Rota-Ansprache 2015
Mit seiner Ansprache vom 23.01.2015 zur Eröffnung des Gerichtsjahres bei der Rota Romana hat
Papst Franziskus zwei Punkte berührt, die verschiedene Medien – nicht zuletzt solche,
die ein "kath" in ihrem Namen führen – so in den Vordergrund gestellt und verbreitet
haben: dass viele Ehen wegen Glaubensmangels ungültig seien, und dass die kirchlichen Eheprozesse
kostenfrei sein sollten.
Grundlegender bei dieser Ansprache, die stets im Zusammenhang mit anderen päpstlichen Äußerungen betrachtet werden muss, ist aber wohl, dass Papst Franziskus für Eines wirbt:
Die kirchlichen Gerichte sollen möglichst zugänglich sein. Denn die kirchlichen Eheprozesse bieten eine Chance für jene Menschen, die mit ihrer gescheiterten Ehe möglichst im Einklang mit Gott und der Kirche leben wollen, und die bereit sind, vor der Kirche die Gründe ihres Scheiterns zur Sprache zu bringen.
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Die Zugänglichkeit der kirchlichen Gerichte hat eine menschliche Seite: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des kirchlichen Gerichts sollen ein offenes Ohr und Herz haben, und sie sollen eingehend die vorgetragenen Schicksale bedenken, auch in ihrem gesellschaftlichen Kontext.
Daher verweist Papst Franziskus in der Rota-Ansprache 2015 auf den Wertewandel der Moderne und den sog. willensbestimmenden Irrtum (can. 1099 CIC). Er variiert eine Anregung Papst Benedikt XVI. aus der Rota-Ansprache 2013: dass in einem Eheprozess genauer zu bedenken wäre, inwiefern ein Mangel an Religiösität mittelbar zu einem rechtserheblichen Ehewillensmangel führen kann.
Die Frage, ob jemand kirchenrechtlich ungültig heiratet, der mit einem Mangel an Religiösität seine Ehe schließt, kann dabei keinesfalls im Sinne eines Automatismus mit einem Ja beantwortet werden. Papst Franziskus behauptet einen solchen Automatismus nicht, ebenso wenig wie die Päpste Benedikt XVI., Johannes Paul II. und deren Amtsvorgänger.
Einen weiteren wichtigen Punkt hat Papst Franziskus am 24.01.2015 berührt – nur einen Tag nach dem Empfang der Rota – anlässlich eines Kongresses zur kirchlichen Eheprozessordnung: Bei allem Bemühen um ein zügiges Verfahren darf ein Richter eine Klage nur dann anerkennen, wenn der mutmaßliche Tatbestand hinreichend gewiss ist, also zweifelsfrei bewiesen bzw. glaubhaft ist.
Die sehr vielfältigen Anforderungen für einen kirchlichen Richter hat Papst Franziskus angesprochen gegenüber der Rota im Vorjahr 2014.
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Die Zugänglichkeit der kirchlichen Gerichte hat zudem eine praktische Seite, doch in den Regionen der Weltkirche sehr verschiedene Ausmaße.
Daher meint Papst Franziskus wohl nicht zuerst die sogenannte Erste Welt mit ihren schnellen Wegen und ihrem Wohlstand, wenn er einen möglichst kostenfreien Prozess wünscht.
Die in Deutschland übliche Prozessgebühr von Euro 300,– (bei Anerkennung einer Klage auch durch die Berufungsinstanz) ist hier sicherlich tragbar. Auch die höheren Kosten für psychologische Gutachter zur Erhellung einer Eheunfähigkeit sind vertretbar (wenn man sie z.B. daran misst, was hierzulande ausgegeben wird für ein Smartphone, für einen Fernseher oder für Unterhalt und Reparatur eines Autos).
Bei unseren Offizialaten kann man die Gebühren ohne Weiteres in Raten begleichen oder – wenn man tatsächliche Bedürftigkeit belegt – völlig erlassen bekommen.
Wer nicht (auf eigene Kosten) einen kirchenrechtlichen Anwalt beauftragen will, der im Verfahren als Prozessbeistand mitwirkt (eine Anwaltspflicht besteht bei den deutschen Offizialaten aber nicht), kann sich in jedem Fall kostenfrei im Offizialat beraten lassen, ob es sinnvoll ist, einen Eheprozess einzuleiten. Auch bei der Abfassung einer Klageschrift ist das Offizialat behilflich. Niemand muss also beim Eheprozess sozusagen ins kalte Wasser springen.