Ein wichtiges Ereignis für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschsprachigen Kirchengerichte ist die alle zwei Jahre im Wechsel zwischen München-Freising und Köln-Bensberg stattfindende sog. "große Tagung". Zu dieser Tagung hatten sich vom 21. bis 24.10.2008 ca. 150 Personen im Kardinal-Döpfner-Haus in Freising angemeldet. Sie wurden dort vom Vorsitzenden der Konferenz der deutschsprachigen Offiziale, Domdekan Prälat Dr. Lorenz Wolf, München, begrüßt. Die diesjährige Tagung stand unter dem vielleicht etwas missverständlich formulierten Thema "Probleme des Alltags in der kirchlichen Gerichtsbarkeit".
An der Spitze der Teilnehmer wurde der neue Nuntius in der Bundesrepublik Deutschland, Erzbischof Dr. Jean Claude Périsset, herzlich willkommen geheißen, und zwar nicht nur als Vertreter des Heiligen Vaters, sondern auch als früherer Kollege, war er doch selber einmal über eine Reihe von Jahren Offizial in seinem Heimatbistum Fribourg-Genf-Lausanne. So feierte er mit den Teilnehmern nicht nur die hl. Messe, sondern sprach aus eigenen Erfahrungen zu ihnen über das Thema "Rechtsprechung und Seelsorge".
Über "Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung der Rota Romana" referierte mit einer Fülle von Material P. Dr. Dr. Nikolaus Schöch OFM, Rom. P. Schöch ist in der Ewigen Stadt als zweiter Ehebandverteidiger an der Apostolischen Signatur, als Konsultor der Kleruskongregation, als Anwalt der Römischen Rota und als Kommissar für die Auflösung der nicht vollzogenen Ehen an der Gottesdienstkongregation tätig. Neben diesen Aufgaben an der römischen Kurie ist er auch Professor an der Fakultät für Kanonisches Recht an der römischen Franziskaner-Universität "Antonianum" und Privatdozent für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg.
Ebenso interessant wie unterhaltsam referierte vor den Teilnehmern Prof. Dr. Dr. Michael N. Ebertz, Freiburg, über Ergebnisse der Sinus-Milieu-Studie unter Rücksicht auf die Einstellung der Angehörigen verschiedener Milieus zur Ehe.
Der Freiburger Kirchenrechtler Prof. Dr. Georg Bier unternahm eine vorläufige Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion zu dem Klagegrund "Willensbestimmender Irrtum (can. 1099)", während der Würzburger Offizial Domkapitular Dr. Stefan Rambacher sich der Thematik "Kirchenaustritt und Formfreiheit" widmete, womit ein ganzer Komplex von aktuellen Fragen verbunden ist.
Da man nicht immer nur lernen kann, gehört es zu den Gepflogenheiten der "großen Tagung", dass auch ein Kulturprogramm angeboten wird. Dies bestand aus drei interessanten Alternativen, nämlich einem Besuch hinter den Kulissen der Bayerischen Staatsoper, einer geführten Besichtigung durch die Ausstellung "Spuren des Geistigen" im Haus der Kunst und einer Exkursion zu zwei unlängst in beachtlicher Weise restaurierten Kirchen, nämlich der Wallfahrtskirche Maria Rast bei Langenbach und der Kuratiekirche St. Bartholomäus Hörgersdorf.
Ebenfalls gute Tradition ist es, dass der Bischof der gastgebenden Diözese mit den Tagungsteilnehmern zusammentrifft. Dies geschah, nachdem Erzbischof Dr. Reinhard Marx zuvor in der Freisinger Domkirche die hl. Messe gefeiert hatte. Daran schloss sich ein festliches Abendessen an, das Leib und Seele zusammenzuhalten half, wie auch die großzügige Gastfreundschaft der Erzdiözese München und Freising nicht unerwähnt bleiben soll, die das allabendliche Zusammensein und den Austausch unter Kolleginnen und Kollegen förderte.
Zum Schluss der Tagung sprach noch Frau Dr. Sabine Schiller-Lerg unter kommunikationswissenschaftlichen Aspekten über das Thema "Beratung-Vernehmung-Wertung. Zur Validität von Aussagen", ehe sich mit großem Dank an das gastgebende Bistum und die Organisatoren die Teilnehmer der Veranstaltung auf die zum Teil weiten Rückwege in ihre Heimatdiözesen machten.
Die nächste "große Tagung" wird für Oktober 2010 im Kardinal-Schulte-Haus in Bensberg geplant.
Domkapitular Prälat Dr. Günter Assenmacher
Erzbischöflicher Offizial in Köln
Foto: M. Rösner-Peters