Zuwendung zu den Tieren. Eine berühmte Passage seiner Vita berichtet davon, wie er zu den Vögeln predigte. Ein Fenster des Künstlers Lukas Ruegenberg in der Vorhalle der Kirche bezieht sich direkt auf diese Szene (s. Abb.). Der Künstler des Stickbildes, Willy Strauß (1908–1960), der selbst in der Gemeinde wohnte, stattete die Kirche bei ihrem Neubau 1957–61 mit weiteren Kunstwerken aus, die Bezüge zum Kirchenpatron zeigen: Die abstrakte Glasmalerei im Kirchenraum bezieht sich auf den vom hl. Franziskus verfassten „Sonnengesang“. Die ebenfalls von Willy Strauß gestaltete Chorwand (s. Abb.) zeigt in monumentalem Format das Lamm Gottes, die Hand Gottvaters und den Heiligen Geist. Fünf kleine Fenster mit vorwiegend roter Glasmalerei sind Teil der Komposition und symbolisieren die Wundmale Christi. Diese hatte der hl. Franziskus durch die Stigmatisation selbst empfangen.

Der in Köln geborene Willy Strauß absolvierte dort zunächst eine Lehre als Kunstschlosser. Von 1929 bis 1932 studierte er bei dem Künstler Hans Hofmann in München. Charakteristisch für sein Werk ist der Bezug zum Sakralen sowie eine enorme Bandbreite an Materialien und Techniken. Wie die Werke aus St. Franziskus exemplarisch zeigen, schuf er sowohl kleinteilige Textilkunst, Vorlagen für Glasmalerei, als auch monumentale Wandgestaltungen. Darüber hinaus malte er und gestaltete Werke für Metallguss. Das kleine, gestickte Kunstwerk ist in der Gemeinde allerdings nicht als Franziskus-, sondern als Antonius-Bild bekannt. Schon in der Festschrift anlässlich der Konsekration des Neubaus 1965 wird das Werk so bezeichnet: „Ein auswärtiger Stifter schenkte uns das Bild des Hl. Antonius, des getreuen Helfers in großen und kleinen Anliegen, eine kostbare Stickarbeit, ebenfalls von W. Strauß entworfen und ausgeführt.“[i]

Könnte es sich bei dem Mönch also doch um den hl. Antonius handeln? Tatsächlich war der hl. Antonius von Padua ebenfalls ein Franziskanermönch, er war sogar ein Zeitgenosse des Ordensgründers. Gepredigt haben beide, allerdings war Antonius noch mehr als Prediger charakterisiert als Franziskus, daher gehört ein Buch oft zu seinen Attributen. Die Fische, die der Predigt zuhören, sprechen ebenfalls für die Vita des hl. Antonius: Einer Legende nach hatte dieser im Hafen von Rimini zu den Fischen gepredigt, nachdem die Menschen ihm nicht zuhören wollten. Franziskus ist dagegen für seine Predigt zu den Vögeln bekannt. Seine Vita berichtet jedoch von zahlreichen weiteren Begegnungen mit Tieren, darunter auch mit einem (einzelnen) Fisch. Die auf dem Stein in der linken unteren Ecke dargestellte Schlange könnte vielleicht in diese Richtung hin interpretiert werden, bleibt aber ein etwas rätselhaftes Bildelement. Auch die Christus-Erscheinung am Himmel könnte in ihrer simplifizierten Form tendenziell auf beide Heilige bezogen werden. Zentral in der Vita des hl. Franziskus ist die Stigmatisierung mit den Wundmalen Christi, die in seinen späteren Lebensjahren mit einer Erscheinung des Gekreuzigten als Seraph (mit sechs Flügeln) einherging. Dem hl. Antonius dagegen ist einmal auf wundersame Weise das Jesuskind erschienen.

Der Verweis auf den Prediger mit dem Buch und Zeigegestus sowie die Anspielung auf die Legende im Hafen in Rimini spricht insgesamt vielleicht eher für eine Darstellung des hl. Antonius. Als zweiter wichtiger Heiliger des Franziskanerordens fügt sich sein Bild durchaus in die Ausstattung der Kirche. Die ambivalenten Deutungsmöglichkeiten mancher Bildelemente mit Anspielungen auf den hl. Franziskus oder auf eine allgemeine christliche Symbolik geben dem Bild dagegen weitere Bedeutungsschichten und mögen durchaus im Sinn des Künstlers gewesen sein.

Literatur/Quellen

Katholisches Pfarramt St. Franziskus (Hg.): St. Franziskus von Assisi. Köln-Bilderstöckchen, Köln o.J. [1965].

Herbert Rode: Kirchenausstattungen von Willy Strauß, in: Das Münster 21 (1968), S. 425–428.

Thomas von Celano: Leben und Wunder des heiligen Franziskus von Assisi. Einführung, Übersetzung, Anmerkungen von Engelbert Grau OFM (Franziskanische Quellenschriften 5), Werl/Westfalen 41988.

Manfred Becker-Huberti/Günter Alexander Menne: Kölner Kirchen. Die Kirchen der katholischen und evangelischen Gemeinden in Köln, Köln 2004.


[1] Kirchenführer St. Franziskus 1965, S. 14.

3 Bilder