Identität in säkularer Gegenwart

Begrüßungsrede - Stefan Koch - PäWo 2016

wir freuen uns, Sie alle am Tag der katholischen Schulen in Freier Trägerschaft zur Pädagogischen Woche begrüßen zu dürfen, die wir wie auch in den letzten Jahren in Kooperation mit dem IFL anbieten. Wir freuen uns auch über die Zahl von rund 130 Teilnehmern, die das hohe Interesse an der Veranstaltung anzeigt.

Ganz besonders begrüße ich den heutigen Referenten, Herrn Prof. Dr. Hans-Joachim Höhn. Schon jetzt darf ich sagen, dass wir uns sehr auf Ihren Beitrag freuen! Herzlich willkommen!

Und ich begrüße unsere Leiterin der Hauptabteilung Schule/Hochschule. Frau Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke: seien Sie sowie alle anderen herzlich willkommen!

?Vielfältig nach dem Einen fragen?

Das Thema der diesjährigen Pädagogischen Woche lautet: „Vielfältig nach dem Einen fragen“ – Identität finden in säkularer Gegenwart. Wie Ihr Vortrag, lieber Herr Prof. Höhn, mit dem Thema "Die Freiheit nehm ich mir - Vom Sinn der Unverfügbarkeit" zu dem Thema der Identität paßt, werden Sie uns sicher gleich selbst am besten entfalten können.

Das Thema ist, gestatten Sie mir daher nur einige sehr kurze Anmerkungen und Einleitungen, zum Glück nicht neu und unterliegt daher nicht dem Druck eines oft hemmenden Aktualitätsbedürfnisses.

Identität

Dass wir jeweils unsere Identität finden und immer wieder neu überprüfen und gestalten müssen, scheint klar und bekannt. Unklar ist die Antwort auf die Frage nach dem Wie? und ob es ein gemeinsames Verständnis von "Identität" gibt in Theologie, Philosophie, Psychologie, Medizin, Soziologie, Politik, Integrationsforschung etc. Mir wird fast schwindlig, wenn man sammelt, wer dazu nicht alles etwas zu sagen hat.

Wenn ich erst begreifen muss..

Die Darstellung einer der bekanntesten philosophischen Aufgaben in diesem Feld habe ich vor einigen Wochen noch mal dem Philosophischen Radio entnommen, das in WDR 5 von Jürgen Wiebicke besorgt wird: Wir Menschen wollen uns seit einigen Jahrzehnten immer stärker als Gegenstände der Natur begreifen und weniger als Geistwesen. Hinter dieser einfachen Formulierung steckt möglicherweise eine Aporie: Wenn ich ganz Natur bin, muss ich es nicht mehr begreifen. Wenn ich erst begreifen muss, daß ich Natur bin, dann bin ich es nicht wirklich.

Leere ?

Mir scheint, die Frage nach der christlichen Identität in säkularer Gesellschaft wirft auf ähnliche Weise Widersprüche auf. Wie religiös wollen wir sein? Und wo sind die Grenzen des Religiösen, an denen wir sagen, hier wollen wir modern / säkular / rechtsstaatlich oder in alten Begriffen "vernünftig" sein?

In einem sehr instruktiven Vortrag hat gestern Daniel Deckers, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, an dieser Stelle die These entfaltet, daß Identität und Diversität nicht unbedingt Widersprüche darstellen. Seine Formulierung hieß „Identität durch Diversität“.

Bei den Ihnen sicherlich längst bekannten Phänomenen der zurückgehenden Zahlen der Kirchgänger wie der Kirchen-Mitglieder steht die katholische Schule vor heftigen kritischen Anfragen – von innen wie von außen. Ich kann und will das hier nicht entfalten. Im Kern geht es um die Frage: Sind die Kirche und die kirchliche Schule von innen her leer?

Daniel Deckers

Deckers‘ Kriterium für die Identität der katholischen Schule macht er im Träger aus: 1. In den Zumutungen des Trägers an die Mitarbeiter, 2. In den wechselseitigen Erwartungen von Träger und Mitarbeiter und 3. In den Personen an der Spitze.

Nur wenn katholische Schulen den ganzheitlichen Blick auf die Schüler und die Mitarbeiter kultivieren, wenn auch spirituelle Förderung zum Wohl der Mitarbeiter geschieht und nicht nur fachliche Weiterbildung, dann werden die Schulen ihrem Anspruch gerecht. Nicht WAS ich mache, ist entscheidend. Sondern WIE ich es mache. Und Deckers ergänzt: und WO es geschieht, was ich mache.

Deckers plädiert entschieden dafür, beim Blick auf die Mitarbeiter  und die formale konfessionelle Bindung – wie bei den Schülern – zu lernen, nicht nur defizitär zu denken, sondern – jetzt sage ich es in meinen Worten – die Spiritualität des Einzelnen als Chance zu begreifen.

Die Kirche und die kirchliche Schule muss sich angesichts der Gefahren der Ungleichheit bei der Verteilung der Bildungschancen als Anwalt der Diversität verstehen. Und erst diese Diversität ermöglicht Identität.

Wir alle müssen - jeder für sich - die Widersprüche bei der je-eigenen Identität auflösen und so eine Lösung finden. Wie das möglich ist, darüber lohnt es sich nachzudenken. Denn es ist ja nicht immer so, dass des gelingt, die Widersprüche aufzulösen. Und wenn es nicht gelingt, dann scheitert unser Leben. Die pädagogische Hoffnung, die wir haben, besteht darin, uns selbst - vor allem in den Schulen - auf diese Fragen und Aufgaben vorzubereiten, damit unser Leben gelingt.

Wem gehört die Freiheit ?

Die Freiheit, wie wir sie von Gott geschenkt bekommen haben, ist für die Gestaltung unseres Lebens die Voraussetzung. Wie aber genau? Nach einer berühmten Unterscheidung bin ich bei genauem Hinsehen nicht nur frei von vielen Zwängen, die mir im Alltag oft den Blick trüben, sondern ich habe im Kern auch die Freiheit zu vielen Entscheidungen.

Wo sind aber hier die Grenzen? Was ist mit den Grenzen der Freiheit bei den anderen? Hat Gott selbst mir auch Grenzen der Freiheit mit auf den Weg gegeben, oder vertraut er mir die Freiheit grenzenlos an? - Welcherart sind die Grenzen, die in Gott selber liegen? Wenn wir die Dreifaltigkeit richtig verstehen, begrenzen sich die drei Personen, um die Grenzen natürlich gleichzeitig auch wieder aufzuheben.

Ich breche das hier ab und gebe Ihnen diese Fragen mit auf den Weg des heutigen Tages, vielleicht auch auf den Weg in Ihre Schule.

Ich freue mich auf den Beitrag von Prof. Höhn und übergebe gern.

Ich wünsche Ihnen einen inspirierenden Tag!

 

Stefan Koch