Begegnungen:„Da oben im Himmel geht es weiter“
Herr Sebus, Herr Campmann, wie ist die Zusammenarbeit bei „Wenn ich ne Engel bin“ zustande gekommen?
Basti Campmann: Nachdem der Song fertig war, hatten wir direkt das Gefühl, dass Ludwig genau der richtige Sänger wäre, der uns helfen könnte, die Botschaft des Liedes rüberzubringen. Weil das Thema Tod ja nun ein besonders sensibles ist, hatten wir anfangs etwas Sorge, ihn zu fragen. Aber für uns war klar, dass es eine Adelung des Liedes wäre, wenn er zusagt – und dann habe ich ihn eines Tages angerufen.
Ludwig Sebus: Ja, der Basti hat mich um Mitternacht angerufen (lacht), also um 14 Uhr, denn ich halte da immer meinen Mittagsschlaf. Nachdem er mir erzählt hat, was er vorhat, habe ich sofort zugesagt. Ich mag die Musik von Kasalla, und weil Basti und seine Kollegen mir äußerst höflich, anständig und respektvoll begegnet sind, war da sofort ein Boden der Herzlichkeit gelegt. Und das Thema Tod haben die Jungs in ihrem Lied „Alle Jläser huh“ ja schon einmal besungen. Auch da ging es ja um diejenigen, die bereits im Himmel sind und auf die wir gemeinsam anstoßen. Und weil ich an dem Thema Tod ja weitaus näher dran bin als die Jungs, fand ich die Idee richtig gut.
Herr Campmann, warum haben Sie mit Kasalla bereits zum wiederholten Mal das Thema Tod in einem Lied behandelt?
Wie über viele andere Themen des Lebens sprechen wir in der Band natürlich auch über das Thema Tod immer mal wieder. Mich persönlich hat der frühe und sehr plötzliche Tod meines Vaters sehr geprägt, und er beschäftigt mich bis heute. Wir hatten kurz vor seinem Tod noch telefoniert und ziemlich kontrovers diskutiert. Danach haben wir nicht mehr miteinander gesprochen. Heute versuche ich deshalb, mich niemals im Streit von anderen zu verabschieden, weil man nie weiß, ob man sich noch mal wiedersieht. Ich habe durch den Verlust auch gelernt, den Moment mehr wertzuschätzen und zu genießen, weil man eben nicht weiß, wie viele Sommer man noch hat. Sind es noch 48? Oder 120 wie wahrscheinlich bei Ludwig?
Herr Sebus, vor fünf Jahren ist Ihre Frau Lilo im Alter von 95 Jahren gestorben. Wie gehen Sie mit dem Thema Tod um?
Meine Frau war eine stille Heldin. Meistens sind die wahren Helden unseres Lebens ja die, die niemand sieht, die im Stillen einfach da sind und wirken. Lilo hat die letzten 23 Jahre ihres Lebens im Rollstuhl gesessen, aber sie hat sich nie beklagt, nie gejammert, war trotzdem immer für ihre Familie da. Sie ist ein großes Vorbild für uns alle, auch jetzt noch. Und ich werde sie wiedersehen, weil ich durch meinen christlichen Glauben weiß, dass es da oben weitergeht. Ich habe keine Angst vor dem Tod.
Im Lied heißt es an einer Stelle: „Janz iehrlich, ihr mööt üch kein Sorje maache, denn ich treff do bovven dä Chef un minge Papp.“ Übersetzt: Ihr müsst euch keine Sorgen machen, denn ich treffe da oben den Chef (Gott) und meinen Vater. Welche Vorstellung haben Sie beide von „da oben“, vom Himmel?
Basti Campmann: Natürlich gibt es auch bei mir eine Vorstellung von einem Himmel, von dem die Kirche und die Bibel einem als Kind ja schon erzählen. Ich glaube, was im Himmel passiert oder wie man sich diesen Ort für sich selbst denkt und ausmalt, ist ein ganz individuelles Gefühl. Ich bin mir sicher, dass es da noch etwas gibt nach unserem Tod, dass es dann nicht vorbei ist. Ob wir wirklich in den Himmel auffahren und mir dann Petrus die Tür öffnet, weiß niemand. Vielleicht steht der Himmel aber auch für all die guten Dinge, die man bereits im Leben tut. Dafür, dass man bei den Menschen, die man liebt, in Erinnerung bleibt und in ihnen weiterlebt.
Ludwig Sebus: Ich bin da ganz bei Basti. Ich glaube auch, dass es da oben weitergeht, dass die Vorstellung eines Himmels sehr individuell ist und viel von der eigenen Prägung auch durch das Elternhaus abhängt. Bei mir ist natürlich der ganze Glaubensweg durch meine Eltern christlich-katholisch geprägt. Ich glaube daran, dass die Liebe das Zentrum unseres Glaubens ist, und diese Liebe Gottes, seine Hand, habe ich mehrfach in meinem Leben gespürt – selbst im Krieg, in Bombennächten und auch danach in den trostlosen Jahren mit viel Tod, Krankheit und Erfrierungen in russischer Kriegsgefangenschaft. Aufgrund dieser Erfahrungen machen mir auch die derzeitigen politischen Entwicklungen große Sorgen. Wir müssen aufpassen, dass unsere Freiheit und die Freiheit aller Menschen weiterhin das wertvollste Gut bleiben, das wir haben, und dass Mitmenschlichkeit die Basis für ein friedliches und freiheitliches Zusammenleben ist.
Herr Campmann, Sie haben dieses Jahr zusammen mit anderen Künstlern den Karnevalsgottesdienst in der Kölner Kirche St. Agnes mitgestaltet und dort unter anderem auch „Wenn ich ne Engel bin“ gesungen. Warum war Ihnen das wichtig?
Ich finde das Konzept einfach ganz wundervoll. Diese Verbindung von Kirche und Karneval – diesen für viele vielleicht verschiedenen Welten, die aber ja gar nicht so verschieden sind, sondern im Gegenteil einiges miteinander zu tun haben – ist großartig. In einem Gottesdienst zu spielen, in den Menschen voll kostümiert kommen, der immer mit so viel Herzblut vorbereitet und so liebevoll gestaltet ist – das ist wirklich für uns ein besonderer Moment. Und wenn dann, wie dieses Jahr, auch noch das Hänneschen, also eine Stockpuppe, die Predigt darüber hält, was eigentlich wirklich wichtig ist im Leben, dann kann ich nur sagen, so abgedroschen das klingen mag: Dat jit et nur bei uns en Kölle!
Sie verkörpern zwei Generationen im Kölner Karneval. Wie sehen Sie die Entwicklungen der vergangenen Jahre?
Basti Campmann: Ich kann zu der Zeit, in der Ludwig im Karneval begonnen hat, natürlich nichts sagen. Aber allein in den vergangenen zwei bis drei Jahrzehnten ist der Karneval viel kommerzieller geworden. Es ist bei allem „Spaß an der Freud“ vor allem ein Geschäft. Selbst im Vergleich zu der Zeit, als mein Vater bei den Räubern aktiv war, was nicht einmal 20 Jahre her ist, hat sich viel verändert. Er ist damals des Öfteren nach Auftritten noch mit den anderen aus der Band ausgegangen. Das wäre für uns gar nicht mehr machbar. Wir haben allein in der kommenden Karnevalssession mehr als 250 Auftritte. Deshalb müssen wir auf Ernährung achten, uns fit halten und in erster Linie gesund bleiben. Auch die Art der Sitzungen hat sich verändert, die Art der Musik. Ich kann wirklich verstehen, wenn Leute zu uns sagen: „Eure Musik ist mir einfach zu laut.“ Ich finde, dass nach wie vor Platz in Programmen für Redner und Krätzchensänger wie Ludwig sein muss.
Ludwig Sebus: Mein Prinzip ist immer: Wenn etwas gut ist, auch im Karneval, kannst du es nicht kaputtmachen. Natürlich waren früher die Sitzungen ruhiger, die Leute kamen in Abendrobe, es gab wesentlich mehr Redner und Krätzchensänger als heute, und solche Bands wie Kasalla gab es, bis die Bläck Fööss 1970 auftauchten, in der Form gar nicht.
Ich bin aber keiner von denen, die sagen: „Früher war alles besser.“ Ich habe großen Respekt vor dem, was Kasalla auf der Bühne leistet. Die Jungs stehen ja pro Auftritt mehr als doppelt so lang auf der Bühne wie ich damals. Bei mir war nach 15 Minuten Schluss, inklusive Zugaben. Ihr, Basti, spielt ja mindestens eine halbe Stunde oder noch länger. Das ist eine kolossale Leistung.
Basti Campmann: Jetzt muss ich aber auch mal etwas über Ludwig sagen. Wir haben uns ja jetzt im Laufe des gemeinsamen Prozesses zum Lied „Wenn ich ne Engel bin“ ein bisschen ausführlicher mit ihm und seinem künstlerischen Werk beschäftigt. Ich kannte ihn immer als eine unfassbar liebenswürdige Person, die mit sehr klaren Worten sagt, was sie denkt. Ludwig ist ein ganz besonderer Mensch, und er ist Zeitzeuge einer so langen Epoche. Ich habe mich mittlerweile aber auch mit seiner Musik, seinen Krätzchen und anderen Liedern beschäftigt und bin begeistert. Ein Beispiel ist „Jede Stein en Kölle“, das er ja kurz nach dem Krieg geschrieben hat und das das Lebensgefühl der Kölner damals so wunderbar treffend beschreibt. Und ich werde nie vergessen, als du im vergangenen Jahr, mit 98 Jahren auf der Bühne stehend, gesungen hast: „Ich dät et alles su widder dunn.“ Da hatte ich schon ein paar Tränen in den Augen.