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Das Erzbistum im Aufbruch in die Neuzeit (1801-1900)

Die Erschütterung Europas durch die Französische Revolution

Die Französische Revolution war von weltgeschichtlicher Bedeutung und Ausgangspunkt eines neuen Zeitalters. Im Zeitalter des Absolutismus, geprägt durch die Aufklärung, vermehrten sich gesellschaftliche Spannungen, u.a. die Gegensätze zwischen Adel und dem Bauerntum, auch das Bürgertum strebte nach politischen Rechten, die Arbeiterschaft spielte keine tragende Rolle.

Der Adel verteidigte trotz einer hohen Staatsverschuldung seine finanziellen und politischen Vorrechte und löste durch seine reaktionäre Haltung die Französische Revolution aus. Im Mai 1789 versammelten sich die Generalstände und die Vertreter des Dritten Standes erklärten sich zur Verfassunggebenden Nationalversammlung. Man forderte eine neue Verfassung und einen neuen Staat mit einer Gewaltenteilung im Sinne der Aufklärung. Es kam zum Sturm auf die Bastille, Aufhebung der Privilegien des Adels und des Klerus, Sturz des Königtums etc. Mit der Erklärung der Menschenrechte 1789, Freiheit und Gleichheit für alle, kam es zum großen Umbruch in nahezu allen Lebensbereichen.

Die Monarchien Europas fühlten sich durch diese Entwicklungen bedroht und stellten sich der Französischen Revolution entgegen, was zu den berühmten Revolutionskriegen führte. Staaten verbündeten sich, der Krieg begann im April 1792. Im Oktober 1794 drangen die französischen Revolutionstruppen in Köln, Bonn, Kleve und Koblenz ein, nachdem sie ein Jahr zuvor schon Main, Aachen und die südlichen Niederlande erobert hatten.

Auswirkungen auf die kirchlichen Verhältnisse

Seit Jahrhunderten sah Frankreich den Rhein als natürliche Grenze des eigenen Landes und wollte die jetzt eroberten Gebiete auch nicht aufgeben trotz vieler Kriege. Bis 1814 dauerte die Herrschaft der Franzosen in den linksrheinischen Gebieten. Auch das Erzbistum und Kurfürstentum Köln war davon betroffen. Französische Emigranten berichteten, dass in Frankreich Kirchengüter staatliches Eigentum und viele Orden aufgelöst wurden, d.h. die Kirchen waren Einrichtungen des Staates. Der letzte Kurfürst-Erzbischof von Köln, Max Franz von Österreich floh aus Bonn. Er bestellte Vikariatsverwalter, verlegte die kurkölnische Regierung nach Recklinghausen und brachte die Archive, die Bibliothek, den Domschatz mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige nach Arnsberg.

Den Kölnern wurde von den Franzosen das Beibehalten der Gesetze, Gebräuche und Ausüben der Religion versprochen. Doch zunehmend wurden die in Frankreich geltenden Gesetze und Dekrete auf die annektierten Gebiete übertragen. Es wurden vier Departements geschaffen und Aachen wurde das Zentrum der neuen Verwaltungsorganisation. Die kirchlichen Güter wurden französisches Nationaleigentum, selbst der Dom war zeitweise Heeresmagazin und Gefangenenlager. Der ehemals privilegierte Klerus litt ganz besonders unter den Kontributionen.

Ab 1797 wurden Prozessionen, öffentliches Beten, die Begleitung eines Begräbnisses durch einen Geistlichen in liturgischer Kleidung und selbst die mitternächtliche Christmette in Köln verboten. Dies wurde möglich, da Preußen aus der Koalition ausschied und auch Österreich erhebliche Zugeständnisse an Frankreich machte. Nach dem zweiten Koalitionskrieg (1798 - 1802) wurden die linksrheinische Gebiete staats- und verfassungsrechtlich zum Bestandteil der Französischen Republik erklärt.

Die Gründung des Bistums Aachen und das Ende des alten Erzbistums Köln

Napoleon wußte, dass die Kirche immer noch einen großen Platz im Herzen vieler Menschen hatte. Er signalisierte dem Papst Versöhnungswillen zwischen Kirche und Staat, mit dem Ziel, die Kirche für seine Zwecke zu nutzen. Der Papst erlangte die eingeschränkte Hoheit über die Kirche in Frankreich zurück. 1801 wurde das Bistum Aachen gegründet. Marc Antoine Berdolet, ein Anhänger Napoleons, wurde Bischof über das große linksrheinische Bistum. Er war ein gewissenhafter Hirte und erlangte Ansehen in seinem Bistum, u.a. auch durch sein anspruchsloses und frommes Leben. Für das alte Erzbistum Köln bedeuteten die Entwicklungen des Jahres 1801 das Ende.

Die kirchenfeindlichen Maßnahmen, insbesondere die Einziehung der Kirchengüter durch den Staat, bildeten ein wesentliches Element der Französischen Revolution. Durch den Konsularbeschluss vom 9.6.1802 wurden alle geistlichen Institutionen aufgehoben, ihr Besitz zu Staatseigentum erklärt, bis auf die Bistümer, Pfarreien, Domkapitel und Priesterseminare. Auch das Kölner Domstift wurde säkularisiert, weil Köln kein Bischofssitz mehr war. Geistliche Einrichtungen, die sich der Erziehung oder Krankenpflege widmeten waren von den Suppressionsmaßnahmen ausgenommen, es blieben sechs Ordensgemeinschaften bestehen. Die Säkularisation der rechtsrheinischen Teile des alten Erzbistums Köln wurde zwischen 1803 und 1806 durchgeführt. Die Entmachtung der Kirche weckte auch positive Kräfte, das religiöse Leben erstarkte, die moralische Autorität der Bischöfe und des Papstes wuchs.

Erzbistum und die Kirchenprovinz Köln nach 1821

Die ersten Jahre unter preußischer Herrschaft und die Wiedererrichtung des Erzbistums Köln 

Der Wiener Kongress sprach 1815 die Rheinlande dem Königreich Preußen zu, bei den Gebietszuteilungen wurden die französischen Einheiten nicht respektiert. 1822 bestand die Rheinprovinz aus fünf Regierungsbezirken, Sitz des Oberpräsidenten war Koblenz. Nach 1815 bereitete Berlin Maßnahmen vor, um die preußischen Gesetze im Rheinland einzuführen. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen versprach u.a. die Religion zu schützen und die Amtsträger in ihrer Würde zu stützen.

Die 1818 in Bonn gegründete Universität bekam eine katholisch-theologische Fakultät, 1821 wurde die Wiedererrichtung des Erzbistums Köln beschlossen. Es war zwar mit 686 Pfarreien wesentlich kleiner als früher, diese lagen aber im Staat Preußen, später sogar in einer Provinz. Die Beschaffung von Wohnungen für Erzbischof und Domkapitel und die finanzielle Absicherung des Priesterseminars wurde geregelt. Das Bistum Aachen bestand nach nur 23 Jahren nicht mehr und das Erzbistum Köln knüpfte im neuen Zeitalter an alte Traditionen wieder an.

 

Ferdinand August Graf Spiegel (1825 - 1835) und die Neueinrichtung des Erzbistums Köln

Durch zähe Kleinarbeit und energisches Auftreten bei den Staatsbehörden gelang es Erzbischof Spiegel, die Erzdiözese vorzüglich zu ordnen und zu verwalten, die notwendigen Strukturen und Institute zu schaffen und den Klerus zu gewinnen und zu formen. Spiegel war durch die Aufklärung geprägt, er hat trotz der unterschiedlichen Herrschaftsstrukturen durchgängig achtenswerte kirchliche Stellungen und erwies sich als nützlicher kirchlicher Verhandlungspartner.

Schon vor seiner Ernennung und Einführung (1824 bzw. 1825) handelte er mit Berlin tragfähige Lebensbedingungen für das Erzbistum Köln aus. Es ging um die Einrichtung des Domkapitels, des Generalvikariat, den Einfluss auf die katholisch-theologische Fakultät in Bonn und um die ersten Stellenbesetzungen. Die von ihm aufgebauten Verwaltungsstrukturen (z.B. die Dekanatseinteilung) prägen das Erzbistum bis heute.

Ungelöste Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, dass die Lehren und Schriften des Dogmatikers Georg Hermes (1775 - 1831), der von Erzbischof Spiegel in das Kölner Domkapitel befördert wurde, vom Papst verurteilt wurden. Hermes war bei Kollegen, Schülern und Priestern der angesehenste und einflussreichste Lehrer und die Bekämpfung seiner Schriften führte zu öffentlicher Unruhe und einem Konflikt zwischen Spiegels Nachfolger und dem preußischen Staat.

Ein weiterer Konflikt war die Mischehenfrage. In Preußen wurden Kinder grundsätzlich in der Konfession des Vaters erzogen. Papst Pius VIII. befreite von der "Formpflicht", d.h. auch evangelisch geschlossene Ehen ohne große liturgische Feierlichkeiten, waren gültig und es gab keine Verpflichtung zur katholischen Kindererziehung. Das entsprach nicht den preußischen Vorstellungen. Spiegel gab kurz vor seinem Tod dem staatlichen Druck nach in Form einer Geheimkonvention nach, wurde dabei aber auch mit falschen Angaben über die Absicht des Papstes hinters Licht geführt. Es war abzusehen, dass die Mischehenpraxis zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat führte.

Clemens August Freiherr Droste zu Vischering und die "Kölner Wirren"

Der fromme, kontaktarme und undiplomatische Nachfolger Spiegels (1836 - 1845) brachte für die sich anbahnenden Konflikte ungünstige Voraussetzungen mit, und die misstrauischen Staatsbehörden vermehrten das Konfliktpotential. Droste wurde in Münster geistig und religiös geprägt, Ein Kreis aus philosophisch, pädagogisch und religiös geprägten Persönlichkeiten suchte einen Weg aus der Aufklärung in die neue kirchliche Zukunft. Mit 18 war Droste Domherr, mit 25 Priester, mit 34 Jahren Kapitularvikar und leitete als solcher unter den mehrfach wechselnden politischen Obrigkeiten bis 1820 das Bistum Münster.

Er distanzierte sich von der Aufklärung und hielt den Dogmatiker Hermes für unkirchlich. Sein Eingreifen in die Universität belastete seine Beziehungen zu den preußischen Staatsbehörden und Droste entwickelte Vorstellungen von der Zweckmäßigkeit einer Trennung von Kirche und Staat. Nur durch Unterstützung des Kronprinzen, der sein soziales Engagement schätzte, dem späteren König Friedrich Wilhelm IV. wurde Droste als Kandidat zum Erzbischof vorgeschlagen. Vorher ließ man ihn geheim nach seiner Einstellung zur Mischehe befragen, wobei es unwahrscheinlich ist, dass den Text der Konvention überhaupt kannte. Droste konnte keine Vertrauensverhältnis zu Generalvikar, Domkapitel und Seminarvorstand aufbauen und sein Vorgehen gegen den Hermesianismus führte zu Störungen des Lehrbetriebes und der inneren Disziplin.

Die Kölner Wirren

1837 wurde Droste durch die preußische Regierung verhaftet, da er nicht bereit war, in strittigen Fragen nach zu geben oder zurück zu treten. Auf Grund dieser Gefangennahme solidarisierten sich die rheinischen und deutschen Katholiken mit ihm. Das Domkapitel übernahm durch Beeinflussung des Staates kurz die Diözesanverwaltung, musste aber nach einer Rüge von Papst Gregor XVI. dies wieder dem Generalvikar Drostes überlassen. Der Publizist Joseph Görres hielt durch eine Kampfschrift dem Staat die Mängel und die unrechtmäßigen Eingriffe in die Kirchenpolitik vor. Diese Wirren weckten das Selbstbewusstsein der Katholiken, die das Staatsgebahren vor der Weltöffentlichkeit lächerlich machten.

Um diese Situation zu beenden, gaben die Preußen in allen wichtigen Punkten nach: die Korrespondenz zwischen Papst und Bischöfen ging nicht mehr über die Regierung, sie mischte sich nicht mehr in die Mischehenfrage ein, verringerte ihren Einfluss bei der Bischofswahl und verzichtete auf die Genehmigung kirchlicher Erlasse. Trotzdem durfte Droste nicht mehr nach Köln zurück kehren. 1841 wurde der Bischof von Speyer, Johannes von Geissel zum Koadjutor und Nachfolger Drostes bestellt. Dieser erreichte, dass die Bonner Theologieprofessoren ihre Lehrtätigkeit nur mit Genehmigung des Erzbischofs von Köln antreten durften und ggf. wieder beenden mussten.

Droste widersetzte sich erfolglos gegen den Verzicht auf jede Amtstätigkeit in Köln, starb zurückgezogen 1845 in Münster und wurde im dortigen Dom beigesetzt. Durch sein Wirken besaß die katholische Kirche die größte Freiheit im Gegensatz zu allen anderen deutschen Staaten, 1848 kam es zu einer Verfassung, die die Kirchenfreiheit garantierte.

Johannes von Geissel, der erste Kölner Kardinal

Johannes von Geissel (1842/45 - 1864) wurde im Mainzer Priesterseminar, das für den Anschluss an die scholastische Tradition der Vergangenheit bei enger Anlehnung an das Papsttum und straffer Kirchendisziplin eintrat, ausgebildet und geprägt. Die Mainzer Schule hatte erheblichen Einfluss auf die deutschen Kirchenverhältnisse und ebnete den Weg Roms für das I. Vatikanische Konzil.

Geissel machte u.a. als junger Domkapitular und Schulreferent Karriere, der König nominierte ihn zum Bischof von Speyer und verlieh im 1839 das Adelsprädikat. Geissel trat schon früh für die Kirchenfreiheit, die strenge Disziplin im Klerus und für die bischöfliche Autorität ein. Mit wenigen Beratern prägte er so die Kölner Erzdiözese im römischen Sinne.

Der aufgenommene und fast vollendete Bau des Kölner Doms war ebenso Ausdruck des äußeren Einvernehmens zwischen Staat und Kirche, wie auch der Stärke des Selbst- und Freiheitsbewusstseins der rheinischen und deutschen Katholiken. Geissel förderte die Erneuerung des kirchlichen Lebens und durch die Berufung des Dogmatikers Dieringer eine Wende des Hermesianismus an der theologischen Fakultät in Bonn. Er setzte sich auch für das von Laien getragene Vereinswesen ein, wie Ordensgründungen und die Anfänge ersten Gesellenvereine Adolph Kolpings.

Auf Geissels Initiative hin trat 1848 die erste deutsche Bischofskonferenz unter seinem Vorsitz zusammen mit dem Ziel, die Freiheiten der Kirche voll aus zu schöpfen. Eine Denkschrift mit den kirchenpolitischen Ansprüchen wurde allen deutschen Regierungen zugeleitet. Die Freiheitsbewegung erhielt dadurch die notwendige Geschlossenheit und Autorität. Die römische Kurie befürchtete während dessen sich von Rom entfernende Tendenzen. Trotz dieser freiheitlichen Bestrebungen war Geissel ihr schärfster Gegner und Unterdrücker, was die "hermesianischen Pfarrer" und die innerkirchliche Freiheiten fordernden Priester unerbittlich zu spüren bekamen.

Geissel wollte durch Exerzitien und römische Frömmigkeitsformen das religiöse Leben der Gläubigen erneuern. Nach dem Vorbild des Collegium Germanicum der Jesuiten in Rom besetzte er offene Stellen im Kölner Priesterseminar. Der Papst erhob 1850 Geissel zum Kardinal und Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm 1855 den preußischen Adelstitel. Das Kölner Provinzialkonzil, mit den sich versammelnden Bischöfen aus dem nordwestlichen Deutschland, machte seine römischen Vorstellungen deutlich und leistete durch eine dogmatische Konstitution die Vorarbeit zum Ersten Vatikanischen Konzil.

Trotz seiner herausragenden Gestalt fehlte es Geissel an der Fähigkeit, Menschen zutreffend ein zu schätzen und ihnen persönlich zu begegnen. Bei seinem Tod 1864 waren Klerus und Domkapitel in Gefolgsleute und Gegner gespalten, was zu einem zerstörerischen Kampf um seine Nachfolge führte.

Paulus Melchers, das I. Vatikanische Konzil und der Kulturkampf

Paulus Melchers (1866 - 1885) wandte sich in seiner Ausbildung erst der Jurisprudenz zu, erwog aber schon als Gymnasiast den Gedanken ein den geistlichen Stand. Ab 1839 studierte er in München Theologie, suchte den Kontakt zu Kanonisten und erwarb eine aszetisch-strenge Lebensführung. Melchers stieg rasch im Bistum Münster auf, wurde u.a. Regens des Priesterseminars, Generalvikar und später Domkapitular. Er erwarb sich den Respekt der preußischen Staatsbehörden und wurde 1857 Bischof vom wieder errichteten Bistum Osnabrück. Schon früh hatte er Interesse an Mystik, als Bischof verstand er sich eher als Seelsorger und legte Wert auf Volksmissionen und traditionelle Frömmigkeitsformen. Seine Ernennung zum Erzbischof von Köln durch den Papst 1866 war ein Kompromiss im Streit der Kapitelsfraktionen.

Melchers übernahm den Generalvikar und den Mitarbeiterstab seines Vorgängers, blieb aber seiner pastoralen Linie treu. Während seiner 10-jährigen Amtszeit besuchte er fast alle 800 Pfarreien des Erzbistums. Für weitere pastorale Initiativen hatte er durch die Folgen des Ersten Vatikanischen Konzils 1869/70 und dem anschließenden Kulturkampf des preußischen Staates gegen die katholische Kirche keine Zeit. Durch die Führungsrolle im deutschen Episkopat und als langjähriger Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz bedeutete Melchers in diesem kritischen Jahrzehnt Kontinuität. Für seine Überzeugungstreue wie für seine kirchliche Loyalität spricht, dass er als einer der ersten deutschen Bischöfe die Konzilsentscheidungen seiner Diözese verkündete und die Verfassung eines Hirtenbriefes veranlasste, der die Unruhe unter den Gläubigen zum Abklingen bringen sollte.

Melchers musste erleben, dass die sich wegen der vatikanischen Beschlüsse von der katholischen Kirche lösenden "Altkatholiken" im Erzbistum Köln ihre führenden Köpfe fanden. Ein Kölner Priester wurde Bischof der sich in Bonn formierenden altkatholischen Kirche. Es ist zweifelhaft, ob Melchers durch weniger energisches Vorgehen andere Bonner Professoren von der Entfernung von der Kirche hätte abhalten können.

Der Kulturkampf

Auf politischer Ebene kam es zum "Kulturkampf", durch ein System von Gesetzen beschnitt der Staat die Freiheiten und Rechte der Kirche. Bischöfe des Kölner Erzbistums, die Widerstand leisteten wurden mit Geld- und Gefängnisstrafen belegt. Melchers war als Erzbischof in diesen bischöflichen Abwehrkampf involviert. Er selbst bekam hohe Geldstrafen, sein Vermögen wurde gepfändet. Seine Gefangennahme für 6 Monate und Abführung in die königliche Strafanstalt war ein Fanal für die rheinischen Katholiken.

Als Melchers die staatliche Inspektion des Kölner Priesterseminars verweigert, wurde dieses geschlossen, er zur Amtsniederlegung aufgefordert. Er entzog sich dann durch Emigration in die Niederlande dem staatlichen Zugriff. Es kam zu einem staatlichen Absetzungsverfahren, was innerkirchlich nicht rechtsgültig anerkannt wurde. In seinem Exil suchte Melchers sein Seelsorgeramt weiter wahr zunehmen. Unter Pseudonym verfasste er Schriften zu kirchenpolitischen und geistlichen Fragen und nahm inkognito seine Funktion als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz wahr. Durch den Widerstand der deutschen Katholiken im Kulturkampf und der dadurch belastenden Situation für den Staat, bot Bismarck als Kompromiss eine mildere Anwendung der Gesetze an, womit Melchers keinesfalls einverstanden war.

Er war dadurch als Erzbischof von Köln für den Staat nicht mehr annehmbar und wurde vom Papst zum Kurienkardinal ernannt. Der preußische Staat zahlt ihm bis zu seinem Tod 1895 eine Apanage. Wegen seiner Kränklichkeit konnte er in Rom keine nennenswerte Tätigkeit mehr ausüben und trat in den Franziskanerorden ein. Mit staatlicher Genehmigung wurde sein Leichnam im Kölner Dom beigesetzt, was ein Symbol für den Weg zum Frieden und den Friedensgesetzen von 1886/1887 der Staat-Kirche-Beziehungen war.

Philippus Krementz und der kirchliche Neuanfang im wilhelminischen Kaiserreich

Auf den 1885 ernannten Bischof von Ermland, Philippus Krementz, wartete eine Fülle von Aufgaben. Durch den Kulturkampf war die Verwaltung des Erzbistums zum Stillstand gekommen, es wurden keine Gehälter gezahlt, Pfarreien hatten keine Pfarrer, es gab keine Priesterausbildung mehr. Dies hätte einen jungen, leistungsfähigen Erzbischof erfordert. In der Regel wurden aber Bischöfe ernannt, die schon anderorts zu hohem Ansehen gekommen sind, d.h. entsprechend alt waren. Krementz, 65 Jahre alt, wollte sich schon ganz zurückziehen, als er zum Erzbischof und auch zum Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz ernannt wurde. Er war Rheinländer, studierte in Bonn und wurde 1842 zum Priester geweiht. U.a. wirkte er 21 Jahre an der angesehenen Pfarrstelle St. Kastor in Koblenz. Er gewann Ansehen und Einfluss, selbst bei den führenden Schichten und den preußischen Behörden, durch seine Predigten, sein sozial-karitatives Wirken und seine konzilianten Umgangsformen. 1867 wurde er zum Bischof von Ermland gewählt.

Auch Krementz´ Tätigkeit wurde durch Konzil und Kulturkampf geprägt. Bis 1870 lehnte er die Konzilentscheidung ab und zweifelte an deren Gültigkeit. Später hatte er Schwierigkeiten, die Professoren seiner Hochschule in Braunsberg für die Konzilsentscheidungen zu gewinnen. Die Exkommunikation eines Religionslehrers führte zum Konflikt mit dem Staat. Krementz lehnte die Maigesetze aber, wurde mit Geldstrafen belegt, das Absetzungsverfahren und Gefängnisstrafen blieben ihm durch den Einfluß der Kaiserin Augusta erspart. Und er überstand die Kulturkampfjahre fast unbehelligt. 1885 wurde Krementz inthronisiert mit einer Glaubenskundgebung einem Freudenfest der rheinischen Katholiken.  

Die preußischen Behörden waren entsetzt, dass sich Krementz von Melchers und seinen Vertrauensleuten in Personalfragen beraten ließ. Es wurde zwei Weihbischöfe zur Entlastung eingestellt. Auf seinen Firmungs- und Visitationsreisen fand Krementz begeisterte Aufnahme und Verehrung der Gläubigen. Trotz beträchtlicher finanzieller Schwierigkeiten konnte er im Rahmen der Neuordnung der Seelsorge vakante Pfarrstellen besetzen und 62 weitere Pfarreien errichten.

1886 wurde das Kölner Priesterseminar wieder eröffnet und es gelang ihm in Bonn eine wissenschaftlich qualifizierte kirchliche Mehrheit gegenüber den Altkatholiken unter den Professoren einzurichten. Es sollte keine universitäre Einrichtung sein, sondern ein unter erzbischöflicher Leitung und Aufsicht stehendes Konvikt, das 1892 als Collegium Albertinum erbaut wurde. Neben der Pfarrseelsorge gehörte dem katholischen Vereinswesen die Sorge und Anteilnahme des Erzbischofs. Er ging davon aus, dass die katholischen Massenorganisationen und die Zentrumspartei für die Durchsetzung kirchlicher Interessen geeignet seien.

Die Leitung der Fuldaer Bischofskonferenz mit seiner großen Korrespondenz war eine große Belastung für den alternden Erzbischof. In der Aufarbeitung der Kulturkampffolgen, der Auseinandersetzung mit dem Staat um Volksschule und Religionsunterricht gab es keine einheitliche Meinung. Trotz seiner konsequenten Haltung wurde Krementz 1893 zum Kardinal erhoben. Krementz war gesundheitlich schon ein gebrochener Mann und überließ schwierige Verhandlungen seinem Konkurrenten und späteren Nachfolger Kopp. Die letzten eineinhalb Jahre blieb Krementz an sein Haus gefesselt und geriet in endzeitliche Spekulationen. Sein Tod 1899 und sein Begräbnis machten sein Ansehen bei den einfachen Menschen, aber auch in der größeren Öffentlichkeit deutlich.

Bistumsorganisation und kirchliches Leben

1825 hatte Erzbischof Spiegel die Verwaltung der Erzdiözese organisiert, vor allem die zentralen Behörden. Es musste prüfen, wo Altes aktiviert, mit neuen Aufgaben belegt oder ganz neu organisiert werden sollte. Historisch ist interessant, wo sich die neuen Formen bewährt, bzw. sich den Veränderungen angepasst haben.

Domkapitel

Das Domkapitel als mächtigstes Gremium bildete zuvor den ersten weltlichen Stand im Kurkölner Territorialstaat, wurde dann eine Art Senat des Erzbischofs für rein kirchliche Angelegenheiten. Es bestand aus zwei Dignitären, dem Domprobst, dem Domdechanten, Kanonikern, Ehrenkanonikern und Domvikaren. Aus ihren Reihen wurden die engsten Mitarbeiter ernannt: der Weihbischof, der Generalvikar und der Offizial. Es hatte das Recht der Bischofswahl, wobei bis 1900 kein einziger Erzbischof aus einer freien Wahl hervorging. Seine Mitglieder wurden teils vom Erzbischof, teils vom Papst nominiert, was zur Spaltung in zwei Parteien führte, einer regierungsfreundlichen und einer ultramontane (romtreue) Fraktion.

Schon das erste Domkapitel brachte dem Erzbischof keine Entlastung, zeitweise wurde es wegen des Verdachts des Hermesianismus vollkommen ausgeschaltet. In der Öffentlichkeit hatte es eine schlechte Presse, brachte sich bei der Wahl des Nachfolgers für Geissel in unwürdiger Weise um die Ausübung des Wahlrechtes. Bis 1886 gab es von 16 nur noch sechs Domherren. Die Neubesetzungen nach dem Kulturkampf beendeten die Spaltung des Domkapitels und förderten sein Ansehen.

Weihbischof

Nach der Entbindung von ihren politischen Aufgaben als Reichsfürsten konnten sich die Kölner Erzbischöfe intensiver ihren kirchlichen Pflichten widmen. Vor 1802 besaß der Weihbischof noch die Generalvollmacht für die Angelegenheiten des Weiherechts. Danach behielt sich der Erzbischof die Entscheidungen vor und erteilte nur von Fall zu Fall Mandate. Andererseits musste der Weihbischof anstelle des Generalvikars die Pfarrgemeinden und ihre Priester visitieren.

Generalvikariat

Der Generalvikar als Leiter der Verwaltungsbhörde war verantwortlich für Fragen der Sakramente, Seelsorgeprüfungen, leichte Vergehen von Klerikern, das Kirchvermögen und schulische Angelegenheiten. Meistens hatte der Generalvikar eine Generalvollmacht für die zwei Bereiche seiner Behörde, die einerseits für die geistlichen Belange, anderseits für die Rechtsangelegenheiten zuständig waren. Die Besetzung des Generalvikars war nicht immer einfach. Die Aufgabe des Offizialats war die kirchliche Rechtsprechung, vor allem in Disziplinarfällen und Eheangelegenheiten.

Dekanate

Die päpstliche Bulle von 1821 hatte keinerlei Verfügungen über die Dekanatseinteilung getroffen. Es bestand aber die Notwendigkeit, die unterschiedlichen Verwaltungen links- und rechtsrheinisch zu vereinheitlichen. Zwei Jahre nach Spiegels Amtsantritt trat die neue Dekanatsordnung in Kraft. In Anlehnung an die staatliche Kreiseinteilung von 1816 schuf er für die gesamte Erzdiözese 44 neue Dekanate, davon 10 rechtsrheinisch, wo der Anteil der nichtkatholischen Bevölkerung größer war. Trotz Industrialisierung und rasanter Bevölkerungszunahme entstanden erst in den 90er Jahren 4 weitere Dekanate. Die Dekanate waren die wichtigste Zwischeninstanz zwischen der erzbischöflichen Verwaltung und den einzelnen Pfarreien, überwacht von einem Dechant, der regelmäßig Köln gegenüber berichtspflichtig war.

Pfarreien

Die linksrheinischen Pfarreien wurden seit der Franzosenzeit von Sukkursalgeistlichen betreut, die zwar auch vom Bischof ernannt wurden, jedoch ein geringeres Gehalt bezogen und auch leichter versetzt werden konnten. Spiegel sorgte für die rechtliche Gleichstellung aller Pfarreien, erhob aber nicht alle Kirchen zu Pfarrkirchen, da die finanzielle Situation zu unsicher war. Die Möglichkeit der schnelleren Versetzung nutzte Spiegel im Kampf gegen Hermesianismus. Erst 1898 hob der preußische Staat per Gesetz alle Pfarrergehälter auf ein Mindestniveau an.

Rechtsrheinisch hatte der Patronat (oft ein Adliger bzw. der Staat) das Recht, Pfarrstellen zu besetzen. Ab 1887 wurden Kompromisse zwischen Staats- und Kirchenbehörden gesucht, erst 1929 kam es zu endgültigen Regelung. Bei der Errichtung des Erzbistums gab es 686 Pfarreien, darunter 19, die 6000 und mehr Seelen zählten. Diese Situation verschärfte sich, obwohl einzelne Pfarreien dazu kamen, nicht genug gemessen am Bevölkerungswachstum. Meist entstanden sie in ländlichen, linksrheinischen Gebieten. Nach der Beendigung des Kulturkampfes war der Ausbau des Pfarrnetzes, besonders in den Städten, die dringendste Aufgabe.

Die Geistlichen, Ordensleute und Ordensschwestern um 1900

Diözesanpriester

Zur Zeit Erzbischof Spiegels gab es etwa 1300 Diözesanpriester, um 1901 dann 1770. Die Zahl der Gläubigen stieg aber prozentual stärker, sodass Ende des Jahrhunderts ein Seelsorger durchschnittlich 1380 Gläubige betreute. Die Ausbildung der Priesteramtskandidaten wurden vereinheitlicht. Sie mussten im Bonner Theologenkonvikt leben, studierten, genossen religiöse Erziehung und die Vorbereitung auf die pastorale Praxis. Bis 1892 war die Unterbringung eher behelfsmäßig, danach war das Collegium Albertinum eine würdige Bleibe. In einer zweiten Ausbildungsphase im Priesterseminar in der Kölner Marzellenstraße ging es um die Vorbereitung auf die Priesterweihe und die Seelsorgepraxis.

Das Gemeinschaftsbewusstsein innerhalb des Klerus wuchs erst langsam. Der führende Theologieprofessor Hermes schied die Geister in eine alt- und jungkirchliche Gruppe, auch noch nach seiner päpstlichen Verurteilung. Erst der Kulturkampf einte des Klerus. Die Lebensführung der Priester war bescheiden, trotz Wohnung und Einkommen. Der Zölibat galt als selbstverständlich, der Priester opferte sich ohne Rücksicht auf eine Familie ganz dem Dienst.

Orden und religiöse Gemeinschaften

Die Aufhebung der Orden während der Säkularisation brachte das Ordensleben in der erste Hälfte des Jahrhunderts fast zum Erliegen. Im Zuge der preußischen Verfassung von 1848/49 kehrten die alten und traditionsreichen Orden an den Rhein zurück. Die kontemplativen Orden hatten ihre Anziehungskraft verloren, attraktiven wurden die Orden, die sich auf religiösem, karitativem, erzieherischem und missionarischem Gebiet betätigten. Die Aufbauphase wurde durch den Kulturkampf unterbrochen, setzte sich danach aber sehr erfolgreich fort.

Weiterhin gab es religiöse Verbände, die sich oft um Jugenderziehung und Schulwesen kümmerten und Laienbruderschaften, die sich überwiegend der Krankenfürsorge widmeten. Um 1772 lag die Zahl der Mitglieder der Klöster und religiösen Vereinigungen noch bei 215, 1902 schon bei 709.

Frauenorden und weibliche religiöse Gemeinschaften

Die Entwicklung der Frauenorden und -gemeinschaften stellte die der Männer bei weitem in den Schatten. 1827 gab es 179 Schwestern, vor dem Kulturkampf 2060, 1878 nur noch 1303, 10 Jahre später gab es 1887 um zu Beginn des neuen Jahrhunderts gab es 5048 Schwestern. Auch bei den Frauenorden gewannen die Neugründungen und zugewanderten Gemeinschaft einen Vorsprung gegenüber den aus dem Beginenwesen erwachsenen Ordensgemeinschaften. Die in Einzelhäusern lebenden Kongregationen widmeten sich vor allem der Armen- und Krankenpflege. Die unterrichtenden Orden hatten es schwerer mit ihrem Wirken in der Mädchenerziehung. Die kontemplativen Orden mit strenger Klausur gehörten eher der Vergangenheit an.

Die Pfarrkirchen

Die wachsende Bevölkerungszahl machte Kirchenneubauten oder Erweiterungen unumgänglich. Bis zum 19. Jahrhundert waren Kirchenneubauten eher Repräsentationsgebäude, danach wurden sie zum Mittelpunkt der örtlichen Seelsorge. Der Wiederbeginn der Arbeiten am Kölner Dom um 1842 prägte auch den künftigen Stil der Kirchen. Die Gotik wurde wieder entdeckt, fälschlicherweise als typisch deutsche Kunstrichtung eingeordnet, und die Vorstellung ein Nationaldenkmal zu errichten. Durch die finanzielle Beteiligung König Friedrich Wilhelm IV. sowie die Spendenfreudigkeit der Katholiken ermöglichten die Fertigstellung des Domes 1880. Mit der Wiederaufnahme der Dombautätigkeit entstand die Neugotik später auch die Neuromanik, die dann die beherrschenden Stile bei der Erweiterung bestehender Kirchen waren. Im Kircheninneren nahm der Hochaltar mit Tabernakel und Expositorium die zentrale Stellung ein, weiterhin musste jede Pfarrkirche über eine Kommunionsbank, Kanzel und Beichtstuhl verfügen.

Gottesdienst und Sakramente

Das Herzstück der Liturgie war die stille Messe und die Singmesse. Der Hauptgottesdienst war das sonntägliche, lateinisch gesungene Hochamt, Latein blieb die beherrschende liturgische Sprache. Der häufigere Kommunionempfang setzte sich im 19. Jahrhundert noch nicht durch, der Brauch, die Erstkommunion mit der Schulentlassung zu feiern setzte sich erst im 10. Jahrhundert durch. Taufe und Beichte wurde nicht mehr in der Sakristei sondern in der Kirche gespendet. Bei Rückgang der Kindersterblichkeit wurden die Kinder nicht mehr direkt am Geburtstag getauft.

Es wurden regelmäßige Beichtzeiten festgelegt, meist vor Sonn- und Feiertagen und vor und nach der Frühmesse. Gefirmt wurde regelmäßig besonders bei den Visitationsreisen des Erzbischofs. Die Krankensalbung "letzte Ölung" empfing man nur bei lebensgefährdender Krankheit in Verbindung mit dem Bußsakrament und der Kommunion. Das kirchliche Begräbnis war nicht genau geregelt. Das Ehesakrament wurde linksrheinisch, anders als rechtsrheinisch, nur in Verbindung mit der Ziviltrauung anerkannt.

Volksfrömmigkeit und Heiligenverehrung

Die barocke Frömmigkeitspraxis mit der Verehrung der Eucharistie blieb auch im 19. Jahrhundert erhalten. Es gab unterschiedliche Gebetszyklen sowohl zur Anbetung und Dankbarkeit, als auch mit dem Sühnegedanken. Nach dem verkündeten Dogma der Unbefleckten Empfängnis 1854 nahm die Muttergottes die führende Stelle bei den Heiligen ein. Damit verbunden war die Maiandacht, das Rosenkranzgebet und der dreimal am Tage gebetete Engel des Herrn. Der hl. Josef als Zimmermann fand vor allem in Arbeiterkreisen Anklang.

Die Wallfahrt war die auffälligste Form der Heiligenverehrung. Neviges war der größte Marienwallfahrtsort, beliebter waren Wallfahrten auch zu außerhalb der Diözese liegenden Orten wie Kevelaer. Die große Menge der bäuerlichen Heiligen hatte nur lokale Bedeutung. Es gab eine Vielzahl lokaler und kleiner Verehrungsstätten. Die Wallfahrtsabneigung der Aufklärungszeit, selbst Verbote hatten keinen Einfluss auf den Umgang mit Wallfahrten. Die privat Frömmigkeit entzog sich immer stärker der kirchlichen Reglementierung.

Religiöse Erziehung: Schule und Christenlehre

Die Anerkennung der Konfessionsschule durch den preußischen König bot die Voraussetzungen für die religiöse Unterweisung der Kinder. Die Lehrer übernahmen die "biblische Geschichte", die Pfarrer den "Katechismus". Erzbischof Spiegel maß der religiösen schulischen Bildung eine hohe Bedeutung zu. 1823 entstand in Brühl das erste Lehrerseminar für die konfessionelle Lehrerausbildung. 1877 entstand in Xanten ein Seminar für Lehrerinnen. Der Religionsunterricht wies der sonntäglichen durch den Pfarrer gehaltenen "Christenlehre" nur noch eine Ersatzfunktion zu.

Feiertag und Fastenpraxis

Rechtsrheinisch kannte man 18, linksrheinisch 4 und im übrigen Preußen 15 staatlich und kirchlich anerkannte Feiertage. 1826 einigte man sich mit einem Kompromiss auf 15 Feiertag einschließlich protestantischer Feiertage. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts galten strenge Fasten- und Abstinenzgebote. Durch die zunehmende konfessionelle Mischung und die veränderten Arbeitsbedingungen wurden 1847 Erleichterungen geschaffen bzw. wurde die Anzahl der Tage reduziert.

Der Katholizismus in Staat und Gesellschaft

In den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts gewannen die Bewegungen, Vereine und Verbände (z.B. der Gesellenverein Adolph Kolping) der Katholiken zunehmend Einfluss in Staat und Gesellschaft. Ein mit Laieninitiative gegründeter Volksverein hatte 1890 schon über 100.000 Mitglieder. 1880 entstand der Verein "Arbeiterwohl" und 1897 der Deutsche Caritas-Verband. Diese Vereine stehen für die Initiativen, die erst im nächsten Jahrhundert ihre volle Wirksamkeit entfalteten.