Eine Custodia von Egino Weinert in St. Hildegard im Meisengarten in Bonn-Bad Godesberg
Egino Weinert, Köln
um 1950
Silber, Gold, Kupfer, Bergkristall, teilvergoldet, getrieben, emailliert, granuliert
Höhe 15 cm, Breite 10,5 cm, Tiefe 7,5 cm
Die Custodia (lat. custodire, bewachen, (be-)schützen) ist ein oft in Hausform gestaltetes Gefäß der Vasa Sacra zur Aufbewahrung der konsekrierten Hostie. Ihr Bildprogramm bedient sich häufig der Symbole und Darstellungen der Heilsgeschichte Jesu Christi.
Auch das farbenfrohe, vom Kölner Goldschmied Egino Weinert gearbeitete Exemplar in der Kirche St. Hildegard im Meisengarten in Bonn-Bad Godesberg, folgt diesem Prinzip. Über einer querrechteckigen kristallenen Basis erhebt sich der vorderseitig zu öffnende, hochrechteckige Gefäßkörper, der nach oben in einem flachen Rundbogen abschließt. Die Front- und Rückseite ist in Granulationstechnik und Filigranbelötungen mit detailreichen szenischen Darstellungen der Verkündigung an Maria sowie der Kreuzigung Jesu gestaltet. Seiten- und Deckelflächen arbeitete Weinert in polychromem Stegemail mit Darstellungen der Anbetung der Hl. Drei Könige sowie der Auferstehung Christi. Die gespannte Dachfläche der Custodia ist in einem Ornament stilisierter Granatäpfel emailliert. Es entsteht eine spannungsreiche Kombination aus fein reliefierten Edelmetallpartien zu den kräftigen, mit dominierenden Blau-, Rot- und Grünnuancen ausgeführten Emailflächen. Gleichzeitig lässt der transparente Fuß die Custodia optisch schweben.
Die einfache, naive Formensprache der dargestellten Motive mit reduzierten Formen und prägnanter Kontur zu bunten Farbflächen ist charakteristisch für die Arbeiten Weinerts, der seine Kunst vorherrschend sakraler Motive für jeden und jede zugänglich machen wollte. Vielen ist er daher wohl vor allem durch seine in hoher Auflage seriell verbreiteten Bronzeplaketten mit Heiligendarstellungen bekannt, doch schuf er neben diesen auch zahlreiche, qualitätvolle Einzelstücke.
Egino Weinert, 1920 als Franz Stanislaus Günter Przybilski geboren, wuchs in Berlin auf. Mit 14 Jahren trat er als Klosterschüler in die Abtei Münsterschwarzach ein, wo er neben einer Lehre zum Bildhauer und Kirchenmaler 1941 auch die Gesellen- sowie einige Jahre später seine Meisterprüfung zum Gold- und Silberschmied absolvierte. Kurz nach Kriegsende verlor er durch eine Sprengfalle seine rechte Hand, was beinahe das Ende seiner Tätigkeit als Goldschmied bedeutet hätte. Er aber wandelte Techniken und Arbeitsschritte so lange auf seine herausfordernden körperlichen Bedingungen ab, bis ihm ein selbstständiges Arbeiten wieder möglich war. Ab 1947 studierte Weinert an den Kölner Werkschulen unter anderem in der Klasse von Elisabeth Treskow (1898-1992), eine der bekanntesten Goldschmiedinnen des 20. Jahrhunderts, die vor allem durch die Wiederbelebung der etruskischen Granulationstechnik große Anerkennung erlangt hatte. Ihr durfte er 1948 bei der provisorischen Restaurierung des im Krieg beschädigten Kölner Dreikönigenschreins assistieren. 1956 eröffnete Weinert, rechtzeitig zum gleicherorts stattfindenden Katholikentag, ein Atelier mit Werkstatt und Verkaufsräumen in Köln, das sich noch heute direkt neben dem Erzbischöflichen Generalvikariat in der Marzellenstraße befindet.
Wohl mehrere tausend Objekte umfasst das Oeuvre, welches in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Weinerts Werkstatt verlässt und Auftraggeber und Freunde auf der ganzen Welt findet. So zählte beispielsweise Papst Paul VI. (amt. 1963-1978) oder Konrad Adenauer zu seinen Förderern und Künstler wie Ewald Mataré zu seinen Freunden.
Neben der typischen, in ihrer Einfachheit beinahe karikaturhaften Figurenauffassung Weinerts, sind vor allem die Werktechniken der Granulation und des Emails in Weinerts Werk charakteristisch, die auch die Custodia in St. Hildegard im Meisengarten bestimmen. Gleichzeitig fällt auf, dass die verwendeten Techniken und Materialien einer Gestaltungstradition folgen, die auch die mittelalterlichen Großschreine, wie den erwähnten Kölner Dreikönigsschrein, dominieren. Auch hier gehören Filigran- und Granulationsarbeiten, farbige Emails und die Verwendung geschliffenen Bergkristalls zum Gestaltungsprinzip. Mit diesen, in seine Handschrift und Motive modern übersetzten Techniken, findet Weinert mit seinen Arbeiten zu einem Stil, der in seiner Einfachheit und Naivität vielen zugänglich und doch einer anspruchsvollen Tradition und Werkkenntnis verhaftet ist.
Silke Ingenhorst