Eingetaucht in ein Meer aus Blau:Die Glasmalerei in der Taufkapelle von St. Joseph in der Grevenbroicher Südstadt
Entwurf: Helmut Lang, Köln
Ausführung: Firma Oidtmann, Linnich
1968
Antikglas, Blei, Schwarzlot
In der von Gottfried Böhm entworfenen Kirche St. Joseph in der Grevenbroicher Südstadt greifen Architektur und Glasmalerei ineinander. Bis zur Decke reichend ersetzt die Verglasung des Kirchenraumes ganze Wandabschnitte und bestimmt maßgeblich den Raumeindruck. Dabei ist sie nicht allein dekorativ, sondern erzählt dem Betrachtenden bildlich Geschichten des Alten und Neuen Testaments. Besonders eindrücklich geschieht dies in der Taufkapelle, die sich südlich an die Kirche anschließt.
Beim Eintreten in die Vorhalle der Kirche begrüßt die Besuchenden zunächst eine abstrakte, aus geometrischen Formen bestehende Verglasung, die – wie die gesamte Glasmalerei der Kirche – von Helmut Lang entworfen wurde. Der 1924 in Sandau (Böhmen) geborene Künstler war Schüler von Walter Tiemann und studierte zunächst an der Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig, bevor er 1958 in die Bundesrepublik kam und dort als freischaffender Künstler arbeitete.
Die Taufkapelle wurde als separater, zwölfseitiger Rundbau mit großem kegelförmigen Helm entworfen und ist vollständig verglast – ein Motiv, das sich schon in der Kirche St. Maria Königin in Köln-Marienburg findet, die 1952/54 von Böhm Vater, Dominikus Böhm errichtet wurde. Der trapezförmige Gang zur Kapelle gibt den Blick auf die farbenprächtige Verglasung erst frei, wenn man direkt vor ihr steht. Als zentrales Thema zieht das Wasser und damit die Farbe Blau die Betrachtenden hier in den Bann. In verschiedenen Farbnuancen und Bewegungen umrahmt es die dargestellten Bibelszenen. Der Zyklus beginnt auf der linken Seite der Kapelle mit der Erschaffung der Welt. In einem Medaillon stehen Adam und Eva am Baum der Erkenntnis, umgeben von verschiedenen Tieren. Auf dem nächsten Fenster schwimmt oben die Arche Noah im weiten Blau, unten erreicht Moses im Binsenkörbchen das Ufer und wird von der Tochter des Pharaos an Land gezogen. Daran angrenzend zeigt sich der Zug durch das Rote Meer, bei dem Moses das Wasser teilt, um die Israeliten aus Ägypten zu führen. Ein Fenster weiter spielt erneut das Wasser die Hauptrolle: Es sprudelt aus dem Felsen in der Wüste, nachdem Moses zweimal mit seinem Stab dagegen schlägt.
Mittig, und damit gegenüber vom Eingang zur Taufkapelle, befindet sich eine monumentale Darstellung des Lammes. Es steht auf einem Thron, aus dem das lebendige Wasser sowie die vier Paradiesströme ausströmen. Unterhalb des Thrones versammeln sich die Chöre der Engel und wandeln die Seligen auf den Wiesen des Paradieses. Diese Szene setzt sich nicht allein durch ihre Positionierung hervor, sondern vor allem durch die strahlend gelbe Rahmung, die im starken Kontrast zum dunklen Blau förmlich zu leuchten scheint.
Auf der rechten Seite der Taufkapelle folgen weitere Bibelszenen: Die Heilung eines Lahmen am Teich Betesda und weitere Menschen, die in den Säulenhallen darauf warten, dass der Engel das Wasser aufrührt und den Menschen bei Berührung des Wassers ihre Krankheiten nimmt. Als besonderes Detail formte Lang das strudelnde Wasser als hellblaue Rose, die aus dem dunklen Wasser hervorbricht. Daran schließt sich eine Darstellung von Jesus an, der am Jakobsbrunnen die Samariterin antrifft und ihr das lebendige Wasser anbietet. Angrenzend und durch die hellblaue Farbgebung hervorgehoben, ist die Taufe Jesu zu sehen. Die umrahmenden Wassermassen strotzen vor Dynamik und setzen den Akt und das Sakrament der Taufe als kraftvolles und erfüllendes Erlebnis wirksam in Szene.
Mit dem letzten Fenster und damit wieder am Eingang der Kapelle ankommend, endet des Zyklus mit der Taufe des vornehmen Äthiopiers durch Philippus, einem der Sieben Diakone. Unten rechts, fast versteckt, blickt der lechzende Hirsch nach oben und schreit nach Wasser.
Helmut Lang schuf in St. Joseph einen Glasmalereizyklus, der das zentrale Thema des Wassers nicht nur szenisch immer wieder aufgreift, sondern besonders durch die Verwendung von intensivem, flächendeckendem Blau den Betrachtenden beim Betreten der Kapelle vollkommen einnimmt und räumlich umgibt. Der Betrachtende taucht damit bildlich in das Wasser ein, sodass sich schon das Betreten der Kapelle wie eine Taufe anfühlt. Architektur und Glasmalerei greifen malerisch ineinander und erschaffen einen Raum, der zum Staunen einlädt.
Literatur/Quellen
Manfred Becker-Huberti (Hg.): Neusser Kirchen. Die katholischen Kirchen im Dekanat Rhein-Kreis Neuss, Köln 2006.
Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jh. e.V.
https://www.glasmalerei-ev-web.de/pages/b503/b503.shtml (zuletzt aufgerufen am 13.08.2024)