Zum Inhalt springen
Service

Geschichte der Kirchensteuer

Geschichte der Kirchensteuer: Vom Zehnt zur Kirchensteuergesetz

Mittelalter, 9. Jahrhundert

Der Ursprung der Kirchensteuer liegt im Mittelalter. Sie hieß damals noch nicht Steuer, sondern "Zehnt". Jeder Grundbesitzer musste nämlich den zehnten Teil seines Ertrages an Vieh, Getreide, Feldfrüchten und anderen Dingen wie Butter oder Wein an seinen kirchlichen Landesherrn abgeben. Spätestens seit der Zeit Karls des Großen (9. Jahrhundert) galt diese Pflicht für alle weltlichen und geistlichen Grundbesitzer, also beispielsweise auch für die Klöster.

Der "Zehnt" war ein wichtiger Teil der Einnahmen der Kirche zur Finanzierung ihrer Aufgaben. Die Verwendung des "Zehnten" war sehr genau vorgeschrieben. Einen Teil erhielten die Geistlichen, ein anderer Teil musste für die Unterstützung der Armen verwendet werden. Ab dem 13. Jahrhundert konnte die "Zehntpflicht" auch durch Geld beglichen werden.

Französische Revolution, 1789

Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Kirchensteuer war die Französische Revolution von 1789. In diesem Jahr beschloss die Französische Nationalversammlung, den kirchlichen Zehnten in Frankreich abzuschaffen. Zugleich wurde das gesamte Kirchengut zu Staatseigentum erklärt. Diese Beschlüsse hatten Folgen, denn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auch in allen anderen europäischen Staaten die "Zehntpflicht" abgeschafft. Der Kirche fehlte damit eine jahrhundertealte Einnahmequelle.

Säkularisation, 1803

Wenn Güter, die kirchlichen Eigentümern gehören oder für kirchliche Zwecke bestimmt sind, vom Staat zu weltlichen Zwecken eingezogen oder genutzt werden, so nennt man dies "Säkularisation". Auslöser der großen Säkularisation von 1803 in Deutschland war der "Erste Koalitionskrieg", den Österreich und Preußen gegen Napoleon führten. Im Friedensvertrag von Lunéville von 1801 mussten die französisch besetzten linkshreinischen Gebiete, darunter auch das Erzbistum Köln, an Frankreich abgetreten werden. Für ihre linksrheinischen Verluste sollten die deutschen Fürsten durch rechtsrheinische geistliche Gebiete und Reichsstädte entschädigt werden. Später wurden auch solche Fürsten bedacht, die keine Gebiete links des Rheins verloren hatten. Dieser Entschädigungsplan wurde von einer Abordnung des Reiches am 25. Februar 1803 in Regensburg angenommen und vom Kaiser bestätigt – der sogenannte "Reichsdeputationshauptschluss". Durch diesen Beschluss verschwanden fast alle geistlichen Fürstentümer und Reichsstädte von der Landkarte. Alle Güter der Domkapitel und bischöflichen Herrschaftsgebiete gingen an weltliche Herren über. Außerdem wurden nahezu alle Klöster aufgehoben. Der wichtige Paragraph 35 des Beschlusses bestimmte, dass die Landesherren über den Besitz der Kirche "frei und voll" verfügen konnten. Allerdings mussten sie die Domkirchen "fest und bleibend" ausstatten und die "Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit" finanzieren. Das eingezogene Gut sollte für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Denn auch kirchliche Bildungseinrichtungen wie Gymnasien und Universitäten unterstanden nach 1803 den weltlichen Regierungen.

Der Verlust der katholischen Kirche betrug 4 Erzbistümer, 18 Bistümer, etwa 80 Abteien und Stifte und über 200 Klöster. Gut 1800 Quadratmeilen Land mit über 3,1 Millionen Einwohnern wechselten die Besitzer, außerdem fehlten der katholischen Kirche von nun an ihre Jahreseinnahmen von mehr als 21 Millionen Gulden. Die Kirche hatte damit ihre organisatorische Eigenständigkeit und wirtschaftliche Existenzgrundlage verloren.

Nach diesen erheblichen Umwälzungen musste sich deutsche Kirche also neu organisieren. Dies geschah zunächst durch Vereinbarungen des Papstes mit den einzelnen deutschen Staaten – ein Deutschland im heutigen Sinne gab es ja zu dieser Zeit noch nicht! Ein wichtiges Ziel war, die Kirche von der staatlichen Lenkung zu befreien.

Durch die Säkularisation von 1803 waren viele katholische Gebiete unter protestantische Herrschaft gekommen. Ihren Verpflichtungen zur finanziellen Unterstützung der Kirche kamen die Länder nur unzureichend nach. Außerdem wuchs die Bevölkerung rasch an, und immer mehr Menschen zogen vom Land in rasch wachsende Industriegebiete wie Berlin oder das Ruhrgebiet. Einheitliche katholische oder evangelische Gebiete wurden immer seltener. Damit waren die "konfessionellen Gemeinden" nicht mehr identisch mit den "politischen Gemeinden", die noch in den Jahrhunderten zuvor für "ihre" Kirche aufgekommen waren. Durch diese Veränderungen wurden die Einnahmen der Kirche immer geringer und die Finanzierung ihrer Aufgaben immer schwieriger. Deshalb erschien die Erhebung einer Kirchensteuer als sinnvolle und gerechte Lösung.

Die ersten Länder, die das Kirchensteuerwesen gesetzlich regelten, waren das

  • Fürstentum Lippe (1827),
  • das Großherzogtum Oldenburg (1831),
  • das Herzogtum Sachsen-Altenburg (1837) und
  • das Königreich Sachsen (1838).

Weitere Länder und Staaten folgten, und es entstand eine Vielzahl von Kirchensteuergesetzen.

Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 war das Kirchensteuerrecht in den Ländern einigermaßen einheitlich. Es lehnte sich an staatliche Steuern wie Einkommen-, Vermögen- und Gewerbesteuern an und stand ganz unter staatlicher Kontrolle. Es konnte nur dann angewendet werden, wenn die eigenen Einkünfte der Kirche aus Spenden und Vermögenserträgen nicht ausreichten.

Weimarer Zeit, 1919

Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Kirchensteuerrecht in Deutschland grundlegend vereinheitlicht. In der Weimarer Reichsverfassung von 1919 bekam die Kirchensteuer ihre rechtliche Grundlage. Zunächst bekräftigte die neue Verfassung die Trennung von Kirche und Staat. Der Staat hatte kein Recht mehr, der Kirche in ihre inneren Angelegenheiten hineinzureden. Die Religionsgemeinschaften wurden anerkannt als "Körperschaften des öffentlichen Rechts". Sie waren damit berechtigt, Abgaben von ihren Mitgliedern in Form von Steuern zu erheben. Die Länder wurden verpflichtet, den Kirchen bei der Einziehung "Amtshilfe" zu leisten, und mussten deshalb Gesetze erlassen, um dafür die rechtlichen Grundlagen zu schaffen.

NS-Zeit, 1933

Eine schlimme Zeit für die Kirchen bedeutete der Nationalsozialismus von 1933 bis 1945. Die diktatorischen Machthaber versuchten, mit einer Fülle von Gesetzen, Erlassen, Verordnungen und öffentlichen Verleumdungen das kirchliche Leben einzuengen und unter ihre Kontrolle zu bringen. So wurden die meisten kirchlichen Organisationen und Verbände aufgehoben, christliche Vereine wurden verboten. Die finanziellen Mittel der Kirchen wurden beschränkt, um ihnen die wirtschaftliche Grundlage ihrer Arbeit zu entziehen. 1939 wurden die Länder von ihrer Pflicht entbunden, den Kirchen bei der Erhebung der Kirchensteuer zu helfen. Deshalb mussten die Kirchen in den folgenden Jahren eigene "Kirchensteuerämter" einrichten und selbst für die Erhebung der Kirchensteuer sorgen.

Ende des 2. Weltkrieges, 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurden der Kirche die alten Rechte der Weimarer Republik wieder zugebilligt. Die Artikel 136 bis 139 und der Artikel 141 der Weimarer Reichsverfassung wurden 1949 unverändert in den Artikel 140 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland übernommen.

Ebenso wie in der Weimarer Verfassung wurden die Bundesländer verpflichtet, den Kirchen bei der Steuererhebung Amtshilfe zu leisten. Deshalb erließen sie in den folgenden Jahrzehnten Gesetze zur Erhebung und Verwaltung der Kirchensteuern, z. B. Niedersachsen 1948, Rheinland-Pfalz und Hessen 1950, Bayern 1954, Nordrhein-Westfalen 1955.

Wiedervereinigung, 1990

1990 entschieden sich die Kirchen der ehemaligen DDR, die im Grundgesetz festgelegte Möglichkeit zur Kirchensteuererhebung zu übernehmen. Daraufhin wurde das Kirchensteuergesetz in den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 aufgenommen. Seitdem gilt in ganz Deutschland ein einheitliches Kirchensteuerrecht.