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Orte:„Ich möchte träumen“ vom Frieden im Heiligen Land

AdventsZeit 2024: Ich möchte träumen vom Frieden im Heiligen Land
Von:
Stephan Wahl

Wer in der Heiligen Nacht zu Fuß nach Bethlehem geht und sich auf anmutig-romantische Landschaften, Schafherden und Hirten aus dem Bilderbuch freut, wird von der Wirklichkeit sehr enttäuscht sein.

Der Weg von Jerusalem zur Krippe ist alles andere als märchenhaft. Er führt entlang einer banalen Autostraße an Häuserzeilen, Läden und Werkstätten vorbei ins Zentrum des real existierenden Bethlehem. Wenn man Glück hat, tröstet ein klarer Sternenhimmel über die entgangene Romantik hinweg. Mir hilft dieses etwas nüchterne Erleben jedoch, die ursprüngliche Botschaft der Weihnacht besser zu verstehen.

Gott ist in diese konkrete Welt gekommen, und die besteht nun mal nicht nur aus Rauschgoldengeln und Krippenromantik. „In diese Welt, in diese verrückte Herberge, kommt Christus ohne Einladung.“ Das stand vor Jahren auf einer Weihnachtskarte. Wie verrückt diese Herberge ist, zeigt der wachsende Rechtsradikalismus in vielen Ländern. Und wie unheilig und verwundet das „Heilige Land“ immer noch ist, erlebe ich leider nicht nur nach dem grausamen 7. Oktober und seinen entsetzlichen Folgen.

Der Weg nach Bethlehem wird unterbrochen durch eine Mauer und einen Checkpoint, der israelisches Staatsgebiet vom palästinensischen Westjordanland trennt, zu dem Bethlehem gehört. Zwei Welten, eine Grenze, für viele nicht überwindbar. Nicht selten wird sie für Stunden, für Tage geschlossen.

bethlehem*

ich wüsste gerne
was sie geträumt haben
in bethlehem

vom richtigen bett 
zuhause in nazareth
von der in eile 
nicht verschlossenen tür
von den blicken der nachbarn 
auf die schwangere frau
unverheiratet

ich wüsste gerne
was sie geträumt haben
in bethlehem

ich wüsste gerne
was sie heute träumen
in bethlehem

vom ende der römischen herrschaft
von weniger steuern
vom bau eines neuen hauses
endlich

ich wüsste es gerne
ich weiß es nicht

ich möchte träumen
dass sie nicht nur träumen
was sie träumen

von geöffneten mauern
vom abbau der checkpoints
von neuen chancen für ihre kinder
von einem urlaub weit weg

von der rückkehr des friedens
nicht erst irgendwann

In diesem Jahr werden, wie im letzten Jahr, wohl nur wenige angereiste Pilger den Weg nach Bethlehem gehen. Sicher aber die Mönche der deutschen Benediktinerabtei Dormitio auf dem Zionsberg. Unter dem Motto „I carry your name to Bethlehem in the Holy Night – Ich trage deinen Namen in der Heiligen Nacht nach Bethlehem“ werden sie wieder eine besondere Schriftrolle bei sich tragen. Sie enthält die Namen von Menschen, die via Internet oder auf anderem Weg darum gebeten haben, auf diese Weise in der Christnacht in Bethlehem dabei zu sein, oder von anderen für diese Aktion benannt worden sind. Im letzten Jahr waren es über 120.000 Namen aus aller Welt. Wie viele Geschichten sind mit diesen Namen verbunden, wie viele Bitten, wie viele Sorgen, aber auch wie viel Dank. Begleitet wird diese Idee von einer Spendenaktion für soziale Projekte der Abtei. Da wird für mich Weihnachten sehr konkret und ist seinem eigentlichen Sinn nahe. Gott wurde Mensch mittendrin, mit allem, was dazugehört. Der im wahrsten Sinne „heruntergekommene Gott“, wie es der Schriftsteller Wilhelm Bruners einmal ausdrückte.

weihnachten*

in den 
stallgeruch 
dieser

bizarren
torkelnden
wundgeschlagenen
welt

stellt gott 
seine krippe 
uneingeladen

zynisch belächelt 
von jüngern in der hybris 
geht gott
unter die haut 
ohne beifall

verschafft licht
meiner seele

trotz allem

Gott ist mittendrin unter Unauffälligen und Schrillen, Musterfamilien und Beziehungschaoten, Heiligen und Gaunern. Und oft auch in den Momenten, in denen Menschen über sich hinauswachsen mit Toleranz und Größe oder ganz ohne Bühne in ihrem Alltag einfach leben, was sie glauben. Dann ist ein Hauch von Weihnachten, auch ohne Datum, stärkend spürbar.

AdventsZeit 2024: Ich möchte träumen vom Frieden im Heiligen Land

Nicht hassen, trotz aller Wunden – ein fast übermenschlicher Wunsch angesichts des unermesslichen Leids, das sich am und seit dem 7. Oktober 2023 ereignet hat und kein Ende findet. Nicht verzweifeln angesichts all der Ungeheuerlichkeiten und Ungerechtigkeiten auch abseits der Kriege. Stattdessen „lebenskeck“ nach vorne zu blicken – darum ringt Stephan Wahl, sich und uns herausfordernd, in neuen Psalmen, Meditationen, Gebeten und Gedichten.

Wir verlosen fünf Exemplare des Buchs. Schreiben Sie eine E-Mail an redaktion@kirchenzeitung-koeln.de mit dem Betreff „Lebenskeck“ oder eine Postkarte an die Kirchenzeitung Köln, Stichwort „Lebenskeck“, Ursulaplatz 1, 50668 Köln. Einsendeschluss ist der 31. Dezember.