Impuls:In der Krippe ist Platz für jeden
Liebe Leserin, lieber Leser,
immer wenn ich – wie jedes Jahr – meine Krippe auspacke, gibt es für mich einen besonderen Moment. Ein ganzes Jahr lang waren die Figuren ja gut verstaut in einem Karton. Jetzt kommen sie wieder raus, als wäre keine Zeit vergangen. Und doch ist vieles anders geworden. Die Weltlage hat sich in einem rasenden Tempo verändert. Auch in meinem Leben ist ein Jahr vergangen. Dieser Moment des Auspackens führt mir das immer vor Augen. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Und dann merke ich, wie wichtig es ist, dass es etwas gibt, das sich nicht verändert. Das Kind in der Krippe, Maria und Josef und die Botschaft, dass in diesem Kind das Heil der Welt und auch unser Heil zu finden ist. Es gibt ja in unserem Erzbistum Tausende verschiedener Krippen. Es gibt die klassischen traditionellen Krippen. Es gibt aber auch Milieukrippen mit sozialkritischen Zügen und zusätzlichen, ganz anderen Figuren. Bei allen Unterschieden und bei aller Vielfalt führen uns alle zentral die Botschaft vor Augen, dass Gott diese Welt nicht im Stich lässt.
In diesem Jahr möchte ich mithelfen, die Krippe in unserem Dom auszupacken. Das liegt mir irgendwie am Herzen. Zum Beispiel gibt es da eine der „blauen Schwestern“, die gerade in meine Nachbarschaft gezogen sind. In der Domkrippe hilft sie einer gebrechlichen Frau und führt sie. Schwestern vom Unbefleckten Herzen Mariens, der Mutter Christi – so nennen sie sich eigentlich. Die „blauen Schwestern“ sind bekannt für ihre Hingabe an die Hilfe für andere.
In der Krippe stehen auch Feuerwehrmänner, Verkehrspolizisten, Reinigungskräfte und natürlich auch ein Domschweizer. So bilden die verschiedenen Figuren ab, wie wir uns in dieser Welt in Bezug auf das Zentrum jeder Krippe verstehen. Ein Bischof oder Kardinal findet sich in der Krippe im Dom nicht. Persönlich kann ich mich aber gut mit dem jungen Fan aus der Südkurve identifizieren, auf den ich mich beim Auspacken sehr freue. Mit seinem langen Schal trägt er seine Sorgen zum Christkind. Wieder einmal. Die Sorgen haben wir als FC-Fans ja zur Genüge. Auch er ist willkommen, denn an der Krippe ist für jeden Platz. Wie sehr wir auch in Ängsten leben, wie bedrohlich uns auch die schlimmen Krisen in der Welt erscheinen, im Zentrum jeder Krippe ist dafür Platz und die Verheißung, dass Gott diese Welt zum Guten vollenden wird.
Ihr Kardinal Rainer Maria Woelki
Erzbischof von Köln