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Künstler bei der Arbeit

AdventsZeit 2024: Künstler bei der Arbeit
Von:
Peter Angenendt

„Artist at Work“ – das ist der Titel der neuen Jahresausstellung in Kolumba, dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln. Die Redaktion der AdventsZeit hat drei Kunstfreunden eine Führung durch die Ausstellung geschenkt.

Der Schlafende hat eine Kaffeetasse am Bett. Aber irgendetwas ist komisch auf dem Foto. „So einen Glastisch haben Oma und Opa doch auch“, ruft Museumsbesucherin Ida Charlotte. Ein Bett aber gehört ihrem Empfinden nach „ins Schlafzimmer und ein Couchtisch ins Wohnzimmer“. Elisabeth und Andreas Stürmer müssen über die Enkelin schmunzeln. Aber sie sind auch ein bisschen stolz, dass die Achtjährige im Diözesanmuseum Kolumba so pfiffig dabei ist. Mladen Stilinovićʼ Fotozyklus „Artist at Work“, mit dem er 1978 in Zagreb allen emsigen Staatskünstlern als „Faulenzer“ eine lange Nase machte, schaut sie sich schon ganz genau an, entdeckt die zusammengewürfelten Kissen und Bettbezüge, begutachtet den einfachen Rahmen unter der Matratze, der „so etwas Selbstgebasteltes“ hat, wie Ida Charlotte meint. Sie erkennt, dass es sich nicht um einen reichen Mann handelt, die Wohnung kaputt ist und alles sehr karg. 

Nicht so wie bei den „Vier Gekrönten“ vom Epitaph des Kölner Dombaumeisters Konrad Kuyn aus dem 15. Jahrhundert, die in der Vitrine nur wenige Schritte entfernt vom schlafenden armen Künstler aus dem ehemaligen Jugoslawien stehen. „Wir erklären die Kunst durch die direkte Gegenüberstellung mit der Kunst“, sagt Kunsthistoriker Dr. Marc Steinmann, stellvertretender Leiter des Museums. Die vier Patrone des Bauhandwerks haben Messinstrumente in der Hand, und so wie sie in ihren edlen Kleidern dastehen, steht gleichsam im Raum, dass Kunst von Können kommt. Aber stimmt das noch? Stilinović für seinen Teil verschaffte sich schon quasi liegend Respekt – gemäß dem Motto: „Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf.“ In den Kunstranglisten gelangte er damit weit nach oben. Die Kuratoren von Kolumba übernahmen denn auch gleich den Titel seiner Fotoserie „Artist at Work“ für ihre Jahresausstellung, die die Vielseitigkeit der Kunst erforscht und tief schürft im Wesen von Bildern, Skulpturen, Farben und Formen.

Lichtkreuz vermittelt Mut 

Die Eheleute Stürmer haben von der Redaktion der AdventsZeit als Dank und Wertschätzung für ihre ehrenamtliche Arbeit in ihrer Pfarrgemeinde in Erftstadt-Lechenich eine private Führung mit Marc Steinmann geschenkt bekommen – stellvertretend für viele andere Ehrenamtliche im Erzbistum Köln, die sich täglich für ein gutes und liebenswertes Gemeindeleben engagieren. Stürmers bauen die Krippenausstellung in der Kirche St. Kilian in Lechenich auf und werden dabei von ihrer Enkelin tatkräftig unterstützt. Im Jahr der Flut vermittelten sie der Gemeinde ein Lichtkreuz des Bildhauers Ludger Hinse, das Mut machen sollte. „Mut machen uns auch solche Ausstellungen wie hier in Kolumba“, sagt Dr. Andreas Stürmer, der über 20 Jahre als wissenschaftlicher Referent für die Bau- und Kunstdenkmalpflege im Rheinland für die Stadt Kleve zuständig war. Die Kunst lässt ihn auch im Ruhestand nicht los. Auf ihrem alten Fronhof in Vettweiß-Disternich beherbergen die Stürmers den Nachlass des Bildhauers Hans Gerhard Biermann, dessen Stein- und Holzarbeiten nach der Schließung der Kunstwerkstätten der Abtei Maria Laach heimatlos geworden waren und nun unter anderem in ihrem Garten stehen. 

Auf den Garten von Kolumba wiederum schaut Marc Steinmann zusammen mit Ida Charlotte und freut sich an den unterschiedlichen Farben der Bäume. Der Kölner Dom im Fensterrahmen ist ein Bild für sich. Für Elisabeth Stürmer ist das Museum des Architekten Peter Zumthor „ein magischer Ort“, den sie mit der Familie oder mit Freunden immer wieder besuchen muss. Sie selbst hat im Kunsthandel gearbeitet und ihren Mann im Auktionshaus Venator kennengelernt. „Wir hatten echte Grafiken von Albrecht Dürer in den Händen“, erzählen sie mit einem Lächeln, das verrät, wie stark die Bindung auch durch die gemeinsame Leidenschaft ist. Beeindruckt sind sie, mit welcher Umsicht Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus und sein Team die Räume in Kolumba jedes Mal neu gestalten.

Begeistert vom heiligen Nikolaus

„Das passt perfekt“, sagt Elisabeth Stürmer im Raum mit dem Kreuz aus Erftstadt-Erp, das in direkter Nachbarschaft zu Bildern von Susanne Kümpel hängt. Diese ist mit dem Kunsthaus KAT18 verbunden, einer Ateliergemeinschaft von Künstlern mit Beeinträchtigung, mit der Kolumba zusammenarbeitet. Kümpels leuchtende Malerei harmoniert mit den warmen Holzfarben von Nussbaum, Pappel und Tanne, die die Skulptur des gekreuzigten Christus ausmachen. Kümpel hat bei den alten Meistern gelernt und sie mit großer Freiheit fortgeschrieben.

Und während Mladen Stilinović mit seiner Provokation durch Müßiggang im Bett die Kunst eines Jackson Pollock oder anderer bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts vom Sockel hebt, stellt das Team von Kolumba die Muttergottes und den heiligen Nikolaus in den Mittelpunkt eines anderen Raums. „Auch die Sockel erzählen eine eigene Geschichte“, sagt Steinmann, und Ida Charlotte läuft spontan zur Statue des heiligen Bischofs aus Myra. Steinmann weist sie auf die winzigen Goldklumpen hin, die auf den Sockel gemalt sind. Nikolaus gab der Legende nach drei armen Töchtern Gold, das er nachts heimlich durch den Kamin warf, sodass sie heiraten konnten. Goldverziert ist auch das Kreuz der Ida von Köln (1025–1060). Steinmann schenkt Ida Charlotte zum Abschied eine Postkarte mit einer Abbildung des Kruzifixes, das ihren Namen trägt. Ein bisschen ist es auch eine Familiensache, denn wie ihr Opa ihr erklärt, gehörte der Fronhof, auf dem er und seine Frau heute leben, ursprünglich zur Kölner Kirche St. Maria im Kapitol, und im 11. Jahrhundert war die heilige Ida Äbtissin der Benediktinerinnen dort. Die junge Museumsbesucherin freut sich, stellt aber gleich klar: „Ich habe jetzt Hunger.“ Denn auch die Kunstbetrachtung ist Arbeit und macht ordentlich Appetit.

Zur Jahresausstellung

Die Jahresausstellung ist noch zu sehen bis 14. August 2025.

Ausgestellt sind Werke aus neun Jahrhunderten, unter anderem von: Giampaolo Babetto, Monika Bartholomé, Anna Blume, John Cage, Valeria Fahren-krog, Robert Filliou, Bill Fontana, Terry Fox, Bettina Gruber, Eric Hattan, Georg Herold, Bethan Huws, Alexej von Jawlensky, Hans Josephsohn, Michael Kalmbach, Frederic Kraul, Leonhard Kern, Konrad Klapheck, Jannis Kounellis, Susanne Kümpel, Konrad Kuyn, Stefan Lochner, August Macke, Marcel Odenbach, Walter Ophey, Norbert Prangenberg, Inge Schmidt, Richard Serra, Mladen Stilinović, Paul Thek, Adalbert Trillhaase, Manos Tsangaris, Andor Weininger, Stefan Wewerka, Josef Wolf, René Zäch.