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Service

„Gebt ihr ihnen zu essen!“ - Das großformatige Wandbild Peter Heckers im Generalvikariat des Erzbistums Köln

Generalvikariat Köln, Wandbild von Peter Hecker, 1959, Gesamtansicht
Datum:
2. Sept. 2022
Objekt des Monats – September 2022

Die wunderbare Brotvermehrung
Fresko im Generalvikariat des Erzbistums Köln
Peter Hecker, 1959
Inschrift: misereor Quadragesima MCM/LVIIII [misereor, in der Fastenzeit 1959]


Komplex und tiefsinnig ist das figurenreiche Fresko, das Peter Hecker (1884–1971) in der Fastenzeit des Jahres 1959 auf einer Wand im Generalvikariat des Erzbistums Köln realisiert hat. Dargestellt ist das in allen vier Evangelien berichtete Speisungswunder der Brotvermehrung (vgl. Mk 6, 30-44; Mk 8, 1-9; Mt 15, 32–39; Lk 9, 10-17; Joh 6, 1-15). Dieses zeichnet sich nicht nur durch die Häufigkeit seiner Nennung aus; durch seine Bezüge zur Brot- (Joh 6, 22–59) und zur Weltgerichtsrede Jesu (Mt 25, 31–56) führt es zudem mitten ins Zentrum der Frohen Botschaft.

Das großformatige Fresko, das kompositorisch auf dem Goldenen Schnitt beruht, baut sich wie ein riesiger Mäander vor dem Betrachter auf. Die Gesamtkomposition erstreckt sich über nahezu zwei Geschosse und ist auf einer Wand vor dem Bürotrakt des Generalvikars verortet. Die klare Gliederung wird durch eine große Menge an Figuren und Motiven bereichert, die sich scheinbar patchworkartig zu einem riesigen Bildteppich verweben; es entsteht der Eindruck überbordender Fülle, deren Fokus und thematische Mitte Jesus Christus ist.

Aus dem Urgrund am unteren Bildrand erhebt sich aus der Tiefe eine stilisierte Taube mit Ölzweig im Schnabel: neues Leben bricht an. Arme und Blicke richten sich betend, hoffend, gar flehend in die Höhe. Der Kopf Jesu wird umfangen von einem Kreuznimbus, das erdbraune Gewand hebt sich vom hellen Grün der ihn umgebenden Pflanzen ab, weiße Cherubim flankieren ihn. Seine empfangende und zugleich segnende Geste deutet an: Er spricht die Berakha – den Lobpreis über das Brot, das vor ihm liegt; er dankt Gott und segnet die Speise. Sogleich bittet er die Jünger, die Gaben an die Tausende von Menschen auszuteilen, die durch das lange Zuhören auf Jesu Worte hungrig geworden waren. Während die einen bereits große Brotstücke in den Händen halten, wird auf der anderen Seite noch verteilt; niemand soll leer ausgehen. Die Fülle entsteht durch das Geben.

Das zentrale Motiv der Speisung übersetzt sich ausgehend von der biblischen Erzählung nach oben hin in die Gegenwart der Moderne hinein. Der Altar als eucharistischer Mahltisch ist mit Kelch und Kreuz bereitet, die Domspitzen ragen als oberste Krone über dem Bischof empor. Die Entstehung des Wandgemäldes, das von Generalvikar Joseph Teusch in Absprache mit dem Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings sowie dem Erzdiözesanbaumeister Wilhelm Schlombs 1958 in Auftrag gegeben wurde, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Gründung des bischöflichen Hilfswerks Misereor, für das Kardinal Frings und Generalvikar Teusch kurz zuvor auf der Fuldaer Bischofskonferenz die Grundlagen gelegt hatten. Die Aufforderung Jesu „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Lk 9,13 / Mk 6,37) wird so zum konkreten Aufruf zu tätigen Werken der Barmherzigkeit (vgl. Weltgerichtsrede). Kinder und Greise, Gebeugte und Beladene, in Ketten Gelegte und von Krankheit Gezeichnete: sie alle finden ihren Platz in dem großen Wandgemälde.

Die zahlreichen Brote und Fische, Ähren und Weinreben, die das Wandbild durchziehen, verweisen ferner auf die eucharistischen Gaben und damit auf die Zusage Jesu: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ (Joh 6,35) Das Wandbild schließt nach oben hin ab mit zwei nebeneinander gestellten Darstellungen: ein Mann legt einem anderen heilend die Hände auf; daneben steht einer in Orantenhaltung. Caritas und Liturgie, der Dienst am Nächsten und der Gottesdienst gehören untrennbar zusammen.

Gemalt, geritzt und modelliert: für den weithin bekannten Kirchenmaler Peter Hecker ist die Oberfläche der Wand nicht nur Grund, sondern Gestaltungsmittel, das sich mit einem Wechselspiel aus Farbflächen und Schraffuren verbindet. Viele bekannte Werke, wie die umfangreiche (und 1945 größtenteils zerstörte) Ausmalung der Ehrenfelder Pfarrkirche St. Mechtern (1920–28), die Apsisausmalung der Krankenhauskirche St. Elisabeth in Köln-Hohenlind (1949–50) oder die Gewölbeausmalung unter der Orgelempore des Kölner Domes (1949), zeugen bis heute von Heckers Können, komplexe Zusammenhänge stets lebendig zu vermitteln. Das in Erinnerung an die Misereor-Gründung des Kölner Generalvikars entstandene Fresko im Generalvikariat zeichnet so zugleich das zeitlose Bild einer Kirche, die sich selbst großzügig zu geben bereit ist, weil in ihrem Zentrum der lebendige Glaube an Jesus Christus – als Brot des Lebens (Joh 6, 35) – steht; auf diesen bauend ist sie überreich, selbst inmitten der Fastenzeit.

Anja Becker-Chouati

Literatur (Auswahl)

Ars sacra ’75. Kirchliche Kunst der Gegenwart (Ausstellung der Künstler-Union-Köln in Verbindung mit der Stadt Köln und Bistümern der Kirchenprovinzen Köln und Paderborn, vom 12. Februar bis 23. März 1975 im Overstolzenhaus und in der Handwerkskammer Köln), Köln 1975, Nr. 504.

Pesch, Rudolf: Über das Wunder der Brotvermehrung oder Gibt es eine Lösung für den Hunger in der Welt? Frankfurt am Main, 1995.

Peter Hecker (Ausstellung aus Anlass des 80. Geburtstags des Künstlers im Overstolzenhaus Köln vom 11. April bis 3. Mai 1964), Köln 1964, Entwürfe: Nr. 93, 94, 95.

Peters, Elisabeth: Kirchliche Wandmalerei im Rheinland 1920–1940, Rheinbach 1996.

Ratzinger, Joseph / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Erster Teil: Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung, Freiburg im Br. 2007.

Theobald, Michael: Eucharistie als Quelle sozialen Handelns. Eine biblisch-frühkirchliche Besinnung, Neukirchen-Vluyn 2012 (Biblisch-theologische Studien; Bd. 77).

Trippen, Norbert: Josef Kardinal Frings (1887–1978), Bd. II: Sein Wirken für die Weltkirche und seine letzten Bischofsjahre, Paderborn 2005 (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen; Bd. 104).

Van Bühren, Ralf: Werke der Barmherzigkeit in der Kunst des 12. – 18. Jahrhunderts. Zum Wandel eines Bildmotivs vor dem Hintergrund neuzeitlicher Rhetorikrezeption, zugl. Diss., Köln 1994, Hildesheim u.a. 1998 (Studien zur Kunstgeschichte; Bd. 115).