Ein unscheinbarer Fund - Ein Kelchlöffel in St. Hubertus in Köln-Flittard
Kelchlöffel, 1620
Silber, gegossen, graviert
Kelchlöffel fristen in den Sakristeien und Tresoren der Kirchen oft ein unscheinbares Dasein. Meist können sie nicht mehr richtig zugeordnet werden und der Zusammenhang zu dem Kelch, für den sie einst passend angefertigt worden waren, ist längst verloren. Ein besonderes historisches Objekt konnte bei der Inventarisierung gefunden werden, ein Kelchlöffel des Heinrich Franken Siersdorf (1580−1654), ehemaliger Generalvikar des Erzbischofs von Köln.
Der elegante Löffel aus vergoldetem Silber hat eine Länge von 8,2 cm und besteht aus einer nahezu runden Laffe, aus der über ein vasenförmiges Ornament an der sog. Zunge vermittelt, ein gedrehter Stiel hervorgeht. Etwa auf halber Höhe leitet ein Doppelprofil in einen Vierkantschaft über. Vorder- und Rückseite des Stiels tragen die Inschrift: HEINRICVS / FRANCKEN / SIERSTORFIVS / ANNO + 1620. Dementsprechend findet sich auf der Unterseite der Laffe das Wappen der Franken von Siersdorf, in einem eingezogenen Schild heraldisch rechts ein Rost, links ein Baum.
Die Familie von Franken-Siersdorf (oder Siersdorpff) stammt ursprünglich aus Siersdorf bei Jülich (Kr. Düren) und ging aus der Familie eines örtlichen Hufschmiedes hervor. Einer seiner Enkel, Andreas Franken (1636–1707), erlangte als kaiserlicher Hofrat schließlich die Adelswürde. Seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts stellte die Familie mehrere hohe Domherren in Köln, darunter Weihbischöfe und im 18. Jahrhundert auch Generalvikare. Im südlichen Querhaus des Kölner Doms befindet sich die Familiengruft derer von Franken-Siersdorf.
Andreas Frankens Sohn, der Kölner Weihbischof Franz Kaspar von Franken-Siersdorf (1683−1770), war der Großonkel des auf dem Kelchlöffel inschriftlich genannten Heinrich. Heinrich Francken-Siersdorf (1580−1654) war Doktor der Theologie, Domherr und Generalvikar, ab 1611 wirkte er als Rektor des Gymnasiums Laurentianum in Köln. Er starb am 27. August 1654 und wurde in der St. Anna-Kapelle in der Kölner Minoritenkirche begraben, sein Grabstein ist dort noch erhalten und ehrt den „ss. theol. Dr. eccl. Metropolitanae et s. Caeciliae prespyter senior, gymnasii Laurentiani regens“.
Ob der Löffel aus dem Besitz von Heinrich Francken-Siersdorf nach Flittard gelangte, ist nicht mehr zu rekonstruieren, auch lässt sich die eingravierte Datierung des Löffels – 1620 – bislang nicht mit einem besonderen Ereignis in seinem Leben in Verbindung bringen, beispielsweise die Übernahme eines weiteren, besonderen Amtes.
Nachdem Flittard bereit 989 bereits als Grundbesitz zur Abtei Groß St. Martin zählte, wurde die Kirche St. Hubertus 1329/30 der Benediktinerabtei inkorporiert, der Turm geht noch auf einen Neubau der Kirche im 12. Jahrhundert zurück.
Im katholischen Ritus sind mehrere Löffel-Arten bekannt, sowohl aus dem Bereich der Vasa sacra als auch der Vasa non sacra. Zur letzten Kategorie gehören etwa Löffel zur Beifügung der Öle zum Taufwasser oder der Weihrauchlöffel für das Einlegen des Rauchwerkes. Sie sind meist aus Bronze oder Messing, also aus unedlen Metallen. Im katholischen Ritus nicht mehr geläufig ist der liturgische Seiher (lat.: colum, colatorium) zur Filterung des Weins beim Eingießen in den Kelch. Er kam schon im 5. Jahrhundert in Gebrauch und war es bis ins 16. Jahrhundert.
Löffel, die direkt mit dem eucharistischen Wein in Kontakt kommen, also zur Gruppe der Vasa sacra gehören, sind aus edlen Metallen, meist Silber bzw. Silber vergoldet. Dabei ist ein eucharistischer Löffel im engeren Sinne im Ritus des lateinischen Westens nicht bekannt. Seit dem 8. Jahrhundert nachweisbar sind Saugröhrchen (lat. fistulae) für die Kommunion des Hl. Blutes, die in Form und Funktion an Strohhalme erinnern. Ab dem 11. Jahrhundert zählten sie zu den üblichen liturgischen Geräten, die bis ins 16. Jahrhundert in Gebrauch blieben.
Kelchlöffel (lat.: coclear, cochlearum, „Schnecke“) sind bereits seit dem 13. Jahrhundert nördlich der Alpen überliefert. Ihre lange Tradition endete meist mit der liturgischen Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, nach dem sie teilweise außer Funktion genommen wurden. Die meist 7 bis 10 cm langen Geräte besitzen eine kreisrunde, schüssel- oder kellenförmige Laffe und sind aus vergoldetem Silber, seltener aus Messing. Sie sind oftmals nur mit einfachen Ornamenten oder Kreuzen verziert. Sie haben vor allem dosierende Funktion: Sie sollen die Beimischung des Wassers in den zu konsekrierenden Wein erleichtern. Die Menge von drei Tropfen ist seit dem 2. Jahrhundert belegt. Die Beimischung des Wassers zum Wein symbolisiert die Einheit Christi und der Menschheit. Dazu heißt es im Ritus: „Wie das Wasser sich mit dem Wein verbindet zum heiligen Zeichen, so lasse uns dieser Kelch teilhaben an der Gottheit Christi, der unsere Menschennatur angenommen hat“ (AEM, Nr. 142).
Literatur/Quellen
Paul Clemen (Bearb.): Die Kunstdenkmäler des Kreises Mülheim am Rhein (die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 5,II), Düsseldorf 1901, S. 86.
Hugo Rahtgens, Hermann Roth (Bearb.): Die kirchlichen Denkmäler der Stadt Köln: Minoritenkirche – S. Pantaleon – S. Peter – S. Severin (Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln 2,II), Düsseldorf 1929, S. 39.
Herbert M. Schleicher: Die genealogisch-heraldische Sammlung des Kanonikus Joh. Gabriel von der Ketten in Köln, Köln 1984, Bd. II, S. 194–201.
Peter Opladen: Die Geschichte der Pfarre Flittard, Köln 1989, S. 87.