Direktor P. Romano Christen antwortet auf einige Fragen, die an das Thema heranführen…
Was muss einer mitbringen, wenn er ins Albertinum kommt?
Erst einmal sich selbst! Seine Menschlichkeit, seine Fragen, seine Stärken, all das, was in der Beziehung zu Jesus und zu Seiner Kirche in seinem eigenen Leben bereits gewachsen ist. Schließlich die Bereitschaft, diese Beziehung mit Elan des Herzens zu vertiefen. Die ‚Muskeln‘ der eigenen Freiheit und der Vernunft sollen eingesetzt werden. Berufung reifen lassen heißt, sich nach dem ganz großen Ideal auszurichten. Dieses Ideal ist nicht ein Etwas, sondern ein Jemand – es ist das Du Christi in der Weggemeinschaft der Kirche.
Was fördert die Reifung auf dem Berufungsweg?
Da die Berufung vom Herrn stammt, ist nichts so förderlich wie die freie und vorbehaltlose Hingabe an Ihn. Aber Achtung! Diese wächst nicht allein im Raum stiller, persönlicher Frömmigkeit! Sie reift und nimmt Konturen an in der Auseinandersetzung mit dem Leben in all seinen alltäglichen Facetten. Dazu gehört die Beziehung zu anderen Glaubensgefährten (im Theologenkonvikt und darüber hinaus), aber auch die ‚Arbeit‘ an sich selbst, den eigenen Talenten, die entdeckt werden sollen und den eigenen Wunden (jeder hat irgendwelche), die geheilt sein wollen. Alles eingebunden in die täglich neu bejahte Beziehung zum Auferstandenen, dessen Liebe unsere kühnsten Phantasien übersteigt.
Was sind die Zeichen, welche die Echtheit einer Berufung bezeugen?
Die dankbare Freude am Herrn, wie sie Papst Franziskus kraftvoll am Beginn von Evangelii gudium ausführt. Schließlich das Stehen mit beiden Füßen in der Realität. Wer vom Herrn berufen ist, wird zum Protagonisten, nicht zum Eigenbrötler oder Stubenhocker.
Berufung bindet schließlich ein in den Kreis der Jünger, die Jesus heute hat – also in die Gemeinschaft der Kirche. Ein Berufungsweg ist immer ein persönlicher, aber nie ein individueller. Diese Verankerung in der Communio fördert die Beziehung zu allen Menschen und zur Anteilnahme an deren Fragen und Nöten.
Welche sind die größten Vorbilder?
Große Priestergestalten gibt es viele entlang der Kirchengeschichte! Da darf jeder seine besonderen Vorlieben haben. Wenn ich einige der meinen nennen darf: Martin Von Tours, der erste große volkstümliche Hirte nach der Völkerwanderung; Winfrid Bonifatius, der mutige und unbeugsame Apostel der Deutschen; Hermann der Lahme, der ‚Krüppel‘ unter den Mönchen auf der Reichenau, der keine Minute seines Lebens schmerzfrei verbracht und doch eine überaus liebenswürdige Ausstrahlung hatte; der geniale Gelehrte Albertus Magnus; Karl Borromäus, der große Bischof in schweren Zeiten des Umbruchs; der Spaßvogel Roms Filippo Neri; der Naturwissenschaftler und Missionar Nils Stensen; der Gesellenvater Adolf Kolping; der Freund der Jugend Giovanni Bosco; der leidenschaftliche Jugendseelsorger und KZ Häftling Karl Leisner; Luigi Giussani, dessen Charisma ich meine Berufung verdanke und schließlich der ‚gigantische‘ Glaubenszeuge um die Jahrtausendwende Papst Johannes Paul II.
Nur aus Gründen der Diskretion unterlasse ich es, Lebende zu benennen – aber es gibt sie: Priester, die in unseren Tagen ein faszinierendes, gewinnendes Zeugnis geben von ihrer Liebe zu Christus und, darin, von der Liebe zu den Menschen.
Was wird die größte Herausforderung des Priesters im fortschreitenden XXI. Jahrhundert sein?
Genau lässt sich das schwer sagen… Sicherlich werden die, welche jetzt Priesteramtskandidaten sind, bei ihrem silbernen Priesterjubiläum nicht mehr vor Pfarrgemeinden stehen, wie sie uns heute noch vertraut sind. Diese werden eine andere Gestalt annehmen, nicht nur zahlenmäßig! Der Mensch der nächsten Jahrzehnten wird sein Leben – von der Empfängnis bis zum Tod - immer mehr selber ‚regulieren‘ wollen, wobei der ‚Spalt‘, welcher auf Gott hin öffnet, immer schmaler werden wird (aber doch nie ganz dicht gemacht). Auch wird die Begegnung bzw. der Dialog mit dem Islam eine wichtige Aufgabe darstellen. Wahrscheinlich werden sich ganz neue Herausforderungen auftun… Es wird spannend sein, in dieser Zeit einer epochalen Wende leben und mitwirken zu dürfen!
Wird die katholische Kirche in Zukunft im Abseits stehen?
Als unbedeutende Größe am Rande? Nein. Mich trägt das Zukunftsbild, das uns Benedikt XVI. hinterlassen hat. Seine allerletzten Worte auf deutschem Boden – am Flughafen in Lahr, unmittelbar vor seinem Abflug am Ende seines Pastoralbesuches 2011 – sind ein Vermächtnis: Ich möchte die Kirche in Deutschland ermutigen, mit Kraft und Zuversicht den Weg des Glaubens weiterzugehen, der Menschen dazu führt, zu den Wurzeln, zum wesentlichen Kern der Frohbotschaft Christi zurückzukehren. Es wird kleine Gemeinschaften von Glaubenden geben – und es gibt sie schon -, die in die pluralistische Gesellschaft mit ihrer Begeisterung hineinstrahlen und andere neugierig machen, nach dem Licht zu suchen, das Leben in Fülle schenkt. Es gibt nichts Schöneres, als Christus zu kennen und den anderen die Freundschaft mit ihm zu schenken. Wo Gott zugegen ist, da ist Hoffnung und da eröffnen sich neue, oft ungeahnte Perspektiven…
Unser Erzbischof, Kardinal Woelki, hat die neuen Perspektiven für unser Erzbistum immer wieder angesprochen und etwa in seinem ersten Fastenhirtenbrief thematisiert.
Haben Sie keine Angst, dass irgendwann der Strom an Berufungen ganz austrocknen wird?
Nein, diese Angst habe ich nicht. Es wird immer Menschen geben, die sich vom Ruf des Herrn erreichen lassen, Männer, die ihr einmaliges Leben für das höchste Ideal hingeben: Gott so zu lieben und den Menschen so zu dienen, wie es Jesus getan hat – und die es mit Ihm tun.
Freilich: es ist die Verantwortung eines jeden Gefirmten und einer jeden Gemeinde, Berufungen zu erwecken, zu fördern, zu begleiten – nicht nur im Gebet! Das gilt für jede Form von Berufung – auch für die schöne Berufung zur Familie. Was die Berufungen zum Priestertum betrifft: sie stehen schlicht und einfach im Verhältnis zur Lebendigkeit des Volkes Gottes.