Erfahrung aus Rio de Janeiro
Erfahrungen, die nachhallen
Eindrücke eines besonderen Aufenthalts in Rio de Janeiro
„Abundância“ – wohl kein Begriff kann meinen Aufenthalt in Rio de Janeiro besser zusammenfassen als dieses portugiesische Wort, welches sich nur annähernd mit „Fülle“, „Überfluss“ oder „ Reichtum“ übersetzen lässt. Denn obwohl ich mich insgesamt nur eine Woche in Rio de Janeiro aufhalten konnte, durfte ich auf so viele Weise diese Fülle erfahren.
Ein Erstes ist die Fülle der neuen Eindrücke, die mich erwarteten – und zwar von der ersten Sekunde an, als ich das – klimatisierte – Terminal verließ: Gestartet in Hamburg bei –5 °C, wurde ich in Rio von tropischen 32 °C empfangen. Weiter ging es während der Fahrt zu der Pfarrei Santo André, in der ich unterkommen durfte: Dachte ich bis dahin, durch meine Aufenthalte in Rom, Berlin oder Madrid eigentlich gut mit Großstädten vertraut zu sein, wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Rio mit seinen fast sieben Millionen Einwohnern war so ganz anders als alle Ballungsräume, die ich zuvor kennengelernt hatte: Laut, chaotisch, immer kurz vor dem Verkehrsinfarkt; aber eben auch vielfältig, wunderschön und beeindruckend – kurz: auf eine eigentümliche Weise unglaublich faszinierend.
In der Pfarrei Santo André, die mitten in mehreren Favelas lag, durfte ich dann in den kommenden Tagen – zweitens – eine Vielzahl neuer Erfahrungen machen; sei es die Begleitung des Pfarrers bei seinen pastoralen Einsätzen, die Feier des Silvesterabends bei Familien in den Favelas oder der Besuch der touristisch geprägten Küste Rios – alles wunderbare Augenblicke, für die ich nur dankbar sein kann.
Doch sind es besonders die Momente, die so widersprüchlich sind wie diese Stadt selbst, die mich nachdenklich machten und mich mit nach Deutschland begleiten: Etwa das Miterleben der Vorbereitungen auf das Silvesterfest in den Favelas, die von einem Gemeinschaftsgeist und einer Lebendigkeit geprägt waren, die ich in Deutschland so noch nie erlebt hatte – und die doch in einer von großer Armut und rivalisierenden Drogenkartellen geprägten Umgebung stattfanden. Oder der Besuch der weltberühmten Statue Cristo Redentor, verbunden mit einem atemberaubenden Panorama von ganz Rio; nur um danach erfahren zu müssen, dass der allergrößte Teil der Stadt diese Statue noch nie sehen durfte – der Zugang ist kostenpflichtig.
Es ist also gerade das Faktum, dass ich meine Eindrücke nicht einfach systematisieren, einsortieren und so „erledigen“ kann, sondern ich Abundância erfahren durfte und so Widersprüche, Ungereimtheiten und Fragen offenbleiben, die diese Zeit in Rio so besonders gemacht haben. So wird diese Erfahrung bleiben und nachhallen – und ich kann mich nur herzlich bei all jenen bedanken, die sie mir ermöglicht haben!