Auflösung und Abstraktion. Ein Kruzifix aus St. Urban in Köln-Deutz von Walter Prinz (* 1933)
Kruzifix von Walter Prinz
Eichenholz, Bronze
Köln, 1981
in St. Urban, Köln-Deutz (Stegerwaldsiedlung)
Beeindruckend und monumental steht das 2,20 m hohe Kruzifix mit einem Kreuz aus alten Eichenbalken und einem vollplastisch gearbeiteten, bronzenen Christus-Korpus im Altarraum der Deutzer Kirche St. Urban (Fritz Schaller, 1964–65). Das Holz der schlanken Kreuzbalken mit quadratischem Querschnitt ist rau, weist Bearbeitungsspuren und Risse auf. Die Balkenvorderseiten sind mit ornamentalen Einkerbungen in der Form liegender Doppelkegel versehen. Der Körper des fast lebensgroßen, leidend interpretierten Jesus löst sich künstlerisch abstrahiert in der Komposition aus vielen Kuben verschiedener Größe auf. Augen und Mund sind gerade noch leicht geöffnet, die Hände an den nach oben abgewinkelten Armen schmerzvoll gestreckt. Der Körper des Gekreuzigten windet sich, er macht von den Schultern aus über die Hüfte bis in die Knie eine leichte Drehung, die Füße suchen auf dem Fußpodest letzten Halt. Die Drehung des Korpus, seitlich nach unten vom Kreuz weg, unterstreicht – ebenso wie die raue Oberflächenbeschaffenheit der Bronze – den schmerzverzerrten Ausdruck des Sterbenden. Sein Blick ist geradezu hilfesuchend auf den Altar gerichtet.
Der Kölner Künstler Walter Prinz (geb. 1933) studierte in den 1950er Jahren zunächst Innenarchitektur an den Kölner Werkschulen. Er machte sich dann bildhauerisch selbstständig und war seit Mitte der 1980er Jahre zunehmend auch malerisch tätig. Nicht selten ergänzen sich so in den von Prinz ausgestatteten Kirchenräumen die verschiedenen künstlerischen Medien zu einem stimmigen Sakralraum, wie auch in St. Urban erkennbar ist: Während das monumentale Kruzifix den nach oben geöffneten Altarraum dominiert und damit den Ort markiert, an dem senkrechte und waagerechte Dimension sowohl architektonisch als auch liturgisch zusammentreffen, befinden sich an den Seitenwänden der hellen, zeltartig gebildeten Kirche drei großformatige Ölgemälde, die Prinz 1988 schuf; sie bilden einen Zyklus zum Thema Exodus. In kräftigen Farben und einer ähnlich kubisch-abstrakten Bildsprache flankieren die Meditationsbilder den Taufort, den Tabernakel und die Seite des Gemeinderaumes und lassen so für den Gläubigen erfahrbar werden: Wie Gott das Volk Israel im Exodus nicht allein gelassen hat, so begleitet Er den Gläubigen auf seinen Lebenswegen und -stationen. Die unbedingte Heilszusage Gottes kulminiert überdies in der Feier der Eucharistie, unter dem Kreuz im Zentrum der Kirche.
Anja Becker-Chouati