Die unbekannte Heilige in Weiß - Eine Keramik in St. Andreas in Köln-Mitte
Pater Wolfram Plotzke OP, Düsseldorf
1926
Keramik, glasiert
Höhe: 37,5 cm, Breite: 18 cm
Signatur: p. wolfram plotzke o.P. 1926
Fast ein bisschen versteckt steht die weiße Keramikbüste, um die es in diesem Monat gehen soll, in einer vergitterten Wandnische im südlichen Seitenschiff von St. Andreas in Köln.
Die dargestellte Ordensfrau im Habit blickt zu Boden und hält ihre rechte Hand mit der Innenfläche nach außen zur Brust - eine abwehrende und zugleich mahnende Geste. In ihrer linken Hand hält sie ein Objekt, das nicht eindeutig zu identifizieren ist: Ein Kegel mit drei umlaufenden Bändern - könnte es sich um ein Salbgefäß handeln oder aber um eine Papsttiara? Die Papstkrone wird traditionell als bauchige, oben spitz zulaufende Krone mit drei Reifen dargestellt. Eine Ähnlichkeit besteht, dennoch wäre das Attribut der Papsttiara in den Armen einer weiblichen Heiligen eher ungewöhnlich.
Der Künstler, der sie schuf, hat sich auf der Unterseite verewigt: Pater Wolfram Plotzke OP. Wolfram Maria Plotzke wurde am 18. August 1908 in Stettin geboren und trat 1927 dem Dominikanerorden bei. 1933 wurde er zum Priester geweiht. Sein künstlerisches Talent ermöglichte es ihm, von 1935 bis 1939 die Kunstakademie in Berlin zu besuchen. Bedingt durch seine Tätigkeit im Orden lebte und arbeitete Plotzke in verschiedenen Städten Deutschlands, wodurch auch seine Werke heute weit verteilt sind. Zu seinen Hauptwerken zählt die Ausmalung der Klosterkirche in Schwichteler bei Oldenburg (1939), der Kreuzweg in St. Paulus in Berlin (1935-1939) und zwei Mosaike und zwei Ton-Reliefs auf dem Friedhof in Kreuzweingarten in Euskirchen (1936). Zusätzlich gestaltete Plotzke auch zahlreiche Glasmalereien, die u.a. in Düsseldorf (Dominikanerkloster), Datteln-Meckinghoven (St. Dominikus), Herten (St. Antonius), Herten-Paschenberg (ehem. kath. Kirche St. Barbara) und Recklinghausen-Hochlamark (St. Michael) zu sehen sind.
Über die Werke von Plotzke ist bis heute noch kaum geforscht worden, auch nicht über seine Arbeiten in St. Andreas. Plotzke schuf für die Kölner Kirche nachweislich nicht nur die hier vorgestellte Keramikfigur, sondern auch mehrere Glasmalereien, Wandmalereien und eine bemalte Fahne. Zusätzlich ergänzte Plotzke eine Mitteltafel für ein Triptychon und restaurierte ein weiteres Triptychon, welches sich heute in der Krypta von St. Andreas befindet. In St. Andreas wird deutlich, wie vielseitig der Künstler tätig war, sowohl handwerklich als auch materialübergreifend.
Für die Identifizierung der Keramikbüste bleibt nur der Versuch, die Merkmale der Büste und den Kontext ihrer Entstehung zu kombinieren: das wichtigste Indiz ist das Objekt in ihrer Hand. Hierbei könnte es sich sowohl um eine Tiara, als auch um ein Salbgefäß handeln: Letzteres gehört zu den Attributen der Maria Magdalena. Eine Darstellung der Maria Magdalena mit dem Salbgefäß scheint in diesem Fall aber eher unwahrscheinlich. Das spitz zulaufende Objekt in der Hand der Heiligen hat nur entfernt Ähnlichkeit mit einem Salbgefäß, des Weiteren wird Maria Magdalena in der Kunst überwiegend mit offenem, wallenden Haar und nur leicht bekleidet dargestellt.
Die Heilige in St. Andreas hingegen trägt eine Ordenstracht. Dazu ist zu beachten, dass die Büste von einem Dominikanerpater geschaffen und in einer Kirche, die vom Dominikanerorden genutzt wird, aufgestellt wurde. Das alles spricht für eine Darstellung der Hl. Katharina von Siena. Denn auch wenn zu ihren Attributen eigentlich Buch, Lilie, Kruzifix und ein Herz, aus dem ein Kreuz erwächst, zählen, verweist die Papstkrone auf die Vita der Heiligen.
Katharina, die mit 16 Jahren dem Dominikanerorden beitrat und heute vor allem für ihre mystischen Visionen und ihr literarisches Werk bekannt ist, agierte auch als Beraterin für die Päpste ihrer Zeit. So vermittelte sie 1375 im Konflikt zwischen Papst Gregor IX. und der Stadt Florenz, überzeugte den Papst ein Jahr später von Avignon zurück nach Rom zu ziehen und unterstützte Papst Urban VI. während des Abendländischen Schismas. Durch ihr politisches Wirken wurde sie europaweit bekannt und zu einer der einflussreichsten Frauen im Mittelalter und zu einer verehrten Heiligen des Dominikanerordens.
Maren Sieverding